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Interview mit Claudia Henzler "2020: Trotzdem dankbar"

Für ihre Fotokunst wurde die Wahl-Salzburgerin bereits mehrfach ausgezeichnet. Ich hatte das Glück, sie vor einigen Jahren bei einem Workshop zum Thema “Was zählt” kennenzulernen und durch ihre “Schule der Achtsamkeit” wieder mehr zu erkennen, was für mich wirklich zählt.

Für ihre Fotokunst wurde die Wahl-Salzburgerin bereits mehrfach ausgezeichnet. Ich hatte das Glück, sie vor einigen Jahren bei einem Workshop zum Thema “Was zählt” kennenzulernen und durch ihre “Schule der Achtsamkeit” wieder mehr zu erkennen, was für mich wirklich zählt.

“Ich richte mich immer wieder neu aus”

Im Jahr 2020, das für Claudia neben den Herausforderungen rund um die Corona-Krise auch zwei besonders schmerzhafte persönliche Verluste mit sich gebracht hat, gab es Höhen und Tiefen. Sie erzählt im Zoom-Gespräch davon, was ihr in diesen schwierigen Phasen geholfen hat, wieso Achtsamkeit ein lebenslanger Prozess für sie ist und warum sie ihren Fokus immer wieder neu ausrichtet.

© Christine Feger: Heiterkeit fällt Claudia Henzler besonders leicht, sie kennt aber auch die anderen Facetten der Gefühlswelt. 

© Christine Feger: Heiterkeit fällt Claudia Henzler besonders leicht, sie kennt aber auch die anderen Facetten der Gefühlswelt. 

Im persönlichen Interview sprechen wir über …

… ihre inspirierenden Posts auf Social Media:

“Ich liebe es, meine Sichtweisen durch Bilder mit Botschaft zu teilen. Dabei geht es mir vor allem darum, zu berühren, Inspiration, Achtsamkeit und Wertschätzung in den Blick zu nehmen. Wenn ich ein Bild aus der Natur oder von einem Aspekt des MenschSeins zeige, erinnere und ermutige ich zum Fokus auf Schönheit und Dankbarkeit nach dem Motto: Übe die Kunst des Sehens.”

… die Verbindung von Fotografie und Achtsamkeit:

“Fotos sind sozusagen die Sichtbarmachung meines inneren Fokus. Sie zeigen, wie ich die Welt sehe und was mir gerade wichtig ist. Denn genau das nehme ich in den Blick und wähle hierzu auch die Bildkomposition, Ausschnitt und Aussage. Es gehört alles zusammen. Ohne Achtsamkeit ist eine Fotografie nur ein zufälliger Schnappschuss. Mit Achtsamkeit kann die Fotografie zur Kunst werden.“

… ihre eigenen Perfektionsansprüche:

“Ich bin in vielerlei Hinsicht ein Perfektionist. Manchmal ist das gut, manchmal macht es mir selbst das Leben schwerer als nötig. Wäre cool, wenn ich mir mehr zugestehe, Fehler zu machen, zu Scheitern, … und mit einem Mix aus Mitgefühl und Humor wieder aufstehe, weitermache, neues ausprobiere… Im Grunde mache ich das auch… nur eine Spur leichter könnte ich es mir selbst noch machen.“

… wie sie reagiert, wenn es in der Welt turbulent zugeht:

“Ich suche Ruhe und Ausrichtung, indem ich immer wieder frage: Was ist mir wichtig? Was gibt mir Kraft? “

© Augenblicke by Claudia Henzler

© Augenblicke by Claudia Henzler

… Achtsamkeit als Unterstützung im Umgang mit Krisen:

“ Durch Achtsamkeitstraining übe ich, in die Gegenwart zu kommen. Das sind ganz verschiedene Übungen. Was mir hilft sind z.B. achtsames tiefes atmen, singen, wandern und aufatmen in der Natur, wo ich der Schönheit auf Schritt und Tritt begegne. Video und Fotografie benutze ich als Werkzeuge, meinen Fokus auf das Besondere zu richten.“  

… ihren Umgang mit Gefühlen und Perspektiven 

“Ich bin ein leidenschaftlicher Mensch. Mein Gefühlspendel schlägt in alle Richtungen ordentlich aus. Das zeichnet wahrscheinlich viele Künstler aus. Man sieht es in meiner Fotokunst. Emotionen, Atmosphäre, das, was unser MenschSein ausmacht… das ist mir alles wichtig zu spüren und auch sichtbar zu machen. Wenn ich mich z.B. traurig, ängstlich oder ohnmächtig fühle, schaue ich immer wieder: wie kann ich die Sichtweise wechseln. Da hilft mir stark die Begegnung  der Natur. In der Natur fällt es mir besonders leicht, die Anbindung an den Urgrund meines Seins zu suchen. Ich sehe dann Gottes Spuren in verschiedensten Facetten durch sein Funkeln in mein Leben hineinstrahlen. Das sind dann oft Lichtblicke, die ich auch digital oder in Ausstellungen hervorhebe. Der Blick auf das Schöne ist für mich immer neu eine Inspiration und erweckt Freude und Lebendigkeit.”

© Augenblicke by Claudia Henzler: Der Fokus liegt bei Claudia Henzler stark auf der Schönheit der Natur und des MenschSeins.

© Augenblicke by Claudia Henzler: Der Fokus liegt bei Claudia Henzler stark auf der Schönheit der Natur und des MenschSeins.

… den Umgang mit Verlust und Tod in der Familie:

“Bei dem Verlust von Sicherheit, Träumen, Lebensvisionen ist einiges ins Wanken gekommen. In diesem Jahr ist mein Schwiegervater Oleh Hornikiewicz gestorben. Er gilt als einer der größten Wissenschaftler dieses Jahrhunderts. Mit ihm ging eine Ära zu Ende.
Als nur vier Tage später auch mein Stiefsohn Jeremias im Alter von 26 starb, war das nochmal ein ganz anderer vehementer Schicksalsschlag. Es gibt viel anzuschauen. Auch zu betrauern. Ich möchte dem nachspüren, was für mich tatsächlich relevant ist. Das erfordert meinen Mut zur Echtheit, zur Offenheit, zur Verwundbarkeit. Kraft und Ausrichtung verkündet mir die Vision: es warten neue Ufer, weite Horizonte und der Duft von neuer Freiheit und Lebendigkeit.”

… Schritte zur Selbsterkenntnis und Mut zur Authentizität:

“Wenn ich mich ernst nehme… und den Mut habe, mich authentisch zu zeigen, dann kann das auch meine Umgebung ermutigen und zusprechen: „Auch Du darfst so sein, wie Du bist“. Ich wünsche mir eine Welt, in der wir einander wertschätzen. Mitsamt unseren Makeln. Sozusagen trotzdem. Wenn wir nicht so sehr beschäftigt damit sind, Angst zu haben, zu versagen, andere zu enttäuschen, und dann vielleicht „nicht mehr gemocht oder gar „in die Wüste“ geschickt zu werden“, was sich ja „furchtbar einsam anfühlt“,… Wenn also mehr Vertrauen als Angst da ist, dann haben wir plötzlich ein riesen extra Kraft-Reservoir. Aus dem können wir schöpfen und richtig geniales zur Welt bringen. Ich stelle mir vor, in dem ich bei mir beginne, mitfühlender zu werden, umso mehr lade ich andere ein, es auch zu werden. … Im Bilde gesprochen, stelle ich mir das Resultat authentischen Daseins so vor: wie einen üppigen, wild und schön wachsenden Blumengarten, wo wir uns gegenseitig „befruchten“ und prächtig miteinander gedeihen. Jeder auf seine Weise: schön, einzigartig und wertvoll. … Ist doch eine coole Idee, oder (lacht)?“

Im Film-Interview verrät Claudia zur „Selbsterkenntnis“ einen super Buchtipp von C.S. Lewis!

… wie Corona sie verändert hat:

“Ich habe mich intensiv damit beschäftigt: Was macht Corona mit mir? Wie betrachte ich Corona und wie kann ich es noch sehen. Die Frage bei Herausforderungen ist: Was hilft (jetzt) weiter? Welcher Blick, welche Art der Lebensperspektive, was für kleine Gedanken und Handlungen kann ich aktiv wählen, die ins Leben führen -  – mich und andere? Was für Geschenke und Gelegenheiten kann ich in dieser Zeit entdecken, wenn ich einen Perspektivenwechsel vornehme? Mit diesen Wahrnehmungsübungen und Blickwechseln experimentiere ich viel. Die Kamera nutze ich oft für diese „Schule des Sehens“. Als Werkzeug hilft sie dabei, mir meinen eigenen Blick sichtbar zu machen. Sie kann auch wie ein „Heilmittel in kranken Zeiten“ wirken. Durch die Kameralinse schauend sehe und teile ich: es gibt selbst in Krisenmomenten ganz viel Wertvolles.“

… Meinungsverschiedenheiten, Krisen und Potential in der Ehe: 

“Mein Mann und ich kennen uns seit Ende 2008. 2013 haben wir geheiratet. Als Scheidungskind ist für mich die Ehe ein hohes, fragiles und schützenswertes Gut. Auch wenn wir oft sehr konträre Meinungen und Zugänge haben, ist mir wichtig: dass wir uns auf Gott als unseren Anker und auf unser „Ja“-Wort – „in guten wie in schlechten Zeiten” besinnen. Wenn wir Meinungsverschiedenheiten haben und uns „zoffen“, hilft es uns, den Frieden aktiv zu suchen. Wir gehen im Laufe unserer Ehe immer schneller auf einander zu. Das beinhaltet zum Beispiel zugeben von eigenen Fehlern, oder den Blick auf das zu richten, was uns verbindet. Gegenseitiges Verzeihen – „Entschuldigung“ sagen… Dem anderen in seiner Sprache der Liebe vermitteln „ich sehe Dich, Du bist mir wichtig“, das sind immer wieder Schritte zu einem kleinen Neubeginn.  Mein Mann sagt: Die Liebe ist eine – tägliche - Entscheidung. Nicht nur ein Gefühl. Wenn das tolle Gefühl weg ist und das alles wäre, worauf man baut, wäre die Ehe schnell beendet. … Ich fand das früher total unromantisch. Aber jetzt verstehe ich immer mehr, was er meint. Die Liebe ist wie ein Blumengarten, der bewässert werden will. Kleine Akte der Aufmerksamkeit wirken wie Dünger. Mal braucht es etwas Überwindung, andere Male geht es ganz leicht: ein Zulächeln, ein Streicheln, ein Tränen wegwischen, ein Gebet, ein gemeinsamer Gesang… eine Radtour, ein offenes Ohr, ein anerkennendes Wort, eine helfende Hand ... Das sind alles Bausteine, die unsere Ehe stärken und gedeihen lassen.”

Außerdem erzählt sie uns, wofür sie besonders dankbar ist*.

Hier geht’s zum Interview in voller Länge:

*Die Antwort auf die letzte Frage wurde aufgrund technischer Probleme nicht mehr aufgenommen, daher ergänze ich sie hier:

Dankbarkeit in Beruf und Berufung

„Ich kann auf große Auszeichnungen und Preise zurückschauen, internationale Fotoaufträge, irrsinnige Reportagen in Krisengebieten, Ausstellungen, Workshops,… Friedens-Kunstprojekte wie das, als am Salzburger Dom zur Festspielzeit meine „Art for Peace“-Fotoinstallation hing. Da, erinnerte ich mit dem Portrait einer alten Frau an das Massaker von Srebrenica und gleichzeitig appellierte ich an unser solidarisches Miteinander und MenschSein. Mit hohem Einsatz wurde das „schier unmögliche“ möglich. Gerade weil es sehr sinnstiftend war, bin ich dafür dankbar. 

Die Frage nach Beruf und Berufung ist für mich eine Frage nach dem, was Sinn stiftet. Es erfüllt mich mit Dankbarkeit, dass ich sehr viel in meinem Leben durch mein künstlerisches Schaffen tun durfte und darf.”

Dankbarkeit in Beziehungen

“Immens dankbar bin ich für das Erlebnis von Verbundenheit – in ganz besonderen Momenten erlebe ich das als eine Art „Eins-Sein“. Meine ganz besondere Dankbarkeit gilt allen voran: Meinem Ehemann, der Familie, besonderen Freundschaften, … Und natürlich dem Übergeordneten, der Lebensquelle, die sich auf besondere Weise für mich in der Kraft und Schönheit ausdrückt, die ich besonders in der Natur immer neu erlebe.” 

Dankbarkeit in der Fotografie

“Dankbarkeits-Momente mehre und teile ich fotografisch gern. Meine Bilder, Vermittlung der Sichtweisen in den Workshops, Coachings, Ausstellungen… all das sehe ich als Beitrag, Inspiration, die ich empfangen habe, weiter zu geben…
Ich lade ein, die Augen für das Schöne, Einzigartige, Wertvolle zu öffnen, quasi: „schau, da funkelt das Göttliche und Wunderbare durch. Ich glaube, wenn wir mit staunenden Kinderaugen die Welt betrachten, mehrt sich auch ganz automatisch die Dankbarkeit in der Welt.”

Was wünschst du dir für das Jahr 2021?

“Ich verbinde Menschen durch Fotografie und Kunst. Meine Vision ist eine Welt, wo wir einander in unserer Einzigartigkeit und Verschiedenheit ansehen und Anerkennung und Wertschätzung schenken.  Wir sind alle einmalig, haben alle verschiedene Fähigkeiten und Talente. Wir sind wie ungeschliffene Diamanten. Keiner gleicht dem anderen. Jeder ist besonders. Das finde ich wichtig immer neu zu entdecken und anderen auch zu zeigen. Fotografie und Achtsamkeit nutze ich, um die „Kunst des Sehens“ (Art of Seeing) zu schulen und sie weiterzuvermitteln. Das biete ich jetzt auch digital – z.B. durch Foto-Coaching“ an. Ich meine es gibt eine große Sehnsucht nach beidem: Wertschätzung und das Gefühl der Verbundenheit. Anders gesagt: sehen und gesehen werden. Die (Smartphone-)Kamera ist ein sehr wichtiges Hilfsmittel um Aufmerksamkeit zu generieren und die eigene Sicht der Dinge mit Anderen zu teilen. Wer hat heute kein Handy, mit dem er Fotos oder Videos versendet? Es geht aber eigentlich nicht nur darum „tolle Fotos“ zu machen, sondern auf einer anderen Ebene geht es um vieles mehr. Das sind Bestandteile, die ich lehre: 

  • Die Kunst des Storytelling – wie erzähle ich meine Geschichte mit Bildern?

  • Fokustraining + Perspektiven… Wie möchte ich auf die Welt blicken?

  • Komposition, Bildinszenierung und Bildwirkung… Wie möchte ich „mitgestalten“ an einer Welt, in der ich leben will?

  • Wie zeige ich mich und das, was mir wichtig ist, so, dass es Andere erreicht?

Ich glaube nach was Menschen sich sehnen, ist sich lebendig und echt zu fühlen. Es muss gar nicht unbedingt alles rund laufen, aber was guttut, ist, wann man in seinen Anstrengungen und mit dem, was man tut und kann, geachtet und gesehen wird. Auch ein „Fehlermachen und Scheitern“ ist ok. Ich glaube, wenn wir uns – so wie wir echt sind – trauen, sichtbar zu werden, dann machen wir uns berührbar und schaffen auch Verbundenheit.
Also, was ich mit meiner Art des Lebens möchte, ist Schritt für Schritt beizutragen, zu gegenseitiger Verbundenheit und Wertschätzung. 

Auf unserem Lebensweg geht es um Persönlichkeitsentwicklung: Wer will ich sein? Wie sehe ich die Dinge? Was zeige ich der Welt? Was trage ich bei?


Dass wir uns immer besser ausdrücken lernen ist eine Kunst der Kommunikation. Fotografie, Video, Achtsamkeit… das alles hängt zusammen. Wenn wir in die „Schule der Achtsamkeit“ gehen, lernen wir Schritt für Schritt dazu. Das sieht man in verschiedenen Aspekten des Lebens und natürlich auch an der Qualität der Fotos, die sich sehr steigern lässt – egal ob man ein „Beginner“ ist oder ein Profi. 

Meine Vision vom „guten Leben“: Einander Ansehen und Wertschätzung schenken.
Was ich wertschätze, lässt Dankbarkeit hervorsprudeln. 

Ich möchte selbst weiter lernen und lehren,  dass ich mit meinem Blick wähle, was ich als wertvoll empfinde. Anders gesagt: Mit meinem Blick vermag ich auszudrücken, was ich wertschätze (sonst würde ich meinen Blick und meine Aufmerksamkeit nicht genau dort hinwenden). 

„Ich sehe Dich. Du bist beachtenswert.
Du bist wertvoll. Du bist einzigartig.
Ich schätze Dich. Du bist kostbar.“


Wenn mir klar ist, dass ich mit meinem puren Blick – und natürlich explizit durch meine Art der Fotografie – Wertschätzung zollen kann, empfinde ich das als Gabe und als Beitrag. Ich glaube Wertschätzung und Dankbarkeit gehen Hand in Hand. Wo Wertschätzung und Dankbarkeit blühen, kann sich die Schönheit des MenschSeins voll entfalten. Schönheit, Wertschätzung und Dankbarkeit im Blick.”

© Claudia Henzler: Dieses Portrait zum "ART for PEACE"-Projekt mit dem Titel “MENSCHSEIN nach Srebrenica” war im Jahr 2015 zeitgleich am Salzburger Dom und in Srebrenica zu sehen.

© Claudia Henzler: Dieses Portrait zum "ART for PEACE"-Projekt mit dem Titel “MENSCHSEIN nach Srebrenica” war im Jahr 2015 zeitgleich am Salzburger Dom und in Srebrenica zu sehen.

Photos with a message

Einblicke in ihre beeindruckende Fotokunst sowie wertvolle Blogbeiträge gibt es auf ihrer Website zu entdecken. Dort findest du auch Informationen über Ausstellungen und Workshops. Claudia gibt ihr Wissen auch in 1:1 Online-Coachings weiter. 


Mehr: www.henzlerworks.com

© Augenblicke by Claudia Henzler: Das wohl bekannteste Bild der Fotokünstlerin

© Augenblicke by Claudia Henzler: Das wohl bekannteste Bild der Fotokünstlerin



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Quarantäne-Talk mit Claudia Braunstein

Einsamkeit, Isolation, Unsicherheit, Existenzsorgen… Claudia Braunstein hat bereits lange vor Corona schwierige Zeiten durchgemacht. Die Spätfolgen ihrer schweren Krebserkrankung mit massiven Auswirkungen begleiten sie bis heute. Allen Umständen zum Trotz genießt die Food-, Lifestyle-und Reise-Bloggerin ihr Leben heute in vollen Zügen. Im persönlichen Gespräch erzählt sie von Hamplerei vorm Laptop, ihrem Traum vom Eiskaffee im Tomaselli und wieso sie versucht, nachhaltiger zu leben.

1. Mit wem gemeinsam bist du in Quarantäne?

Ich bin gemeinsam mit meinem Mann, unserem ältesten Sohn und seiner Lebensgefährtin zuhause. Die beiden haben bereits zuvor bei uns gewohnt, da sie gerade darauf warten, bis ihr neues Zuhause bezugsfertig ist.

2. Wie schafft ihr es, euch gegenseitig nicht auf die Nerven zu gehen?

Für uns funktioniert das Miteinander sehr harmonisch. Wir haben immer in einem Mehrgenerationenhaushalt gewohnt. Als meine vier Kinder noch klein waren, hat meine Großmutter bei uns gelebt. Das Großfamilien-Gefühl kennen wir schon gut. Die schwierigen Zeiten, die wir miteinander in der Vergangenheit erlebt haben (meint ihre Krebserkrankung sowie die Privatinsolvenz) haben uns eng zusammen geschweißt. Außerdem können wir alle gut aufeinander Rücksicht nehmen. Unser Wohnzimmer ist zu unserem Großraumbüro geworden! Gemeinsam mit meiner Schwiegertochter hab ich dort ein gemütliches Coworking eingerichtet.

3. Wie sieht dein Tagesablauf aus?

Der unterscheidet sich nicht so von meinem normalen Alltag, aber ich bin in den vergangenen Wochen zur Langschläferin geworden! Das liegt bestimmt auch daran, dass wir abends gemeinsam länger aufbleiben und Netflix für uns entdeckt haben. Wir haben uns angewöhnt, zu viert zu brunchen und gemeinsam zu kochen. Ein Mal pro Woche lassen wir uns etwas Feines zum Abendessen liefern. Wir haben jetzt mehr gemeinsame Zeit und mehr Struktur im Alltag. Ich merke, dass mir die Bewegung fehlt. Außerhalb der Quarantäne war ich ständig zu Fuß unterwegs. Jetzt habe ich begonnen, mich mit einem Online-Personaltraining fit zu halten. Die Hamplerei vorm Laptop ist schon ungewöhnlich, aber sie tut gut.

4. Was ist für dich persönlich die größte Veränderung?

Ich empfinde meine persönliche Situation nicht als schwierig. Das liegt vielleicht daran, dass ich aufgrund meiner Erkrankung bereits viel Zeit im Krankenhaus und auf Reha verbracht habe. Außerdem bin ich bereits einmal in Quarantäne gewesen, als ich mich mit einem Krankenhauskeim angesteckt hatte. Ich habe gelernt, mit solchen Situationen umzugehen. Das hat mich Resilienz und Akzeptanz gelehrt.  Selbstverständlich habe auch ich finanzielle Einbußen, da einige Aufträge von heute auf morgen weggebrochen sind. Den Umgang mit finanziellen Verlusten habe ich jedoch in meiner Privatinsolvenz gelernt. Mir ist bewusst: Vielleicht muss ich mich ein bisschen einschränken. Doch ich kann meine Miete bezahlen, ich habe genug zu essen, ich bin privilegiert.

5. Wofür hast du jetzt endlich wieder Zeit?

Für das gemeinsame Kochen und Essen mit meiner Familie. Wir genießen das sehr! Ich denke, es geht vielen Menschen so  - mein Foodblog erfreut sich vieler Zugriffe!

6. Was hättest du gerne noch getan, wenn du gewusst hättest, dass die Quarantäne kommt?

Für mich ist die Ausgangssperre nicht überraschend gekommen. Als Anfang März die ITB in Berlin abgesagt wurde, war mir schon klar, dass da noch Einiges auf uns zu kommt. Am Freitag, dem 13., bin ich noch einmal ausgiebig spazieren gegangen, habe mir gekauft, was ich unbedingt wollte und bin nach Hause gekommen mit dem Wissen, dass ich jetzt für längere Zeit meine Wohnung kaum mehr verlassen werde.

7. Gibt es für dich auch Vorteile dieser Zwangspause?

Ich genieße, dass wir uns in der Familie so gut umeinander kümmern. Viele Menschen, von denen ich lange nichts mehr gehört habe, melden sich plötzlich wieder bei mir. Das freut mich einerseits. Andererseits kommt es immer wieder vor, dass die Leute kurz fragen, wie es mir geht, bevor sie anfangen, schier unendlich von sich selbst zu erzählen. Verständlich, wenn man so alleine zuhause ist. Aber das kann auch ganz schön anstrengend sein.

8. Wird dein Leben “danach” genau so weiter gehen wie bisher?

Das hängt zu einem gewissen Teil davon ab, wie lange die Quarantäne noch dauert. Viele Menschen gehen jetzt in sich und fragen sich: Will ich so weiter leben? Möchte ich wirklich Teil dieser Leistungsgesellschaft bleiben? Ich denke, und hoffe, es gibt wichtige Veränderungen im Konsumverhalten der Menschen. So zum Beispiel beim Thema Reisen. Nachhaltiger Urlaub, am besten in der Region, wird immer attraktiver. Ich muss schmunzeln: Zu Jahresbeginn habe ich einen Beitrag zum Thema #staycation verfasst, der sich jetzt großer Beliebtheit erfreut! Ich versuche auch selbst seit einigen Jahren, nachhaltiger zu leben. Ich reise kaum mehr in weit entfernte Destinationen, auch wenn mir das gar nicht leicht fällt. Aber ich denke, das sind wir unseren Kindern und Enkelkindern einfach schuldig.

9. Wenn die Quarantäne morgen vorbei wäre - was würdest du tun?

Dann setzte ich mich ins Cafè Tomaselli ins Salettl, bestelle mir einen Eiskaffee und beobachte fünf Stunden lang die Leute, die vorbeilaufen! Herrlich!

© Claudia Braunstein/ Claudia on tour: Die “Silent City” bietet ein ungewöhnliches Stadtbild von Salzburg.

© Claudia Braunstein/ Claudia on tour: Die “Silent City” bietet ein ungewöhnliches Stadtbild von Salzburg.

10. Was bewegt dich in dieser Zeit am meisten?

Auf der einen Seite bin ich bewegt von der Solidarität und dem starken Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Ich sehe viele positive Veränderungen. Auf der anderen Seite bin ich aber auch schockiert von den Anfeindungen und Hassattacken, die vor allem in den sozialen Netzwerken passieren. Ich habe selbst aufgehört, öffentliche Diskussionen rund um das Thema Corona zu führen, weil das leicht ausartet. Teilweise bin ich wirklich erstaunt, wie egoistisch manche Menschen reagieren und wie viele auf ihre eigenen Befindlichkeiten verharren.

11.  Dein Tipp für alle, die sich jetzt besonders schwer tun?

Jeder von uns hat in seinem Leben schon einmal eine Krise erlebt, hat einen lieben Menschen verloren oder eine harte Zeit durchgemacht. Und wenn es nur der erste Liebeskummer in der Schule war. An solche schwierigen Momente kann man sich zurück erinnern und daraus lernen. Damals hat man sich auch gedacht: Das schaffe ich nicht. Und im Endeffekt hat man es dann doch irgendwie überlebt. Davon kann man lernen! Das Leben ist trotzdem weitergegangen. Die eigene Grundeinstellung ist schon vorrangig. Ich kann morgens aufwachen und mich fragen: Was kann ich heute Schönes erleben? Selbst wenn es nur von zuhause aus ist. Mein Mann hat gerade seine Begeisterung für Naturfilme entdeckt! Meine Töchter haben wieder begonnen, zu zeichnen. Diese Auszeit ist ideal, um wieder ein bisschen kreativer zu werden. Da gibt es zum Beispiel wunderbare Museen, die man sich online ansehen kann. Das ist auf jeden Fall sinnvoller, als ständig Nachrichten zu schauen oder irgendwelche Verschwörungstheorien zu verfolgen.

Vielen Dank für das wundervolle Gespräch, ich freue mich schon auf unseren nächsten gemeinsamen Kaffee “draußen”.

Durch die Folgen ihrer Krebserkrankung leidet Claudia Braunstein an Dysphagie. Diese Schluckstörung macht es ihr unmöglich, herkömmliche Speisen zu genießen. Ihre Suche nach ansprechenden barrierefreien Rezepten verlief erfolglos. So startete sie kurzerhand ihren eigenen Foodblog, auf dem sie ihre Rezepte mit anderen Betroffenen teilte - der Start Ihrer Bloggerkarriere! Heute gehört sie mit ihren beiden Blogs “Geschmeidige Köstlichkeiten” und “Claudia on tour” zu viel beachteten Blogs im deutschsprachigen Raum. Als eine der wenigen 50+-Blogger in Österreich ist sie ein Vorbild für viele.

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