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Quarantäne-Talk mit Claudia Braunstein

Quarantäne-Talk mit Claudia Braunstein

Einsamkeit, Isolation, Unsicherheit, Existenzsorgen… Claudia Braunstein hat bereits lange vor Corona schwierige Zeiten durchgemacht. Die Spätfolgen ihrer schweren Krebserkrankung mit massiven Auswirkungen begleiten sie bis heute. Allen Umständen zum Trotz genießt die Food-, Lifestyle-und Reise-Bloggerin ihr Leben heute in vollen Zügen. Im persönlichen Gespräch erzählt sie von Hamplerei vorm Laptop, ihrem Traum vom Eiskaffee im Tomaselli und wieso sie versucht, nachhaltiger zu leben.

1. Mit wem gemeinsam bist du in Quarantäne?

Ich bin gemeinsam mit meinem Mann, unserem ältesten Sohn und seiner Lebensgefährtin zuhause. Die beiden haben bereits zuvor bei uns gewohnt, da sie gerade darauf warten, bis ihr neues Zuhause bezugsfertig ist.

2. Wie schafft ihr es, euch gegenseitig nicht auf die Nerven zu gehen?

Für uns funktioniert das Miteinander sehr harmonisch. Wir haben immer in einem Mehrgenerationenhaushalt gewohnt. Als meine vier Kinder noch klein waren, hat meine Großmutter bei uns gelebt. Das Großfamilien-Gefühl kennen wir schon gut. Die schwierigen Zeiten, die wir miteinander in der Vergangenheit erlebt haben (meint ihre Krebserkrankung sowie die Privatinsolvenz) haben uns eng zusammen geschweißt. Außerdem können wir alle gut aufeinander Rücksicht nehmen. Unser Wohnzimmer ist zu unserem Großraumbüro geworden! Gemeinsam mit meiner Schwiegertochter hab ich dort ein gemütliches Coworking eingerichtet.

3. Wie sieht dein Tagesablauf aus?

Der unterscheidet sich nicht so von meinem normalen Alltag, aber ich bin in den vergangenen Wochen zur Langschläferin geworden! Das liegt bestimmt auch daran, dass wir abends gemeinsam länger aufbleiben und Netflix für uns entdeckt haben. Wir haben uns angewöhnt, zu viert zu brunchen und gemeinsam zu kochen. Ein Mal pro Woche lassen wir uns etwas Feines zum Abendessen liefern. Wir haben jetzt mehr gemeinsame Zeit und mehr Struktur im Alltag. Ich merke, dass mir die Bewegung fehlt. Außerhalb der Quarantäne war ich ständig zu Fuß unterwegs. Jetzt habe ich begonnen, mich mit einem Online-Personaltraining fit zu halten. Die Hamplerei vorm Laptop ist schon ungewöhnlich, aber sie tut gut.

4. Was ist für dich persönlich die größte Veränderung?

Ich empfinde meine persönliche Situation nicht als schwierig. Das liegt vielleicht daran, dass ich aufgrund meiner Erkrankung bereits viel Zeit im Krankenhaus und auf Reha verbracht habe. Außerdem bin ich bereits einmal in Quarantäne gewesen, als ich mich mit einem Krankenhauskeim angesteckt hatte. Ich habe gelernt, mit solchen Situationen umzugehen. Das hat mich Resilienz und Akzeptanz gelehrt.  Selbstverständlich habe auch ich finanzielle Einbußen, da einige Aufträge von heute auf morgen weggebrochen sind. Den Umgang mit finanziellen Verlusten habe ich jedoch in meiner Privatinsolvenz gelernt. Mir ist bewusst: Vielleicht muss ich mich ein bisschen einschränken. Doch ich kann meine Miete bezahlen, ich habe genug zu essen, ich bin privilegiert.

5. Wofür hast du jetzt endlich wieder Zeit?

Für das gemeinsame Kochen und Essen mit meiner Familie. Wir genießen das sehr! Ich denke, es geht vielen Menschen so  - mein Foodblog erfreut sich vieler Zugriffe!

6. Was hättest du gerne noch getan, wenn du gewusst hättest, dass die Quarantäne kommt?

Für mich ist die Ausgangssperre nicht überraschend gekommen. Als Anfang März die ITB in Berlin abgesagt wurde, war mir schon klar, dass da noch Einiges auf uns zu kommt. Am Freitag, dem 13., bin ich noch einmal ausgiebig spazieren gegangen, habe mir gekauft, was ich unbedingt wollte und bin nach Hause gekommen mit dem Wissen, dass ich jetzt für längere Zeit meine Wohnung kaum mehr verlassen werde.

7. Gibt es für dich auch Vorteile dieser Zwangspause?

Ich genieße, dass wir uns in der Familie so gut umeinander kümmern. Viele Menschen, von denen ich lange nichts mehr gehört habe, melden sich plötzlich wieder bei mir. Das freut mich einerseits. Andererseits kommt es immer wieder vor, dass die Leute kurz fragen, wie es mir geht, bevor sie anfangen, schier unendlich von sich selbst zu erzählen. Verständlich, wenn man so alleine zuhause ist. Aber das kann auch ganz schön anstrengend sein.

8. Wird dein Leben “danach” genau so weiter gehen wie bisher?

Das hängt zu einem gewissen Teil davon ab, wie lange die Quarantäne noch dauert. Viele Menschen gehen jetzt in sich und fragen sich: Will ich so weiter leben? Möchte ich wirklich Teil dieser Leistungsgesellschaft bleiben? Ich denke, und hoffe, es gibt wichtige Veränderungen im Konsumverhalten der Menschen. So zum Beispiel beim Thema Reisen. Nachhaltiger Urlaub, am besten in der Region, wird immer attraktiver. Ich muss schmunzeln: Zu Jahresbeginn habe ich einen Beitrag zum Thema #staycation verfasst, der sich jetzt großer Beliebtheit erfreut! Ich versuche auch selbst seit einigen Jahren, nachhaltiger zu leben. Ich reise kaum mehr in weit entfernte Destinationen, auch wenn mir das gar nicht leicht fällt. Aber ich denke, das sind wir unseren Kindern und Enkelkindern einfach schuldig.

9. Wenn die Quarantäne morgen vorbei wäre - was würdest du tun?

Dann setzte ich mich ins Cafè Tomaselli ins Salettl, bestelle mir einen Eiskaffee und beobachte fünf Stunden lang die Leute, die vorbeilaufen! Herrlich!

© Claudia Braunstein/ Claudia on tour: Die “Silent City” bietet ein ungewöhnliches Stadtbild von Salzburg.

© Claudia Braunstein/ Claudia on tour: Die “Silent City” bietet ein ungewöhnliches Stadtbild von Salzburg.

10. Was bewegt dich in dieser Zeit am meisten?

Auf der einen Seite bin ich bewegt von der Solidarität und dem starken Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Ich sehe viele positive Veränderungen. Auf der anderen Seite bin ich aber auch schockiert von den Anfeindungen und Hassattacken, die vor allem in den sozialen Netzwerken passieren. Ich habe selbst aufgehört, öffentliche Diskussionen rund um das Thema Corona zu führen, weil das leicht ausartet. Teilweise bin ich wirklich erstaunt, wie egoistisch manche Menschen reagieren und wie viele auf ihre eigenen Befindlichkeiten verharren.

11.  Dein Tipp für alle, die sich jetzt besonders schwer tun?

Jeder von uns hat in seinem Leben schon einmal eine Krise erlebt, hat einen lieben Menschen verloren oder eine harte Zeit durchgemacht. Und wenn es nur der erste Liebeskummer in der Schule war. An solche schwierigen Momente kann man sich zurück erinnern und daraus lernen. Damals hat man sich auch gedacht: Das schaffe ich nicht. Und im Endeffekt hat man es dann doch irgendwie überlebt. Davon kann man lernen! Das Leben ist trotzdem weitergegangen. Die eigene Grundeinstellung ist schon vorrangig. Ich kann morgens aufwachen und mich fragen: Was kann ich heute Schönes erleben? Selbst wenn es nur von zuhause aus ist. Mein Mann hat gerade seine Begeisterung für Naturfilme entdeckt! Meine Töchter haben wieder begonnen, zu zeichnen. Diese Auszeit ist ideal, um wieder ein bisschen kreativer zu werden. Da gibt es zum Beispiel wunderbare Museen, die man sich online ansehen kann. Das ist auf jeden Fall sinnvoller, als ständig Nachrichten zu schauen oder irgendwelche Verschwörungstheorien zu verfolgen.

Vielen Dank für das wundervolle Gespräch, ich freue mich schon auf unseren nächsten gemeinsamen Kaffee “draußen”.

Durch die Folgen ihrer Krebserkrankung leidet Claudia Braunstein an Dysphagie. Diese Schluckstörung macht es ihr unmöglich, herkömmliche Speisen zu genießen. Ihre Suche nach ansprechenden barrierefreien Rezepten verlief erfolglos. So startete sie kurzerhand ihren eigenen Foodblog, auf dem sie ihre Rezepte mit anderen Betroffenen teilte - der Start Ihrer Bloggerkarriere! Heute gehört sie mit ihren beiden Blogs “Geschmeidige Köstlichkeiten” und “Claudia on tour” zu viel beachteten Blogs im deutschsprachigen Raum. Als eine der wenigen 50+-Blogger in Österreich ist sie ein Vorbild für viele.

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