Wie Dankbarkeit dein Leben verändert

Allen Schwierigkeiten und allen Herausforderungen zum Trotz: Wir können uns immer auf die Suche nach den kleinen Wundern in unserem Alltag machen. Das tut gut und stärkt unsere Gesundheit.

Manchmal ist das Mensch-Sein ganz schön anstrengend. Wir sind so sehr damit beschäftigt, unser Leben zwischen unserer inneren Welt (unseren Gefühlen und Gedanken) und dem, was im Außen passiert (Konflikte mit anderen Menschen, drohende und akute Krisen) zu manövrieren, dass wir dabei manchmal beinahe zu verzweifeln drohen. Ich selbst erinnere mich gut an die Zeiten, in denen ich am liebsten geschrien hätte:”STOP! Jetzt mal Ruhe da oben! Ich will einfach mal nichts denken - für mehr als 1 Minute!”. Unser Gehirn ist von Natur aus darauf programmiert, sich mit negativen - weil potentiell bedrohlichen - Themen mehr zu beschäftigen als mit positiven, wohltuenden Dingen. Je mehr wir eine bestimmte Tätigkeit trainieren, desto leichter, unbewusster und bald schon selbstverständlicher gelingt sie uns - das gilt für eine Fremdsprache ebenso wie für das Bedienen eines Smartphones oder eben für die Art und Weise, wie wir denken. Die Neurobiologie beweist: Wenn wir oft negativ denken, werden wir wahre Meister darin! Immer schneller, immer automatischer kommen wir in die Spirale aus Sorgen, Befürchtungen und Ängsten und somit tief und tiefer in negative Gedanken hinein. Unser Gehirn ist so bald extrem gut darin, das Schlimmste zu erkennen und daraus noch schlimmeres zu machen. Umgekehrt - und das macht das Mensch-Sein allen Herausforderungen zum Trotz für mich so wundervoll - können wir auch ganz bewusst üben, positiver zu werden. Das hat nichts mit toxic positivity zu tun, also dem krampfhaften Fixieren auf die schönen Seiten des Lebens, während alles Schwierigkeiten und Herausforderungen ignoriert werden! Vielmehr ist positives Denken für mich eine aktive Haltung, in der wir uns immer und immer wieder dazu bemühen, die guten, wohltuenden, positiven Seiten des Lebens zu sehen - allen schwierigen Tatsachen zum Trotz.

© unsplash. Wir können unsere Fähigkeit zur Dankbarkeit durch die tägliche Übung stärken.

Unsere Erwartungen vom Leben und die Vorstellung, wie es laufen soll, beeinflussen unsere Stimmung. Mit diesem Wissen kann es hilfreich sein, den Blick bereits im aktuellen Moment darauf zu richten, was unser Leben schon heute lebenswert macht.

„Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeit in kleinen Dingen, Unglück oft durch Vernachlässigung kleiner Dinge.“ Wilhelm Busch.

Zahlreiche wissenschaftliche Studien (Seligman, Fredrickson und viele weitere) haben sich mit dem wohltuenden Effekten der Dankbarkeit beschäftigt. Die Übung zur Dankbarkeit ist ebenso simpel wie unaufwändig, doch sehr effektiv.

Drei gute Dinge Übung

Besorge dir ein schönes Notizbuch und notiere dir ab sofort jeden morgen drei Dinge, auf die du dich heute freust. Dies können Kleinigkeiten sein, die dir bisher selbstverständlich vorgekommen sind wie zum Beispiel:

  • Deine Lieblingscreme im Badezimmer

  • Die Art, wie du dir die Zähne putzt – tue dies einmal ganz bewusst und denke daran, was du damit deinem Körper gutes tust.

  • Der Duft der ersten Tasse Kaffee

  • Das liebste Kleidungsstück

  • Der besonders schöne Baum/ Blick auf die Berge/ ein architektonisch besonders schönes Haus auf dem Weg in die Schule oder Arbeit

  • Das nette Lächeln der Arbeitskollegin

  • Das freundliche Nicken des Busfahrers

  • Ein Kinderlachen in der U-Bahn

  • Einen Menschen, der dir nahe steht

  • Die Tatsache, dass du heute eine Aufgabe hast

Abends nimmst du das Tagebuch bitte noch einmal zur Hand und denkst noch einmal an die Dinge, die dir heute gut getan/ gefallen haben. Diese können sich mit den drei Dingen überschneiden, die du morgens notiert hast. Sie können aber auch ganz unterschiedlich sein:

  • Die Umarmung eines lieben Menschen/ durch dich selbst

  • Der nette Anruf/ die liebe WhatsApp-Nachricht

  • Deine Lieblingssendung im Fernsehen

  • Die heiße Dusche nach einem langen Tag

Diese Übung ist wie bereits erwähnt sehr einfach, sie wirkt am Anfang sogar banal. Aber vielleicht bist du neugierig und möchtest sie für eine Woche lang ausprobieren?

Im Buddhismus wird diese Übung gerne mit einer Hand voll Bohnen “erlebbar” gemacht: Lege dir morgens eine Hand voll getrockneter Bohnen zurecht und stecke sie in die linke Hosentasche. Immer, wenn du etwas Wunderbares erlebst (uns sei es noch so klein!) oder du an etwas Schönes denkst, also in dein Bewusstsein bringst, nimm eine Bohne und stecke sie in die rechte Hosentasche. Abends lehrst du die rechte Hosentasche und überlegst noch einmal - Bohne für Bohne - welche Dinge, Situationen, Gedanken oder Begegnungen dir so gut getan haben und wofür du dankbar bist.

© gabriellehenderson. Wenn wir uns die schönen Momente aufschreiben, machen wir sie uns noch bewusster.

© gabriellehenderson. Wenn wir uns die schönen Momente aufschreiben, machen wir sie uns noch bewusster.

Was im Gehirn passiert

Unser ARAS (aufsteigendes Retikuläres System) im Hirnstamm ist für unsere Aufmerksamkeit zuständig. Der Großteil dessen, was wir täglich erleben, sehen und fühlen, läuft unbewusst ab. Alles andere wäre uns auch viel zu anstrengend. Stell dir einmal vor, wenn du dir jedes Auto, jede Ampel, jedes Straßenschild... auf deinem Arbeitsweg merken würdest – dein Gehirn würde übergehen vor Informationen. Daher werden die meisten Informationen nur „nebenbei“ aufgenommen. Erstaunlich ist, dass unser Gehirn dennoch permanent reaktionsbereit ist. Wenn du etwa an einem Plakat vorbei gehst, auf dem dein Lieblingsschauspieler zu sehen ist, wird deine Aufmerksamkeit sofort geweckt, obwohl dir die zehn Plakate zuvor nicht aufgefallen sind. Verantwortlich für dieses Phänomen der Aufmerksamkeitslenkung ist das ARAS im Hirnstamm. Seine Funktion zeigt sich auch, wenn du zB gerade auf der Suche nach einem neuen Auto einer bestimmten Marke bist und dir plötzlich überall auf der Straße dieses Auto unterkommt. Oder du schwanger bist und überall Schwangere siehst. Es ist wohl sehr unwahrscheinlich, dass plötzlich so viele dieser Autos umher fahren oder so viele Frauen schwanger sind. Vielmehr ist es deine Aufmerksamkeit, die sich verändert hat.

Dieses Phänomen machen wir uns auch beim Dankbarkeitstagebuch zu nutze: Indem du dein Bewusstsein morgens und abends für ein paar Minuten auf die schönen Dinge in deinem Leben lenkst, fallen sie dir auch im Alltag bewusster auf. Das Gehirn wird so besonders aufmerksam für jene Kleinigkeiten in deinem Leben, die dich bereits jetzt umgeben.

© mrsunflower94

© mrsunflower94

Für mich selbst hat Dankbarkeit wirklich sehr viel verändert. Heute passiert es mir vielleicht alle paar Monate einmal, dass ich unmotiviert, ängstlich oder hoffnungslos bin. Ich freue mich immer sehr darüber, wenn sich in mir in solchen Situationen mein wunderbarer “Werkzeugkasten” öffnet und mir verschiedene Übungen anbietet: “Wie wäre es mit ein wenig Grounding, dem Body-Scan oder tiefer Bauchatmung, um dich aus diesem Stimmungstief zu befreien? Oder einer Runde “Shake & Dance” (einfach das Lieblingslied aufdrehen und tanzen, als würde niemand zusehen - tut ja meistens auch niemand!)”. Es tut so gut, diese innere Beschützerin zu haben, die mir in schwierigen Situationen gut zuredet und mich nicht alleine und ausgeliefert zurück lässt. “Spüre dich hinein, in 5 Dinge, für die du von Herzen dankbar bist”, höre ich die Stimme in mir sagen. Und sofort - wirklich augenblicklich - ist das dieses warme Gefühl in mir, dieses kräftige Orange, das sich von meinem Brustbereich in meinen ganzen Körper ausbreitet und schon kommen mir Bilder von den Dingen, Erlebnissen und Menschen, für die ich so dankbar bin. Ein soooo wohltuendes Gefühl!


Hier geht`s zu spannenden Studien zum Thema Dankbarkeit:

Emmons RA, et al. "Counting Blessings Versus Burdens: An Experimental Investigation of Gratitude and Subjective Well-Being in Daily Life," Journal of Personality and Social Psychology (Feb. 2003): Vol. 84, No. 2, pp. 377–89.

Grant AM, et al. "A Little Thanks Goes a Long Way: Explaining Why Gratitude Expressions Motivate Prosocial Behavior," Journal of Personality and Social Psychology (June 2010): Vol. 98, No. 6, pp. 946–55.

Lambert NM, et al. "Expressing Gratitude to a Partner Leads to More Relationship Maintenance Behavior," Emotion (Feb. 2011): Vol. 11, No. 1, pp. 52–60.

Sansone RA, et al. "Gratitude and Well Being: The Benefits of Appreciation," Psychiatry (Nov. 2010): Vol. 7, No. 11, pp. 18–22.

Seligman MEP, et al. "Empirical Validation of Interventions," American Psychologist (July–Aug. 2005): Vol. 60, No. 1, pp. 410–21.

 




 

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Das Geheimnis des Glücks

Was versuchen wir nicht alles, um endlich wirklich glücklich zu sein. Doch gibt es sie eigentlich, die Glücksformel für alle?

Mehr als 7.700.000.000 Menschen leben zu diesem Zeitpunkt auf unserer Erde. Und pro Sekunden kommen im Schnitt 2,6 dazu. Obwohl unser aller Genom zu mehr als 99 Prozent identisch ist, gibt es doch niemanden von uns zwei Mal. Bei eineiigen Zwillingen liegt eine beinahe 100 Prozent gleiche DNA vor. Aber eben nur beinahe. Jede und jeder von uns ist einzigartig, individuell, mit den ganz eigenen Stärken und Schwächen, Vorstellungen und Werten, Wünschen und Bedürfnissen. In dieser Individualität liegt auch der Schlüssel zum persönlichen Glück: Da gibt es keine Formel, die wir 1 zu 1 anwenden und ab sofort glücklich und zufrieden leben. Genau das versuchen uns jedoch Werbebotschaften auf allen Kanälen einzureden: Kauf dir diese Schuhe, du brauchst diese Handtasche, dieses Workout, diesen Körper, dieses Sofa… um wirklich glücklich zu sein. Und wir, besser gesagt unser Gehirn, das von Natur aus faul und möglichst energiesparend ist, lassen uns nur gerne einhüllen von der Vorstellung, dass es wir nur DAS Produkt kaufen müssen, auf DIESE Art und Weise leben müssen, DIE bestimmte Summe auf unserem Konto haben möchten, um endlich wirklich glücklich sein zu können. Konkret sieht das so aus: Werbung zeigt uns, wie Menschen erfolgreich, fit, glücklich und zufrieden sein können, indem sie ein bestimmtes Getränk trinken, eine bestimmte Armbanduhr anlegen oder ein begehrtes Paar Sneakers an ihren Füßen tragen. Wir sehen, wie perfekt gestylte Mütter mit ihren immer glücklichen Kindern im hygienisch sauberen Wohnzimmer spielen. Wir sehen den erfolgreichen Manager, der nach einem Meeting-Marathon noch seinen Körper stählt und dann in seinem Sportwagen steigt. Diese Bilder des perfekten Glücks wecken Bedürfnisse in uns: DIESES Leben will ich auch. Und die Werbebotschaft lautet: DAS kannst du haben! Alles was du dafür tun musst, ist: Gib uns dein Geld. Kaufe. Konsumiere dich glücklich.

© taylorgsimpson/ unsplash: Konsum sorgt nur kurz für Glücksmomente. Doch die Euphorie verfliegt rasch.

© taylorgsimpson/ unsplash: Konsum sorgt nur kurz für Glücksmomente. Doch die Euphorie verfliegt rasch.

Jeder will glücklich sein

Wenn du bis hierher gelesen hast, kommen dir solche oder ähnliche Situationen wohl bekannt vor. Du spürst: In mir ist dieser Wunsch nach Zufriedenheit, nach Freude, nach Glück. Kein Wunder: Jeder Mensch, ja jedes Lebewesen, wünscht sich ein schönes, glückliches Leben. Doch wenn wir ganz ehrlich mit uns sind und uns von außen betrachten, erkennen wir: Konsum per se macht nicht glücklich. Selbstverständlich gehört es zu unserer Individualität, zu unserem Lifestyle, zu unserer Persönlichkeit dazu, sich mit schönen Dingen zu umgeben. Das kann ein besonderer Modestil ebenso sein wie ein besonderes Schmuckstück, ein schnelles Auto oder das Yoga-Retreat. Auch die Wahl unserer Lebensmittel ist ein Ausdruck unserer Selbst - kaufe ich regional und biologisch, weil mir das wichtig ist? Würde ich zu diesen Produkten auch dann greifen, wenn es kein Marketing gäbe, das mir sagt: Kauf die Bio-Mandelmilch, weil du ein Mensch bist, der auf dich, auf deinen Körper, auf die Umwelt schaut? Wohl eher nicht. Alles, was wir kaufen, alles, womit wir uns umgeben, ist Ausdruck unserer Persönlichkeit. Doch diese Dinge alleine machen das Leben noch nicht nachhaltig schöner.

Was macht mich glücklich?

Philosophen, Gelehrte und Schriftsteller beschäftigen sich mit der Frage “Was macht den Menschen glücklich” schon seit Jahrtausenden. In der Psychologie hat die Betrachtung der schönen Seiten des Lebens erst seit den 80er Jahren ihrem Platz gefunden. Von der Zeit um 1900 bis zu dieser Wende beschäftigte sich die Psychologie vor allem mit den psychischen Störungen. Mit Arbeiten wie jene des Medizinsoziolgen Aaron Antonovsky veränderte sich dieses Bild langsam. Das von ihm postulierte Salutogenese-Modell (lateinisch salus ‚Gesundheit', ‚Wohlbefinden' und -genese, also etwa „Gesundheitsentstehung“, Wikipedia) fokussierte sich auf jene Faktoren, die unser Leben lebenswert machen und somit zu unserem Gesundheit und unserem Wohlbefinden beitragen. Ein wichtiger Punkt in diesem frühen Modell war das Sinn-Erleben.

© mathieustern / unsplash: So einzigartig wie wir so sind es auch unsere Fähigkeiten und Bedürfnisse.

© mathieustern / unsplash: So einzigartig wie wir so sind es auch unsere Fähigkeiten und Bedürfnisse.

Sinne und Werte leben

Alle Menschen haben die selben Grundbedürfnisse: Wir möchten geliebt werden, wir wünschen uns freie Bestimmung unseres Lebens, wir möchten Sicherheit, soziale Anerkennung, Verbundenheit mit anderen Menschen, Entwicklung und Wachstum sowie Selbstentfaltung und Leistung. Dabei ist die Ausprägung der jeweiligen Bedürfnisse von unserer individuellen Persönlichkeit abhängig. Während für den einen die eigene Freiheit das höchste Gut ist, fühlen sich andere erst dann wirklich wohl, wenn sie ihre Liebsten möglichst nahe bei sich haben und eng in einer Gemeinschaft integriert sind. So individuell wie unsere Grundbedürfnisse, so sind es auch unsere Fähigkeiten. Lange Zeit galt Intelligenz als eine der wichtigsten Fähigkeiten, doch heute wissen wir: Da gibt es so viel mehr. Remo Largo, Arzt und Entwicklungsforscher, beschreibt in seinem Werk “Das passende Leben” die Vielfalt unserer Fähigkeiten: Von sprachlicher über körperlicher bis hin zu logisch-mathematischer und sozialer Kompetenz, von motorischer über räumlicher bis hin zu musikalischer Kompetenz - so individuell wie wir, so sind es auch unsere Fähigkeiten und Kompetenzen. Das von ihm entwickelte Fit-Prinzip beschreibt, wie das Leben gelingt: Wenn wir unsere Kompetenzen und unsere Grundbedürfnisse so leben können, wie sie in uns angelegt sind. Wenn wir in unserem Leben, in unserem Alltag, so leben können, wie es zu unserer Individualität und unserer Persönlichkeit passt.

Jeder Mensch ist einzigartig.

Seine Individualität zu leben

macht den Sinn des Lebens aus.

Remo H. Largo, Das passende Leben

Achtsamkeit

Je bewusster wir unser Leben leben, desto glücklicher sind wir. Denn Ängste, Befürchtungen und Sorgen entstehen dann, wenn wir an die Ungewissheit der Zukunft denken oder darüber nachgrübeln, was in der Vergangenheit passiert ist. Die radikale Fokussierung auf den jeweiligen Augenblick befreit uns von negativen Gedanken und den damit verbundenen Gefühlen. Mit etwas Distanz können wir bei den meisten Themen, die uns sorgen, erkennen: Unsere Befürchtungen verändern nichts an der Realität. Vielmehr vergiften sie das Hier und Jetzt. Dabei verschenken wir wertvolle Momente des Glücks, allen Herausforderungen zum Trotz. Studien über Resilienz (die geistige Widerstandskraft) haben gezeigt: Menschen, die sich auch durch schwerwiegende Schicksalsschläge nicht unterkriegen lassen, fokussieren sich auf die Gegenwart. Sie schaffen es, sich aus der Wehmut des Vergangenen und aus den Sorgen über das Zukünftige zu befreien.

© unsplash. Der gegenwärtige Moment ist ein wertvolles Geschenk, allen Sorgen zum Trotz.

© unsplash. Der gegenwärtige Moment ist ein wertvolles Geschenk, allen Sorgen zum Trotz.

Dankbarkeit

Wofür bist du heute dankbar? Diese Worte lese ich in letzter Zeit vermehrt in social media-Postings. Wie wunderbar! Denn diese einfach Übung, die dem Buddhismus entstammt, hilft uns dabei, zufriedener, glücklicher und somit auch gesünder zu sein. Dabei geht es nicht darum, alles Schwierige und Negative in unserem Leben zu verdrängen. Unser Gehirn ist so programmiert, dass wir all das Negative ohnehin viel eher sehen als das Positive - ein Phänomen, das in der Psychologie als negativity bias beschrieben wird. Durch das bewusste Üben von Dankbarkeit programmieren wir uns neu. Wenn wir über mehrere Tage hinweg am Ende des Tages darüber nachdenken, wofür wir heute dankbar sind, trainieren wir unser ARAS, das aufsteigende retikuläre System im Hirnstamm. Dieser Bereich steuert deine Aufmerksamkeit und durch den bewussten Fokus auf all die schönen und positiven Seiten in deinem Alltag lenkst du deine Aufmerksamkeit auf genau diese Momente. Bereits nach wenigen Tagen fällt dir auf: Da ist schon wieder ein wunderbarer Moment, eine Begegnung, ein Gespräch, das nicht selbstverständlich ist! Hier entdeckst du wertvolle Artikel zum Thema Achtsamkeit.

Akzeptanz

Auch wenn wir es am liebsten nicht wahr haben wollen: Schwierigkeiten und Herausforderungen gehören zu unserem Leben einfach dazu. Positives Denken wurde oft fälschlicherweise als der Versuch verstanden, alles Negative zu ignorieren, ja sogar zu leugnen. Das ist keine sinnvolle Strategie. Wenn wir wirklich glücklich sein möchten, müssen wir uns auch die dunklen Seiten unseres Lebens bewusst machen. Die Kunst liegt darin, uns nicht von ihnen einnehmen zu lassen, nicht in Sorgen, Ängsten, Niedergeschlagenheit, Verzweiflung zu verharren. Deshalb ist bewusste Akzeptanz so hilfreich. Was ist, ist. Mit dieser Grundhaltung nehmen wir das Leben an, wie es eben gerade läuft. Wie ein mutiger Krieger, der erhobenen Hauptes in den Krieg zieht, akzeptieren wir die Schwierigkeiten, die uns fordern. Akzeptanz meint aber keineswegs Resignation. Vielmehr ist diese Haltung die Basis für den aktiven Umgang mit eben jenen Aufgaben, die das Leben an uns stellt. Mehr über die wunderbare Fähigkeit der Akzeptanz liest du hier: Zu den Beiträgen.

Gemeinschaft

Wir Menschen sind soziale Wesen. Ohne den Zusammenhalt und das Miteinander wären wir nie dort, wo wir heute sind: Die am höchsten entwickelte Spezies auf diesem Planeten. Das Bedürfnis nach dem Gegenüber ist uns als eines der stärksten Bedürfnisse in die Wiege gelegt - Menschenbabies sind ohne die Bindung an ihre Mutter oder eine andere Bezugsperson nicht überlebensfähig. Auch wenn sich die Bezugspersonen im Laufe unseres Lebens verändern, wir alle brauchen Menschen, die uns auf unserem Weg begleiten: Erst Familienmitglieder, später Freunde, der Partner, die eigenen Kinder, Kollegen, Bekannte. Ob analog oder digital, wir brauchen ein Gegenüber. Menschen, bei denen wir sein können, wie wir sind. Mit denen wir Freude und Leid teilen, auf die wir uns verlassen können, denen wir vertrauen dürfen. Der Psychoanalytiker Erich Fromm sprach davon, dass der “Mensch am Du zum Ich” wird und meinte damit, dass wir uns selbst erst durch den Austausch mit anderen wirklich ent-wickeln können. Das Bewusstsein, wie wichtig die Gemeinschaft für uns alle ist, droht in unserer individualistischen Gesellschaft leicht in Vergessenheit zu geraten. Meist spüren wir diese tiefe Sehnsucht nach dem Gegenüber erst dann, wenn es uns nicht so gut geht. Dabei tut es so gut, sich gegenseitig auch in der Hektik des Alltag wieder Zeit für das Miteinander, das ausgiebige Gespräch, das aufrichtige Interesse am Anderen, zu schenken.

© wildthingsfoto/ unsplash. Wir Menschen brauchen einander, um wirklich glücklich zu sein.

© wildthingsfoto/ unsplash. Wir Menschen brauchen einander, um wirklich glücklich zu sein.

Diese Sammlung an Faktoren, die unser persönliches Glück ausmachen, ist keinesfalls erschöpfend. Sie soll ein Impuls für dich sein, selbst nachzudenken: Wie sehen meine Grundbedürfnisse aus? Wer bin ich? Wie kann ich meine Fähigkeiten und Kompetenzen in meinem Alltag leben? Durch mehr Achtsamkeit, Dankbarkeit und Akzeptanz entwickelst du eine sichere, starke Basis, um das Leben mit all seinen Herausforderungen und Wundern (noch) besser annehmen zu können. Wenn wir uns dann auch noch bewusst machen, dass kein Mensch eine Insel ist und wir unser Gegenüber als wertvolle Wegbegleiter mit seiner jeweiligen Individualität erkennen, sind wir unserem ganz persönlichen Glück ein Stück näher gekommen.

Es ist nicht eine blinde Macht von außen, deren Spielball wir sind, sondern es ist die Summe der Gaben, Schwächen und anderen Erbschaften, die ein Mensch mitgebracht hat. Ziel eines sinnvollen Lebens ist, den Ruf dieser inneren Stimme zu hören und ihm möglichst zu folgen. Der Weg wäre also: sich selbst erkennen, aber nicht über sich richten und sich ändern wollen, sondern das Leben möglichst der Gestalt anzunähern, die als Ahnung in uns vorgezeichnet ist.

Hermann Hesse, 1928
















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Muss ich wirklich müssen oder darf ich können?

So viele ToDos, so viel Chaos im Familienalltag, nie enden wollende Aufgaben… Manchmal bin ich richtig genervt von all den Dingen, die zum ganz normalen Wahnsinn des Alltags gehören. Doch durch Achtsamkeit gelingt es mir immer wieder zu erkennen: Wo ich bin, will ich sein. Niemand zwingt mich. Eine so wertvolle Erkenntnis!

Manchmal hab ich es ziemlich satt: Ganz gleich, wie viele Ideen mir durch die Kopf spuken, wie viele Notizen ich mir in den vergangenen Tagen gemacht habe, wie viele Stunden ich an einem Tag vor dem Laptop sitze… ich habe das Gefühl, nie wirklich fertig zu werden. Da sind einfach so viele Ideen, zu viele Möglichkeiten, zu viele Beiträge, die ich zu (digitalem) Papier bringen könnte. Hier noch ein ausführlicher Bericht, da noch ein paar persönliche Tipps, die mir selbst in schwierigen Zeiten geholfen haben, dort noch ein spannendes Interview. Im Haushalt geht es mir übrigens ähnlich: Kaum ist die Küche nach dem Abendessen wieder sauber gemacht, fällt mein Blick Richtung Chaos im Wohnzimmer. War das nicht vor weniger als 24 h noch vorbildlich zusammengeräumt? Und dieses Miniminimini-Zeitfenster, an dem es keine Wäsche zu machen gibt, ist geradezu lächerlich klein. Waschen, Bügeln, Verräumen - an manchen Tagen fühle ich mich gefangen im niemals enden wollenden Kreislauf der Wäsche. Und der Garten hat auch schon bessere Zeiten gesehen… Wenn ich dann abends nach dem Haushalts-Wahnsinn am Schreibtisch sitze, jammert mich der Hund an. Ich habe es offensichtlich geschafft, Abendessen für alle zu machen, nur ihn haben wir (mal wieder) nicht gefüttert…

In solchen Momenten erwische ich mich dabei, wie ich mir selbst richtig leid tue und das innerliche Jammern immer stärker wird. Wann hat das endlich sein Ende? Wann hört das endlich auf? Wann ist der Haushalt endlich für immer erledigt? Wann sind endlich alle ToDos auf der Liste geschafft und ich kann mich ganz in Ruhe zurücklehnen und mich in einen Serien-Marathon werfen?


Die Bettkanten-Übung von Jens Corssen

In Situationen wie diesen bin ich sehr dankbar dafür, dass ich mich meist relativ schnell wieder aus diesem Jammertal führe. Klar, das Jammern und Klagen gehört schon mal dazu. Wir Menschen sind schließlich keine Maschinen und es ist nicht sinnvoll, alle negativen Emotionen, die Ärgernisse des Alltags und dem Wunsch nach Faulsein ausreichend Raum zu geben. Das ist wirklich wichtig! Doch das Ärgern und Jammern alleine verändert nichts, ganz im Gegenteil. Gerade in hektischen Zeiten verschenke ich durch diese Tendenz, die ich übrigens von meiner Mama übernommen habe, die ohnehin schon so wertvolle Lebenszeit, die ich für meine Aufgaben, aber auch für mich und meine Lieben benötige. Durch das bewusste Hinschauen, durch achtsames Aufhören und durch ein bisschen Distanz zu meinen Gefühlen erkenne ich: Soooo schlimm ist es doch gar nicht. Klar, es gibt Menschen, die nichts zu tun haben. Die vielleicht von Beruf Sohn oder Tochter sind und sich um Einkommen gar nicht sorgen müssen. Doch ganz ehrlich: Muss ich das? Musst du das? Mir fällt die Bettkanten-Übung des Deutschen Psychologen und Coach Jens Corssen ein: Wenn wir ganz ganz ganz ehrlich mit uns selbst sind, dann MÜSSEN wir nicht arbeiten gehen. Wenn wir uns morgen dazu entscheiden, dass wir auf diese innere Stimme hören, die sagt: “Oh Gott, mich freut`s einfach nicht, ins Büro zu gehen.”, können wir auch genauso gut zuhause auf der Bettkante sitzen bleiben. Wir können weiter darüber nachdenken, wie sinnlos und unerfreulich es ist, zur Arbeit zu gehen und dass es zuhause doch viel gemütlicher wäre. Auch wenn es uns ganz ungewöhnlich vorkommen mag, wir könnten tatsächlich einfach im Bett bleiben. Könnten uns vielleicht sogar zurückfallen lassen und die Decke anstarren. Es uns so richtig gemütlich machen. “Das geht doch nicht!”, wirst du jetzt vielleicht einwenden. Kein Wunder, so habe ich auch reagiert, also ich zum ersten Mal von dieser Übung gelesen habe (in Corssens Bestseller “Der Selbstentwickler”). Doch wenn du ganz genau darüber nachdenkst, kannst du wirklich einfach liegen bleiben. Und das nicht nur morgen, sondern auch die nächsten Tage, Wochen, ja sogar Monate lang. Klar, deine Kollegen werden sich fragen, wo du bleibst und bald wird sich dein Chef - je nach Persönlichkeit und Führungsstil - besorgt bis sehr verärgert erkundigen, wieso du plötzlich nicht mehr zur Arbeit erscheinst. Doch, und das ist die spannende Erkenntnis dieses zugegebenermaßen sehr ungewöhnlichen Gedankenexperiments, du MUSST nicht erscheinen. Jaja, es gibt viele Gründe, wieso du hingehen SOLLTEST: Dein Arbeitsplatz, deine Kollegen, deine Verantwortung, deine Rechnungen… Aber selbst wenn du ab morgen wochenlang im Bett liegen bleibst, wird sich die Welt - deine Welt weiter drehen! Wenn du in Österreich oder Deutschland lebst, gibt es finanzielle Möglichkeiten, die dich dabei unterstützen, nicht zur Arbeit gehen zu müssen. Unser Gesundheitssystem sorgt dafür, dass wir (für eine begrenzten Zeitraum und bei triftigen Gründen) auch dann Geld erhalten, wenn wir unserem Job nicht nachkommen (können). Die meisten von uns können ja (so schwer es an manchen Tagen auch fallen mag) zur Arbeit erscheinen. Aber wirklich unbedingt zwingend sein muss es so betrachtet ja nicht. Wenn du jemanden hast, der sich um dich kümmert und dir Dinge wie Hygiene, soziale Kontakte und eine sinnvolle Beschäftigung (für einen gewissen Zeitraum) nicht fehlen, kannst du also genauso gut ab morgen auf deiner Bettkante sitzen bleiben und dich dazu entscheiden, wieder zurück ins Bett zu fallen.

Wer zwingt uns eigentlich?

Wenn du dir jetzt denkst: “Spinnt die komplett? Was soll der Blödsinn?”, dann möchte ich dich beruhigen. Du musst ab morgen nicht alle Menschen um dich herum und dich selbst komplett verwirren, indem du einfach mal aus deiner Alltags-Routine aussteigst. Du musst dir keine komischen Fragen anhören und keine Anträge bei deiner Krankenkasse ausfüllen. Du kannst - ganz so, wie du es gewohnt bist - morgens aufstehen und dich auf den Weg in die Arbeit (oder an den Schreibtisch im Homeoffice) machen.

Du MUSST gar nichts

ABER, und das soll uns diese Übung zeigen: Du MUSST nicht. Alleine dieses Wissen, das uns dieses Gedankenexperiment schenkt, kann unsere Sichtweise verändern. Mich selbst bringt die Erinnerung an die Bettkanten-Übung immer wieder zum Schmunzeln, vor allem in Zeiten, in denen ich hektisch zwischen Schreibtisch, Familienalltag und Haushalts-Wahn hin und her haste und mir dabei selbst leid tue. Durch den ersten Schritt, das bewusste Erkennen meiner alten Jammer-Muster und den zweiten Schritt, das achtsame Distanzieren aus meinem Selbstmitleid, gelingt es mir, mich aus der Ferne zu betrachten. Ich frage mich: MUSS ich das wirklich alles machen? Die Antwort lautet, wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, immer “NEIN”. Ich MUSS nicht.

Du hast die Wahl

Wenn ich meinen ToDos im Büro nicht mehr erledige, wird zwar die ein oder andere Ideen weniger umgesetzt, manche LeserInnen werden sich wundern, wieso da kein Content mehr kommt und vieles bleibt liegen. Vielleicht verliere ich auch bestimmte Aufträge, weil ich meinen KundInnen nicht das liefere, was wir vereinbart haben. Zuhause zwingt mich niemand, mich um den Haushalt zu kümmern. Klar, ich bin als Mama in einer 5-köpfigen Familie (ja, der Hund zählt mit, nein die Katze nicht, weil sie nur dann kommt, wenn es in ihren Zeitplan passt) ziemlich beschäftigt. Doch wenn ich morgen entscheide, nicht mehr zu kochen, zu waschen, zu putzen, einkaufen zu gehen… wird sich eine andere Lösung finden. NIEMAND (außer ich selbst) zwingt mich dazu, stellt mich in die Küche und erpresst mich unter Bedrohung meines Lebens, die Jause für meine Große oder den Frühstücksbrei für meine Kleine vorzubereiten, die Einkaufsliste zu schreiben oder die schmierigen Küchenfronten zu reinigen.

Raus aus dem Jammertal

Wer mich dazu zwingt, das bin ich selbst. Meine eigenen Ansprüche daran, wie ich meine Arbeit - egal ob im Büro, in der Praxis oder im Haushalt - erledigen möchte, um damit zufrieden zu sein. Ich rufe mir diese Tatsache immer wieder in Erinnerung, um mich selbst aus dem Jammern zu holen. Es hilft mir auch ungemein, mich zu fragen: Wie müsste mein Leben aussehen, damit ich diese Dinge nicht mehr erledigen “müsste”? Diese Frage versetzt mich sofort in Demut und Dankbarkeit! Denn klar, wenn ich nicht arbeiten würde, wenn ich nicht als selbstständige Unternehmerin tätig wäre, wenn ich keine Familie hätte, wenn wir nicht in einem Haus wohnen würden, wenn wir keinen Garten hätten… Ja, dann hätte ich deutlich weniger zu tun. Das wäre ein bisschen schön und sehr traurig zugleich!

Wo ich bin, da will ich sein

Kurz gesagt: Wo ich bin will ich sein (ja, ebenso Corssen, der Mann weiß halt, wovon er spricht). Das bedeutet also, ich kann, darf, muss die Verantwortung dafür übernehmen. Gar nicht immer so einfach, aber auch - je nach Betrachtungsweise - sehr hilfreich und wohltuend.

Für mich bedeutet das nämlich: Ich habe mir das so ausgesucht. Das ist selbstverständlich nicht in allen Bereichen unseres Lebens so und oft genug sind wir mit Situationen konfrontiert, die sich vollkommen unseres Einflusses entziehen. Doch im Hinblick auf Beruf und Haushalt kann ich sagen: Wenn ich etwas wirklich nicht mehr machen möchte, dann verändere ich entweder meine Sichtweise, meine Erwartungen oder mein Verhalten - ich lasse es sein.

Love it. Change it. Leave it.

Delegieren, egal ob im Büro oder im Haushalt - ist immer noch eine Möglichkeit, wenn das Jammern darauf hinweist, dass wirklich alles zu viel wird. In den meisten Fällen ist es aber so, dass ich mich einfach mal wieder auf den Boden der Realität zurückholen muss, tief durchatme und mir sage: Ja, das will ich, genau so, wie es ist.

Dankbar und demütig für dieses Leben

Dann beobachte ich mich, inmitten aller ToDos, inmitten des Chaos zwischen Schreibtisch, Herd und Waschmaschine und schmunzle: Wie dankbar ich doch bin für all die Aufgaben, die mir mein Alltag bringt!


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Selbstoptimierung ade: Du bist, was du sein möchtest

Über viele Jahre bin ich meinem Glück hinterher gerannt. Dann habe ich erkannt: Ich darf bereits jetzt glücklich sein, genau so, wie ich bin. Und ich kann dennoch meine Ziele erreichen. Ein wunderbares Gefühl!

Vielleicht kennst du das: Du hast dir ein Ziel gesetzt, hast es mit viel Mühe, Energieaufwand und Einsatz erreicht und schon spürst du wieder diese Unruhe in dir aufsteigen, das Gefühl, das dir die sagt:

Das möchte ich auch noch erreichen…

… und dann? Dann bist du wirklich glücklich und zufrieden mit dir? Wenn du ganz ehrlich zu dir selbst bist, ist das wahrscheinlich nicht so. Denn meist ist es doch so: Wir haben ein Ziel, verfolgen dieses vehement, geben dafür viel Zeit und Energie her und sobald wir es erreicht haben, suchen wir uns das nächste Ziel, wenn es nicht ohnehin bereits parallel angepeilt haben. Wir sind es nicht gewohnt, uns einmal eine Auszeit zu nehmen und zu schätzen, was wir bereits erreicht haben. Bildlich gesprochen erklimmen wir einen Gipfel, um dort ohne Rast sogleich den nächsten ausfindig zu machen, auf den wir hinauf “MÜSSEN”. Warum machen wir das? Was treibt uns an? Ganz oft ist es die Suche nach Glück und Zufriedenheit, nach Ruhe und Stolz.

Doch wenn wir ständig weiter hasten, können wir das Erreichte nicht schätzen - wir hetzen durchs Leben und leben am Leben vorbei.

© Unsplash. Wir hetzen durch das Leben auf der Suche nach unserem Glück.

© Unsplash. Wir hetzen durch das Leben auf der Suche nach unserem Glück.

Übung: Ein Blick zurück

Aus der Japanischen Zen-Tradition kommt eine Übung, die uns dabei unterstützt einmal all das zu erkennen und zu schätzen, das wir bisher in unserem Leben erreicht haben. Dabei können wir uns Zeit nehmen und einmal auf unserem Lebensweg zurück blicken. Bisher waren wir es gewohnt, unser Ziel (oder all unsere Ziele) vor Augen zu haben - wir der Esel mit der Karotte an der Angel: Unsere Ausbildung, unsere Vorstellung einer gelungenen Beziehung, unsere Familienplanung, unser Traumhaus, unsere existenzielle Sicherheit, unsere Selbstverwirklichung… All diese Ziele sind nachvollziehbar - sie sind Teil der menschlichen Bedürfnisse. Doch wir neigen dazu, von einem Ziel zum nächsten zu eilen, ohne unsere Zwischensiege bewusst zu genießen. Bei dieser Übung blicken wir bewusst zurück. Wie ein Wanderer, der auf dem Weg zum Gipfel nicht ständig nach dem Gipfelkreuz Ausschau hält, sondern sich einen gemütlichen Platz zur Rast sucht und darauf blickt, was er bisher geschafft hat. Auf den Weg, der hinter ihm liegt.

Jeder und jede von uns hat im Rückblick vieles geschafft. So viele Hürden genommen, die zum Zeitpunkt, als sie in unser Leben getreten sind, unüberwindbar schienen. So viele Ziele erreicht, die einst in weiter Ferne gelegen hatten, die von einem flüchtigen Gedanken zu einer fixen Idee und schließlich zu einem echten Ziel wurden.

Ich selbst war bis vor wenigen Jahren sehr getrieben. Ständig hatte ich neben meiner Ausbildung und meiner Karriere vor allem meine persönliche Weiterentwicklung als Ziel. Ich war beinahe besessen davon, mich selbst in verschiedenen Bereichen meines Lebens zu verbessern, ungeliebte Muster endlich hinter mir zu lassen und glücklicher zu werden. Dabei hatte ich einen “inneren Stress”, so als würde mir die Lebenszeit davonlaufen. Ich fühlte mich wie ein Marathonläufer, bei dem sich jedoch das Ziel ständig weiter weg bewegte. Kein Wunder: Sobald ich meine Matura absolviert hatte, begann ich mich ins Studium zu vertiefen. Nach einem Semester kam ein zweites Studium hinzu, dann die Selbstständigkeit, zahlreiche Aufträge und Projekte. Ich wollte mich ständig weiterbilden, mehr lesen, mehr erfahren, endlich “alles” wissen. Und dann dieser Drang nach Selbstoptimierung: Fitter, schlanker, motivierter wollte ich werden. Jedes Buch, das ich zu diesen Themen fand, verschlang ich, voller Motivation, das Erlernte auch gleich umzusetzen und selbst “besser” zu werden.

Dabei deutete ich jedes Anzeichen von Motivationslosigkeit sogleich als eigene Schwäche, die überwunden werden musste. Irgendwann bin ich stehen , habe mich umgeblickt und gesehen: Wow, da habe ich wirklich schon einiges erreicht! Ich habe vieles gelernt, ich habe vieles geschafft. Und wie soll es nun weitergehen? Bin ich auf dem richtigen Weg, glücklich zu werden? Muss ich mich nur noch ein paar Jahre weiter anstrengen, Vollgas geben, um wirklich zufrieden mit mir zu sein? Tief in mir spürte ich, dass sich eine leise Stimme erhob, die immer lauter wurde: So kann es nicht weitergehen!

Echte Lebensweisheit: Herz-Yoga von Mark Whithwell

Ein Buch, das mich seit Jahren begleitet, in das ich immer wieder hineinlese und dann über die beeindruckende Weisheit des Autors staune, ist “Herz-Yoga” von Mark Whitwell. Dieses Buch liegt bei uns im Wohnzimmer, mal auf dem Couchtisch, mal auf der Fensterbank. Ich habe es schon unzählige Male ins Bücherregal geräumt, hatte es mit in meiner Praxis (wo ich meine Bücher, die ich gerade nicht lese, sammle) und es von dort wieder mit ins Wohnzimmer genommen. Gerade letzte Woche habe ich wieder darin gelesen und hatte die Idee für diesen Blogbeitrag. Mark Whitwell ist ein Yogalehrer aus Neuseeland, der mit seiner Ansicht eine vollkommen andere Philosophie vertritt als so viele Yogalehrer und “Gurus” unserer Zeit.

Für mich selbst war Yoga über viele Jahre eine Möglichkeit, meinen Körper durch die Asanas, die Körperübungen, zu kräftigen, während ich getrennt davon die Atemübungen und Meditationen praktiziert habe, um mich vom Alltagsstress runterzuholen und entspannter zu werden. Ich habe Yoga praktiziert, lange bevor mich mein Insta-Feed mit vermeintlich perfekten Yoga-Posen überschwemmt hat. Und doch hatte ich mich bereits damals mit meinem jeweiligen Yogalehrer im Kurs oder mit den Autoren des Bücher verglichen.

Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.

(Søren Kierkegaard)

Mein Ziel war auch im Hinblick auf den Yoga: Besser werden! Flexibler, stärker, ausdauernder. Dahinter lag eine wie ich erkannt habe falsche Vorstellung, die auch heute noch oft so vermittelt wird: Durch Yoga kannst du ein besserer Mensch werden. Du kannst glücklicher werden, wenn du lange genug übst, wenn du deinen Atem kontrollieren kannst, wenn du eine Asana lange genug aushältst… Ich selbst habe oft die Erfahrung gemacht, dass es mir nach einer Yogastunde besser geht und mein Körper und meine Psyche die Übungen genossen. Doch dieses Gefühl hielt meist nur kurz, meist solange bis die Vergleiche mit “besseren” Yogis anfing.

Wir sind alles, was wir sein möchten

Mark Whitwell beschreibt dieses weit verbreitete Phänomen und stellt sich mit seiner Herz-Yoga-Philosophie gegen die Annahme, dass Yoga uns zu einem besseren Menschen macht:

Freiheit liegt in (…) der Erkenntnis, dass das Leben erfüllt und hinreichend ist.

Auf die Frage: Wie soll Yoga durchgeführt werden?

Antwortet er:

Ganz sicher nicht, indem der Geist absichtlich Zwang auf den Körper und Atem ausübt. Und ebenso wenig als Teil eines Prozesses, der zur höchsten Wahrheit oder Selbstverwirklichung führt. Er zitiert seinen Mentor J. Krishnamurti: “Die Wahrheit ist ein pfadloses Land. Wahrheit ist nichts, was man finden könnte. Wahrheit ist bereits in dir präsent, genau hier, genau jetzt, als das Leben, das du bist.

Und weiter:

Du bist bereits Wahrheit. Du bist bereits Göttlichkeit. Ganz genau so, wie du bist. Yoga kann da beginnen, wo der Verstand sich zurück zieht, das Streben und Suchen loslässt. Yoga ist keine Suche nach dem Göttlichen, als ob es abwesend wäre. Yoga ist die bloße Teilhabe am Wunder des Lebens, wie es uns in seiner Vollkommenheit geschenkt wurde.

Ob du dich selbst für Yoga interessierst oder nicht - Yoga ist nur eine Methode, die Menschen praktizieren, um glücklicher und zufriedener zu werden. Marks Philosophie ist stellvertretend für alle Versuche, die wir unternehmen, um unser persönliches Glück zu erlangen. Die Aussage gilt für Selbstentwicklung ebenso wie für Weiterbildungen, Coachings, Therapien, all die Ziele, die wir erreichen wollen…. Wenn wir erkennen, dass wir und unser Leben bereits vollkommen ist, weil wir sind, wer wir sind, dass wir nichts erreichen müssen, uns selbst und anderen nichts beweisen müssen, dann sind wir wirklich frei, dann können wir wirklich authentisch glücklich sein.

Bedeutet das, dass du dann gar keine Ziele mehr verfolgen musst?

Nein! Unser Gehirn neigt dazu, schwarz-weiß zu denken. Es gaukelt uns vor: Entweder du bist zielstrebig und motiviert, oder faul und erfolglos. Doch das ist nicht so. Wenn wir erkennen, dass unser Glück und unsere Zufriedenheit in uns liegen, dann spüren wir diese Ruhe in uns. Immer wenn ich selbst spüre, dass ich wieder zu stark im “Außen” lebe, dass ich unruhig und angespannt werde, weil ich meinen Zielen hinterherjage, besinne ich mich wieder auf das wohltuende Bild: Ich bin bereits vollkommen. Ich darf bereits zufrieden mit mir sein. Ich kann glücklich sein. Diese Sichtweise löst ein warmes Gefühl in mir aus. Ich kann es nicht anders beschreiben - ich fühle mich geborgen und beschützt. Dieses Gefühl, diese Wärme und Stärke aus meinem Inneren heraus ist die beste Voraussetzung, um neue Ziele anzuvisieren. Wenn ich zurück blicke und mein gehetztes, rastloses Ich mit heute vergleiche, dann sieht es von Außen betrachtet bestimmt noch sehr ähnlich aus. Ich bin ein Multipassionate - ich liebe es, neue Dinge zu lernen, mich weiterzubilden, zu lesen, zu beobachten, zu erkennen. Doch der Antrieb dahinter ist heute ein gänzlich anderer. Nicht mehr die Suche nach dem Glück. Nicht mehr der Versuch, diese innere Unruhe und Getriebenheit zu besänftigen. Sondern die Freude am Neuen, die Neugierde und der Entdeckergeist. Meinen Projekten und Zielen folge ich im Flow - es geht mir nicht um das Ziel, sondern um die Sache an sich. Ein wunderbar befreiendes Gefühl!

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