Warum unsere Kindheit unser Leben bestimmt
Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, wie sehr unsere Vergangenheit unsere Zukunft prägt. Umso schöner, dass wir sie auch bewusst mitgestalten können.
Es dauerte viele Jahre, bis ich diese Worte wirklich annehmen konnte. “So simpel kann es doch nicht sein”, dachte ich mir immer, wenn jemand seine Kindheit für sein späteres Leben verantwortlich machte. Die frühe Scheidung der Eltern, ständige Machtkämpfe zwischen Geschwistern, Streitigkeiten über Erziehung, Arbeitslosigkeit eines Elternteils, finanzielle Sorgen… es gab vielleicht schwierige Phasen, die wir in jungen Jahren (mit)erleben mussten. Und dennoch war ich lange Zeit davor überzeugt, dass wir uns von dem, was rund um uns passiert, nicht zwangsläufig beeinflussen lassen. Mein Studium, meine Ausbildung, meine Selbsterfahrung und vor allem die eigenen wirklich schwierigen Phasen in meinem Leben haben mich eines bessern belehrt. Heute weiß ich: Unser Kindheit bestimmt unser Leben. Zumindest dann, wenn wir früh geprägte Glaubenssätze und Verhaltensmuster nicht reflektieren und wir unbewusst in alten Mustern leben.
Ein Blick ins Gehirn
Wir alle kommen mit einem Gehirn zur Welt, das vor allem ein Ziel hat: Zu lernen, wie wir in dieser uns bisher nur durch die Bauchdecke unserer Mutter bekannten Welt bestmöglich zurecht kommen. Wie müssen wir uns verhalten, damit wir geliebt werden, damit wir nicht leiden müssen, damit es uns gut geht. Wir werden in eine Familie geboren, in der Menschen mit ihrer Geschichte leben, die mit ihrer unterschiedlichen Persönlichkeit auf unsere Wünsche und Bedürfnisse mal besser, mal schlechter reagieren. Wenn wir weinen, versuchen unsere Eltern oder Bezugspersonen, herauszufinden, was wir brauchen, damit es uns besser geht. Je älter wir werden, desto stärker prägen wir ein Bild davon aus, wie wir möglichst gut durch die Welt, besser gesagt durch unsere individuelle Welt kommen. Diese ist für jeden Menschen einzigartig und immer subjektiv, denn selbst zwei Geschwister wachsen nie unter den exakt selben Bedingungen auf: Sie haben zwar die selben Eltern und wachsen im selben Haus auf, doch von der Schwangerschaft über die Geburt bis hin zum Verhältnis zu ihren Eltern, ihrem jeweiligen Geschwister, ihren Freunden, ihrer Schulzeit und ihrer Freizeitgestaltung ist vieles unterschiedlich. Ein Blick ins Gehirn zeigt, wie wir unsere ganz individuelle Welt erbauen:
Gerade in der Kindheit ist unser Gehirn unheimlich lernfähig, das bedeutet vereinfacht gesprochen: Feste Autobahnen werden sehr viel schneller und fester gebaut als im späteren Leben. Das Phänomen der Neuroplastizität beweist aber, dass wir bis ins hohe Alter fähig zur Veränderung sind, doch wir alle wissen, dass es uns ungleich leichter fällt, etwas Neues in jungen Jahren zu lernen, als später im Erwachsenenalter. Genau deshalb fällt es uns auch so schwer, alte Gewohnheiten zu verändern. Dieses Ausbilden von Autobahnen in unserem Gehirn passiert in den aller seltensten Fällen bewusst, vielmehr machen wir von Geburt an die unterschiedlichsten Erfahrungen und bilden durch das Erleben, Fühlen und die Gedanken in diesen Situationen unsere Nervenverbindungen im Gehirn aus. Je stärker unsere emotionale Beteiligung in dieser Situation ist, desto stärker die Ausprägung. Wir erinnern uns meist das ganze Leben lang an das schönste Weihnachtsgeschenk, den aufregendsten Schultag, das lustigste Erlebnis mit unserem besten Freund. Positive Emotionen wie Freude, Aufregung, Neugierde und Spaß funktionieren wie Dünger für unsere Nervenverbindungen. Dies gilt jedoch nicht nur für angenehmen Emotionen, sondern auch für jene, die wir lieber nicht erleben möchten: Wir spüren noch den Schmerz, als das geliebte Haustier verstorben ist. Oder die Traurigkeit, nachdem wir aus einer Gruppe ausgegrenzt wurden. Die Angst, als wir unsere Eltern bei einem Streit beobachtet haben. Einerseits werden diese Autobahnen durch ihre Intensität gestärkt, andererseits durch Wiederholung. Wenn wir unsere Eltern bei einem Streit beobachten, verhält sich unser Gehirn anders, als wenn wir uns regelmäßig in den Schlaf geheult haben aus Angst, dass wir bald ohne Papa dastehen. Ob angenehm oder schmerzhaft, unser Gehirn speichert für intensive Erfahrungen mit den damit verbundenen Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen ab. Aus dem, was wir erleben, werden unsere Glaubenssätze. Und diese wiederum bestimmen unser ganzes späteres Leben. Sie bestimmen unser Bild von der Welt, in der wir leben und wir uns in ihr verhalten sollten, um möglichst gut durchs Leben zu kommen. Die Denk- und Verhaltensmuster, die wir in jungen Jahren so leicht und dabei so fest ausprägen, bestimmen auch unser Selbstbild und unseren Selbstwert. Sie diktieren uns, was wir können und was wir nicht können. Sie sagen uns, ob wir mutig und voller Selbstvertrauen sind, weil wir bereits die Erfahrung machen durften, dass das Leben zwar manchmal herausfordernd, aber dennoch eine spannendes Abenteuer ist. Oder sie reden uns ein, dass wir lieber nicht zu weit über den Tellerrand blicken sollten, lieber auf der Hut sein sollten und uns vor Veränderungen in Acht nehmen sollten. Ganz häufig werden Glaubenssätze durch alte Sprichwörter und Redewendungen ausgeprägt, wie zB Schuster bleib bei deinen Leisten.
Bis du dem Unbewussten bewusst bist, wird es dein Leben diktieren und du wirst es Schicksal nennen. (C.G. Jung)
Woher kommen meine Glaubenssätze?
Wodurch bilden wir also diese Glaubenssätze aus, die uns zu dem machen, was wir heute sind? Marie Forleo spricht in ihrem Buch “Everything is figureoutable” von fünf Quellen, die unser Denken, Fühlen und Verhalten maßgeblich beeinflussen:
Unsere Umwelt: Allen voran unsere Eltern, Geschwister und nahe Bezugspersonen. Wie sie sich verhalten, ihre Art mit Themen wie Geld, Liebe, Erziehung, Beruf, Ausbildung, Werten, Ansprüchen, Erwartungen umzugehen, prägt uns von klein auf. Spätestens ab der Schule gehören auch die Ansichten unserer Mitschüler, Freunde und Lehrern zu den Menschen, die uns mit ihrer Art, das Leben zu leben, also durch ihre jeweiligen Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen meist ganz nebenbei beeinflussen.
Unsere Erfahrungen: Jede Situation hat das Potential, in unserem Gehirn das wichtige neue Lernerfahrung abgespeichert zu werden. Wenn ein Erlebnis emotional besonders intensiv erlebt wird oder immer wieder vorkommen, bildet unser Gehirn unsere Reaktion (Gefühle, Gedanken und Verhalten) als Autobahn aus. Häufig werden unsere Erfahrungen auch von unserer Umwelt beeinflusst - denn wenn etwa in unserer Familie bestimmte Situationen von vornherein vermieden wurden, prägt dieses ängstliche Vermeidungsverhalten auch unsere Erfahrung.
Wissen: Lehrinhalte, Forschungsergebnisse, Expertenwissen von Vorgesetzten, Lehrern, Professoren, Ärzten, Therapeuten und anderen Menschen, denen wir eine gewisse Kompetenz in einem Bereich zutrauen, beeinflussen unsere Glaubenssätze ebenso. Das Wissen etwa, dass wir alle zu einem großen Teil von unseren früh geprägten Glaubenssätzen durchs Leben begleitet werden, kommt aus der psychologischen Forschung und wurde von Experten wie meinen Professoren in der Uni weitergegeben.
Unsere Vorbilder: Wir alle haben Menschen, die uns beeindrucken. Ob es sich dabei um historische Persönlichkeiten, entfernte Bekannte, Comichelden oder berühmte Größen unserer Zeit handelt - diese Menschen stärken mit ihrer Art, das Leben zu leben, unsere Sichtweise auf die Dinge.
Unsere Träume: Unsere Fähigkeit, kreativ zu sein, Ideen zu entwickeln und “groß” zu denken, kann unsere Autobahnen verändern. Wenn wir eine Vision haben, die wir unbedingt umsetzten möchten, können wir alte Glaubenssätze hinter uns lassen und neue, unserem Ziel dienlichere entwickeln.
Meine Glaubenssätze: Panik durch Existenzängste
Bei mir selbst konnte ich später erkennen, dass ich ein sehr starkes Muster der Existenzangst abgespeichert hatte und dieses mein Leben diktierte. Als ich drei Jahre alt war, ließen sich meine Eltern scheiden. Es gab weder einen Rosenkrieg noch kann ich mich an Streitereien oder ähnliches erinnern. Als junge Erwachsene wäre ich nie auf die Idee gekommen, meine Ängst und Sorgen mit der Scheidung meiner Eltern in Verbindung zu bringen. Ganz im Gegenteil: Im Vergleich zu vielen meiner Freundinnen hatte ich nie einen Vater zuhause, dem ich Respekt entgegenbringen musste und vor dem ich mich für irgendetwas rechtfertigen hätte müssen. Bei dieser an sich nicht spektakulären Scheidung bestand meine Mutter jedoch aus Stolz darauf, von meinem Vater finanziell NICHT unterstützt zu werden. Sie blieb mit meiner Schwester, mir, einem großen Schuldenberg aus dem gemeinsamen Restaurant und den Ansprüchen einer kurz zuvor noch sehr wohlhabenden Unternehmerin zurück. Von einem Tag auf den anderen war sie auf sich alleine gestellt und schlichtweg überfordert, auch und vor allem finanziell. Diese Herausforderung begleitet uns, bis ich im Alter von 14 Jahren von zuhause auszog. Meine Mutter versuchte zwar immer, mir alles zu ermöglichen, doch das Geld reichte weder für Markenkleidung, noch für Schulreisen und war oft auch für die Dinge des täglichen Lebens zu knapp. Im Nachhinein betrachtet möchte ich keinen Tag meiner Kindheit missen und heute weiß ich, dass ich der Mensch bin, der ich bin, weil mich diese Herausforderungen dazu gemacht haben. Doch um zu dieser Zufriedenheit zu gelangen, musste ich erst einen starken Entwicklungsprozess durchleben. Das Thema Geldnöte war nämlich bis zu meinem 30. Lebensjahr ständig präsent in meinem Leben, mal mehr, mal weniger bewusst. Long story short: Ich erkannte, warum ich immer das Gefühl hatte, “nicht genug” zu haben, egal wie hoch mein Kontostand war. Ich erkannte, wieso ich meinen Wert so oft an Geld knüpfte und ich in Panik verfiel, wenn meine Bankomatkarte streikte - da war sofort wieder dieses Gefühl von früher “wir haben zu wenig”. Meine Knie wurden weich, mir wurde flau im Magen, ich fühlte mich panisch und erstarrte förmlich. Auch dieses altbekannte Schamgefühl breitete sich innerhalb von Sekunden aus, wenn ich an der Kasse zu wenig Geld mit hatte oder mit Freunden, die mehr als ich verdienten über ihr Gehalt sprach. Obwohl ich längst genug Geld verdient hatte, um mir genug zu Essen und ein Dach über dem Kopf zu leisten, war ich sofort wieder in alten Mustern gefangen, sobald ich nur die leisteste finanzielle Einschränkung witterte. Noch schlimmer war es nach jeder etwas größeren finanziellen Ausgabe - vor allem, wenn ich für mich selbst Geld ausgab. Das fing schon dabei an, dass ich tagelang schlecht fühlte, wenn ich beim Frisör € 50 zahlte und mehr als einmal brachte ich meine Shoppingausbeute am nächsten Tag wieder zurück ins Geschäft, um das Geld wieder zurück auf meinem Konto zu haben.
Alte Muster erkennen
Ganz, ganz, (ganz!) wichtig: Unsere Glaubenssätze sind nicht per se schlecht! Unsere Psyche macht nichts ohne Sinn und so schwer es auch im ersten Moment zu erkennen ist: Unsere Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen hatten und haben zum großen Teil ihre Existenzberechtigung. Bei den angenehmen automatischen Mustern fällt uns dies gar nicht auf: Wie selbstverständlich leben wir unseren Alltag im Autopilotenmodus, ohne darüber nachzudenken, dass wir uns morgens anziehen müssen, wie wir zur Arbeit kommen, wie man sich in Gesellschaft verhält, dass wir unser Gegenüber grüßen… All diese Verhaltensweisen haben wir ebenfalls einmal erlernt. Sie stören uns ja nicht, ganz im Gegenteil, sie erleichtern unser Leben ungemein. Doch wenn es darum geht, unser Leben zum besseren zu verändern, müssen wir Bilanz ziehen: Was stört uns an uns? Welche Gefühle, Gedanken, Verhaltensweisen hindern uns daran, das Leben nach unseren Vorstellungen zu leben?
Ein Zeichen dafür, dass wir im alten Muster leben, kann das diffuse Gefühl sein, dass wir 1. immer gleich auf unterschiedliche Herausforderungen reagieren (sehr ähnliche Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen zu zeigen, zB aggressiv, traurig, ängstlich… zu reagieren) und 2. bei genauer Betrachtung spüren, nicht angemessen zu reagieren (zB gleich laut werden, uns total zurückziehen, plötzlich unter Ängsten und Sorgen leiden, die altbekannte innere Stimme zu hören, die uns scharf kritisiert und uns beschuldigt, das schlechte Gewissen…).
Auf zum neuen Leben
Unsere Kindheit prägt unser Erleben und Verhalten ein Leben lang. Sind wir also zeitlebens Gefangene unserer Vergangenheit? Nein! Denn dank der Neuroplastizität, der lebenslangen Fähigkeit unserer Nervenzellen, neue Verbindungen auszubilden, können wir lernen, Dinge anders zu sehen und anders darauf zu reagieren, Veränderung bedeutet aus gehirnphysiologischer Sicht nichts anderes als Lernen, also neue Autobahnen zu bauchen. Dies ist in jungen Jahren viel einfacher als später, denn in der Kindheit passiert das Lernen von neuen Erfahrungen, Denkweisen und Verhaltensmustern ganz unbemerkt und nebenbei. Genau deshalb dauert es im späteren Leben auch oft so lange, bis wir dahinter kommen, woher unsere unbändige Wut, die ständige Niedergeschlagenheit, die ungelöste Trauer kommt - früh erlebte Situationen haben sich als Lernerfahrungen in unser Gehirn gebrannt und kommen uns später als ganz normale Verhaltensweisen vor. Doch es ist möglich, was wir dazu brauchen ist der unbedingte Wille, etwas zu verändern und ganz viel Übung. Schließlich müssen wir im Gehirn neue Autobahnen bauen und zugleich versuchen, die alten wieder zu Feldwegen verkümmern zu lassen. Das dauert seine Zeit, doch es lohnt sich.
Wie Dankbarkeit dein Leben verändert
Allen Schwierigkeiten und allen Herausforderungen zum Trotz: Wir können uns immer auf die Suche nach den kleinen Wundern in unserem Alltag machen. Das tut gut und stärkt unsere Gesundheit.
Manchmal ist das Mensch-Sein ganz schön anstrengend. Wir sind so sehr damit beschäftigt, unser Leben zwischen unserer inneren Welt (unseren Gefühlen und Gedanken) und dem, was im Außen passiert (Konflikte mit anderen Menschen, drohende und akute Krisen) zu manövrieren, dass wir dabei manchmal beinahe zu verzweifeln drohen. Ich selbst erinnere mich gut an die Zeiten, in denen ich am liebsten geschrien hätte:”STOP! Jetzt mal Ruhe da oben! Ich will einfach mal nichts denken - für mehr als 1 Minute!”. Unser Gehirn ist von Natur aus darauf programmiert, sich mit negativen - weil potentiell bedrohlichen - Themen mehr zu beschäftigen als mit positiven, wohltuenden Dingen. Je mehr wir eine bestimmte Tätigkeit trainieren, desto leichter, unbewusster und bald schon selbstverständlicher gelingt sie uns - das gilt für eine Fremdsprache ebenso wie für das Bedienen eines Smartphones oder eben für die Art und Weise, wie wir denken. Die Neurobiologie beweist: Wenn wir oft negativ denken, werden wir wahre Meister darin! Immer schneller, immer automatischer kommen wir in die Spirale aus Sorgen, Befürchtungen und Ängsten und somit tief und tiefer in negative Gedanken hinein. Unser Gehirn ist so bald extrem gut darin, das Schlimmste zu erkennen und daraus noch schlimmeres zu machen. Umgekehrt - und das macht das Mensch-Sein allen Herausforderungen zum Trotz für mich so wundervoll - können wir auch ganz bewusst üben, positiver zu werden. Das hat nichts mit toxic positivity zu tun, also dem krampfhaften Fixieren auf die schönen Seiten des Lebens, während alles Schwierigkeiten und Herausforderungen ignoriert werden! Vielmehr ist positives Denken für mich eine aktive Haltung, in der wir uns immer und immer wieder dazu bemühen, die guten, wohltuenden, positiven Seiten des Lebens zu sehen - allen schwierigen Tatsachen zum Trotz.
© unsplash. Wir können unsere Fähigkeit zur Dankbarkeit durch die tägliche Übung stärken.
Unsere Erwartungen vom Leben und die Vorstellung, wie es laufen soll, beeinflussen unsere Stimmung. Mit diesem Wissen kann es hilfreich sein, den Blick bereits im aktuellen Moment darauf zu richten, was unser Leben schon heute lebenswert macht.
„Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeit in kleinen Dingen, Unglück oft durch Vernachlässigung kleiner Dinge.“ Wilhelm Busch.
Zahlreiche wissenschaftliche Studien (Seligman, Fredrickson und viele weitere) haben sich mit dem wohltuenden Effekten der Dankbarkeit beschäftigt. Die Übung zur Dankbarkeit ist ebenso simpel wie unaufwändig, doch sehr effektiv.
Drei gute Dinge Übung
Besorge dir ein schönes Notizbuch und notiere dir ab sofort jeden morgen drei Dinge, auf die du dich heute freust. Dies können Kleinigkeiten sein, die dir bisher selbstverständlich vorgekommen sind wie zum Beispiel:
Deine Lieblingscreme im Badezimmer
Die Art, wie du dir die Zähne putzt – tue dies einmal ganz bewusst und denke daran, was du damit deinem Körper gutes tust.
Der Duft der ersten Tasse Kaffee
Das liebste Kleidungsstück
Der besonders schöne Baum/ Blick auf die Berge/ ein architektonisch besonders schönes Haus auf dem Weg in die Schule oder Arbeit
Das nette Lächeln der Arbeitskollegin
Das freundliche Nicken des Busfahrers
Ein Kinderlachen in der U-Bahn
Einen Menschen, der dir nahe steht
Die Tatsache, dass du heute eine Aufgabe hast
Abends nimmst du das Tagebuch bitte noch einmal zur Hand und denkst noch einmal an die Dinge, die dir heute gut getan/ gefallen haben. Diese können sich mit den drei Dingen überschneiden, die du morgens notiert hast. Sie können aber auch ganz unterschiedlich sein:
Die Umarmung eines lieben Menschen/ durch dich selbst
Der nette Anruf/ die liebe WhatsApp-Nachricht
Deine Lieblingssendung im Fernsehen
Die heiße Dusche nach einem langen Tag
Diese Übung ist wie bereits erwähnt sehr einfach, sie wirkt am Anfang sogar banal. Aber vielleicht bist du neugierig und möchtest sie für eine Woche lang ausprobieren?
Im Buddhismus wird diese Übung gerne mit einer Hand voll Bohnen “erlebbar” gemacht: Lege dir morgens eine Hand voll getrockneter Bohnen zurecht und stecke sie in die linke Hosentasche. Immer, wenn du etwas Wunderbares erlebst (uns sei es noch so klein!) oder du an etwas Schönes denkst, also in dein Bewusstsein bringst, nimm eine Bohne und stecke sie in die rechte Hosentasche. Abends lehrst du die rechte Hosentasche und überlegst noch einmal - Bohne für Bohne - welche Dinge, Situationen, Gedanken oder Begegnungen dir so gut getan haben und wofür du dankbar bist.
© gabriellehenderson. Wenn wir uns die schönen Momente aufschreiben, machen wir sie uns noch bewusster.
Was im Gehirn passiert
Unser ARAS (aufsteigendes Retikuläres System) im Hirnstamm ist für unsere Aufmerksamkeit zuständig. Der Großteil dessen, was wir täglich erleben, sehen und fühlen, läuft unbewusst ab. Alles andere wäre uns auch viel zu anstrengend. Stell dir einmal vor, wenn du dir jedes Auto, jede Ampel, jedes Straßenschild... auf deinem Arbeitsweg merken würdest – dein Gehirn würde übergehen vor Informationen. Daher werden die meisten Informationen nur „nebenbei“ aufgenommen. Erstaunlich ist, dass unser Gehirn dennoch permanent reaktionsbereit ist. Wenn du etwa an einem Plakat vorbei gehst, auf dem dein Lieblingsschauspieler zu sehen ist, wird deine Aufmerksamkeit sofort geweckt, obwohl dir die zehn Plakate zuvor nicht aufgefallen sind. Verantwortlich für dieses Phänomen der Aufmerksamkeitslenkung ist das ARAS im Hirnstamm. Seine Funktion zeigt sich auch, wenn du zB gerade auf der Suche nach einem neuen Auto einer bestimmten Marke bist und dir plötzlich überall auf der Straße dieses Auto unterkommt. Oder du schwanger bist und überall Schwangere siehst. Es ist wohl sehr unwahrscheinlich, dass plötzlich so viele dieser Autos umher fahren oder so viele Frauen schwanger sind. Vielmehr ist es deine Aufmerksamkeit, die sich verändert hat.
Dieses Phänomen machen wir uns auch beim Dankbarkeitstagebuch zu nutze: Indem du dein Bewusstsein morgens und abends für ein paar Minuten auf die schönen Dinge in deinem Leben lenkst, fallen sie dir auch im Alltag bewusster auf. Das Gehirn wird so besonders aufmerksam für jene Kleinigkeiten in deinem Leben, die dich bereits jetzt umgeben.
© mrsunflower94
Für mich selbst hat Dankbarkeit wirklich sehr viel verändert. Heute passiert es mir vielleicht alle paar Monate einmal, dass ich unmotiviert, ängstlich oder hoffnungslos bin. Ich freue mich immer sehr darüber, wenn sich in mir in solchen Situationen mein wunderbarer “Werkzeugkasten” öffnet und mir verschiedene Übungen anbietet: “Wie wäre es mit ein wenig Grounding, dem Body-Scan oder tiefer Bauchatmung, um dich aus diesem Stimmungstief zu befreien? Oder einer Runde “Shake & Dance” (einfach das Lieblingslied aufdrehen und tanzen, als würde niemand zusehen - tut ja meistens auch niemand!)”. Es tut so gut, diese innere Beschützerin zu haben, die mir in schwierigen Situationen gut zuredet und mich nicht alleine und ausgeliefert zurück lässt. “Spüre dich hinein, in 5 Dinge, für die du von Herzen dankbar bist”, höre ich die Stimme in mir sagen. Und sofort - wirklich augenblicklich - ist das dieses warme Gefühl in mir, dieses kräftige Orange, das sich von meinem Brustbereich in meinen ganzen Körper ausbreitet und schon kommen mir Bilder von den Dingen, Erlebnissen und Menschen, für die ich so dankbar bin. Ein soooo wohltuendes Gefühl!
Hier geht`s zu spannenden Studien zum Thema Dankbarkeit:
Emmons RA, et al. "Counting Blessings Versus Burdens: An Experimental Investigation of Gratitude and Subjective Well-Being in Daily Life," Journal of Personality and Social Psychology (Feb. 2003): Vol. 84, No. 2, pp. 377–89.
Grant AM, et al. "A Little Thanks Goes a Long Way: Explaining Why Gratitude Expressions Motivate Prosocial Behavior," Journal of Personality and Social Psychology (June 2010): Vol. 98, No. 6, pp. 946–55.
Lambert NM, et al. "Expressing Gratitude to a Partner Leads to More Relationship Maintenance Behavior," Emotion (Feb. 2011): Vol. 11, No. 1, pp. 52–60.
Sansone RA, et al. "Gratitude and Well Being: The Benefits of Appreciation," Psychiatry (Nov. 2010): Vol. 7, No. 11, pp. 18–22.
Seligman MEP, et al. "Empirical Validation of Interventions," American Psychologist (July–Aug. 2005): Vol. 60, No. 1, pp. 410–21.
Selbstmitgefühl: Sei dir selbst ein Freund
Gerade in schwierigen Zeiten tut es uns gut, uns selbst so anzunehmen, wie wir sind. Ein Plädoyer für mehr Nachsicht mit uns selbst.
Das Streben nach Selbstwert ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wenn du deine Aufgaben gut erfüllst, bist du mit dir selbst zufrieden – dein Selbstwert steigt. Je öfter wir unsere eigenen Erwartungen erreichen, desto höher unser Selbstwert. Ein großer Teil deines Selbstwertes ist im Erwachsenenalter daran gekoppelt, wie gut du gerade mit den Aufgaben in deinem Leben zurecht kommst. In Zeiten des Erfolgs haben wir also einen hohen Selbstwert. Da gibt es gute Tage, an denen du mit dir sehr zufrieden bist. Und dann gibt es immer wieder diese Tage, an denen du dich selbst kaum im Spiegel ansehen kannst, weil du deinen eigenen Erwartungen einfach nicht gerecht wirst. Dieser Wechsel ist ganz natürlich. So sind wir Menschen nun mal - manchmal sehr zufrieden mit uns selbst und manchmal total kritisch. Gerade in diesen schwierigen Zeiten tut es uns gut, liebevoll mit uns umzugehen, auch wenn wir gerade nicht sehr zufrieden mit uns sind. Die Psychologie hat erst vor wenigen Jahren eine weitere Fähigkeit entdeckt, die ins uns Menschen verborgen liegt: Das Selbstmitgefühl. Die Übersetzung aus dem Englisch „Selfcompassion“ ist dabei leider etwas holprig. Für viele Menschen klingt “Mitgefühl” nach “Mitleid”, doch darum geht es nicht. Anders als der Selbstwert ist das Selbstmitgefühl nicht an Erwartungen und Leistungen geknüpft. Durch diese liebevolle Einstellung zu dir selbst kannst du immer für dich da sein, einfach weil du bist, wie du bist. Selbstmitgefühl ist ein wichtiger Teil der Selbstliebe und fühlt sich wohltuend an: So als würdest du dich selbst in den Arm nehmen und dich trösten. Denn ganz egal wie gut du eine Herausforderung meisterst oder ob du gerade daran scheiterst: Du kannst gut zu dir sein. Diese echte Zuwendung zu dir selbst ist die Grundlage für authentische Selbstliebe.
Sei gut zu dir
Zahlreiche Studien haben herausgefunden, dass wir diese verborgene Fähigkeit trainieren können – ebenso wie Achtsamkeit und Akzeptanz. Durch das achtsame Üben von Selbstmitgefühl kannst du lernen, dich zu lieben und dich zu akzeptieren für das, was du bist – mit all deinen Stärken und Schwächen! Kristin Neff, Professorin für Psychologin an der Universität Berkley und Bestseller-Autorin zum Thema Selbstmitgefühl, forscht seit Jahrzehnten darüber, wie hilfreich, wohltuend und gesundheitsfördernd Selbstmitgefühl ist. Sie hat selbst erlebt, wie wohltuend diese Haltung gerade in schwierigen Zeiten sein kann. Selbstmitgefühl ist ein wichtiger Bestandteil der buddhistischen Tradition und lässt sich vereinfacht so beschreiben: Sei zu dir selbst so gut, wie du es zu einem lieben Freund/ Familienmitglied bist. In uns allen liegt die Fähigkeit verborgen, gut zu uns selbst zu sein. In erfolgreichen Zeiten fällt uns dies viel leichter als in schwierigen Phasen. Die meisten von uns reagieren mit Selbstvorwürfen und Selbstkritik.
Du bist du. Und das ist gut so
Wir alle wünschen uns, jemanden zu haben, der uns liebt so wie wir sind, der uns akzeptiert und uns stützt, auch wenn es uns einmal nicht so gut geht. Dieses Bedürfnis ist bereits von Geburt an in uns angelegt. Menschenkinder suchen instinktiv eine Bezugsperson, die sie bedingungslos annimmt und sie liebt. Als Erwachsenen bleibt dieses Bedürfnis in uns erhalten, wenn auch nicht mehr so stark ausgeprägt. Wenn es uns dann nicht gelingt, uns selbst zu lieben und uns anzunehmen, wie wir sind, dann passiert häufig folgendes: Wir sind leicht dazu verleitet, diese Liebe und Anerkennung im Außen zu suchen – durch unseren Partner, im Bekanntenkreis oder auch auf social media. Dieser Wunsch ist ganz natürlich. Meist gelingt es uns auch, einen Teil dieser Liebe durch andere Menschen zu erleben. Viele Menschen holen sich diese Anerkennung durch ihre Leistung - sie stürzen sich in ihre Aufgaben, in den Job aber auch in private Verpflichtungen. Sie geben immer 100 Prozent, um durch ihr Engagement positiv aufzufallen und somit Anerkennung zu erhalten. Von außen, aber auch von innen. Wenn es dir so geht, dann hast du wohl den (weit verbreiteten) Glaubenssatz in dir: Ich muss etwas leisten, um ein wertvoller Mensch zu sein. Weit verbreitet ist auch der Versuch, sich die Anerkennung durch materielle Dinge zu erkaufen: Ein tolles Auto, stylische Kleidung, eine teure Uhr, eine schöne Wohnung sorgen zumindest eine Zeit lang dafür, dass wir uns besser fühlen. Wir werden vielleicht bewundert und haben das Gefühl, Teil einer bestimmten Gruppe von Menschen zu sein. Der Gruppe, die sich ein teures Auto oder einen Luxusurlaub leisten kann. Doch dieses Gefühl der Zugehörigkeit und Anerkennung ist niemals von Dauer.
Drei Schritte des Selbstmitgefühls
Ein im ersten Moment ungewöhnlicher Weg, diese Liebe und Akzeptanz zu finden, ist das Selbstmitgefühl. Diese Eigenschaft liegt in jedem von uns verborgen, doch nur wenige haben gelernt, gut zu sich selbst zu sein. Anders als beim Selbstwert geht es beim Selbstmitgefühl nicht darum, sich selbst möglichst gut zu bewerten. Vielmehr ist Selbstmitgefühl eine liebevolle Grundhaltung uns selbst gegenüber, ganz egal wie erfolgreich wir gerade sind. Selbstmitgefühl besteht aus drei Bausteinen:
Freundlichkeit zu sich selbst
Wenn wir uns selbst wirklich liebevoll und freundlich begegnen, kommen wir viel besser durch die großen Herausforderungen unseres Lebens. Bisher hast du vielleicht immer wieder versucht, noch härter an dir zu arbeiten, wenn dir etwas misslungen ist. Dahinter steckt oft der Glaube, dass wir zu locker mit uns selbst umgegangen sind. Viele Menschen denken, dass sie sich selbst möglichst hart und streng behandeln müssen, um gute Leistungen zu bringen. Sie haben sogar Angst davor, dass sie durch zu viel Selbstmitgefühl zu faulen und unmotivierten Versagern werden. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Denn durch die wertvolle Grundlage des Selbstmitgefühls können wir uns das stabile Fundament bauen, auf dem echte Höchstleistungen möglich sind, ohne auszubrennen. Anders als auf Basis eines instabilen Selbstwertes, der rein an persönlichen Erfolg und Leistung gekoppelt ist, ist das echte Selbstmitgefühl ein stabiles, überdauerndes Tragewerk für alles, was wir im Leben tun. Von dieser stabilen Basis aus können wir unsere Aufgaben besser in Angriff nehmen. Ob wir sie meistern oder daran scheitern, hat dann nicht mehr so schwerwiegende Folgen. Das Bild, das wir von uns selbst als Mensch mit Stärken und Schwächen haben, wird durch eine Niederlage nicht zerstört. Durch bewusstes Selbstmitgefühl wissen wir, dass diese Niederlagen genauso zum Mensch sein dazu gehören wie die großen Erfolge in unserem Leben. Wir befreien uns also selbst von überzogene Erwartungen und hohem Leistungsdruck. So haben wir mehr Lebensenergie zur Verfügung, um uns auf unsere persönlichen Ziele zu konzentrieren. Und wenn wir scheitern, verzweifeln wir daran. Dank unserer offenen und wohlwollenden Haltung uns selbst gegenüber wissen wir: Wir haben unser Bestes gegeben, Scheitern gehört dazu, das Leben geht weiter.
2. Verbundenheit als Mensch
Sobald etwas Schlimmes passiert, sobald wir eine schwierige Zeit erleben, haben wir sofort das Gefühl: Ich bin der/die Einzige, der so etwas erleben muss. Doch bei genauerer Betrachtung erkennen wir: Wir sitzen alle im selben Boot. Jeder und jede von uns hat schon einmal eine schwierige Situation durchgemacht. Sobald wir uns isoliert fühlen, ist es noch schwieriger, mit dieser Aufgabe umzugehen. Denn eine der schlimmsten Erfahrungen für uns Menschen ist es, einsam und alleine zu sein. Wir alle wissen, wie unvermeidbar die schwierigen Zeiten zu unserem Leben dazu gehören. Auch wenn wir sie gerne verdrängen und am liebsten nicht wahrhaben wollen. Viele Menschen spüren heute einen starken Druck auf sich lasten. Die Leistungsgesellschaft mit ihren hohen Ansprüchen ist ein Grund dafür. Wir haben ständig das Gefühl, besser, erfolgreicher, glücklicher sein zu müssen. Das „perfekte Leben“, wie es uns in den sozialen Medien ständig vorgegaukelt wird, führt ebenfalls zu hohem Druck. Sobald wir die schwierigen Seiten des Lebens zu spüren bekommen, haben wir sogleich das Gefühl, versagt zu haben. Das „perfekte Leben“ ist wieder gescheitert. Und meist denken wir, dass es wirklich nur uns so geht, während alle anderen erfolgreich, glücklich und zufrieden sind. Wenn wir erkennen, dass wir alle Menschen sind und wir alle schwierige Erlebnisse durchmachen, fühlen wir uns verbunden und spüren, wie die Last leichter wird. Dieses Wissen erleichtert uns den Umgang mit Herausforderungen.
3. Achtsamkeit und bewusstes Leben statt Gefangen sein in alten Mustern
Im Laufe meiner Tätigkeit als selbstständige Psychotherapeutin und Coach ist mir aufgefallen, dass wir vor allem eine Fähigkeit brauchen, um unsere Gefühle, unsere Gedanken und unser Verhalten zu verändern: Die Achtsamkeit. Wenn du täglich morgens und abends deine Achtsamkeitübungen durchführst, sind dir bestimmt schon positive Veränderungen in deinem Alltag aufgefallen. Du erkennst schneller, dass deine alten Muster aktiv sind, du hast gelernt, deine Gedanken als genau das zu beobachten, was sie sind – mentale Ereignisse, denen du nicht immer glauben musst Achtsamkeit hilft dir auch dabei, dich selbst liebevoller und mit mehr Verständnis zu behandeln. Für Kristin Neff, die Expertin für Selbstmitgefühl, ist Achtsamkeit die dritte wichtige Zutat für mehr Selbstmitgefühl. Denn wenn du dein Leben bewusster und voll Achtsamkeit auf den jeweiligen Moment gestaltest, kannst du immer wieder hinspüren: Tut mir das, was ich als nächstes Tun möchte, wirklich gut?
Ein Beispiel aus dem Alltag: Feierabend nach einem stressigen Tag
Ich möchte dir ein Beispiel geben: Vielleicht kennst du das ja: Nach einem anstrengenden Tag kommst du nach Hause, schnappst dir noch eine Tüte Chips und lässt dich ins Sofa fallen. Unter dem Vorwand, dir selbst etwas Gutes zu tun und dich endlich mal zu entspannen, verbringst du die nächsten zwei Stunden vor dem Fernseher oder Smartphone, bevor du ins Bett fällst und mit einem unguten Gefühl an den nächsten Tag denkst. Gerade wenn du einen anstrengenden Tag hinter dir hast, kann dir achtsames und bewusstes Nachspüren dabei behilflich sein, um deinen Tag wohltuend und genussvoll ausklingen zu lassen. Anstatt in altbekannte Muster zu fallen (mit Junkfood auf das Sofa) kannst du dich bewusst dazu entscheiden, was dir an diesem Abend wirklich gut tun würde. Du spürst, dass die Müdigkeit dich auf das Sofa drängt und deine Gedanken dir vorgaukeln „gönn dir die Chips und zappe mal gemütlich durch das Programm“. An diesem Verhalten ist per se absolut nichts auszusetzen. Auch ich genieße es ab und an, einen Abend mit meinen Lieben auf dem Sofa zu verbringen. Oft ist es jedoch so, dass nach so einem Junk-Abend, wie ich ihn gerne nenne, weder dein Körper noch dein Kopf wirklich entspannt sind. Vielmehr spürst du, dass du mal wieder wertvolle Zeit vergeudet hast, die du wohltuender nützen hättest können. Durch achtsames Selbstmitgefühl kann es dir gelingen, zu erkennen, wieso gerade dabei bist, in alte Muster zu fallen: Aja, ich bin vollkommen ausgelaugt und müde. Mein Körper fällt automatisch ins altbekannte Muster. Das ist nur verständlich und ich möchte mir selbst nach so einem anstrengenden Tag etwas Gutes tun. Achtsam und bewusst kannst du dann klar überlegen: Fühle ich mich besser, wenn ich die ganze Tüte Chips gegessen habe und stundenlang durch das langweilige Programm gezappt bin? Wie sähe die Alternative aus, wenn ich mir selbst mit mehr Selbstmitgefühl begegne und auf mich achte? Wenn du regelmäßig Achtsamkeit geübt hast und auch weiterhin übst, gelingt es dir, immer öfter die für dich bessere Wahl zu treffen. Statt einem Junk-Abend wird es dann vielleicht der gemütliche Abend in der Badewanne mit deinem Lieblingshörbuch, einer schönen Playlist oder einem Telefonat mit einer lieben Freundin. Vielleicht wäre auch ein Spieleabend mit deinen Lieben eine Idee? Oder du nutzt die Zeit, um einmal gar nichts zu tun. Je achtsamer und bewusster du dein Leben gestaltest, desto mehr kannst du dir voll Selbstmitgefühl genau das schenken, was dir gerade gut tut.
Ich hoffe, es gelingt dir, ein bisschen weniger streng zu dir zu sein und dir immer wieder selbst ein Freund zu sein.
Hier gelangst du zur Seite der Psychologin Kristin Neff, sie gibt ihr Wissen über Selbstmitgefühl in Büchern, Seminaren und Retreats weiter: self-compassion.org
In diesem TED-Talk erklärt die Expertin den Unterschied zwischen Selbstwert und Selbstmitgefühl:
Wie du dein Verhalten WIRKLICH veränderst
Erst wenn du diese vier Schritte kennst, wird es dir gelingen, dein Verhalten wirklich zu verändern. Wichtig dabei: Mach dir keinen Druck, sondern handle aus Selbstliebe.
Der Jahreswechsel steckt voller guter Vorsätze: Mehr Sport, gesündere Ernährung, weniger Screentime, mehr Entspannung… Wir alle kennen Dinge, die uns nicht gut tun und die wir am liebsten für immer hinter uns lassen würden. Und das von heute auf morgen. Der Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch: So einfach ist es nicht, alte Gewohnheiten zu verändern. Oder sie gar zu löschen. Spoiler: Das ist gar nicht möglich. Hat sich ein Verhalten erst einmal in unser Gehirn eingebrannt, wird dieses über viele Jahre, ja oft sogar Jahrzehnte überdauern. Doch, und das ist die gute Nachricht: Wir können neue Verhaltensweisen aufbauen - wir können lernen, in stressigen Situationen zum Apfel statt zur Zigarette zu greifen, wir können mehr Bewegung in unseren Alltag einplanen und so die eingeschlichenen Muster überwinden und wir können uns dazu entschließen, uns endlich wirklich gesund zu ernähren, um unserem Körper etwas Gutes zu tun.
Ein spannender Podcast hat mich dazu gebracht, wieder mehr über das Thema Verhaltensveränderung nachzudenken. Als Verhaltenstherapeutin bin ich ja quasi Experten dafür, ungeliebte Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern. Im Therapiealltag passiert es jedoch erstaunlich selten, dass Klient:innen mich für diese Veränderung um meine Unterstützung bitten. Ich denke, das passiert ganz automatisch nebenbei. Ich gebe direkt im Therapieverlauf die Tipps weiter, die meine Klient:innen brauchen, um ihre Ziele zu erreichen. Die Veränderung ihrer Verhaltensmuster ist die Grundlage dafür, dass sie ihr Leben verändern können. Und gerade jetzt, Ende Jänner, ist es sinnvoll, noch mal ein paar Tipps zu geben, um die guten Vorsätze auch wirklich in die Tat umsetzen zu können.
In seinem Buch “The Power of Habit” beschreibt Charles Duhigg ganz simpel, wie unsere Verhaltensmuster funktionieren - jene, die wir gerne mögen ebenso wie die, die uns nicht gut tun. Schritt für Schritt erklärt der Bestseller-Autor wie wir alte Gewohnheiten hinter uns lassen.
Change might not be fast and it isn’t always easy. But with time and effort, almost any habit can be reshaped.
Duhigg erklärt sehr anschaulich, wie unsere Verhaltensweisen im so genannten Cue-Routine-Reward-Loop abgespeichert sind. Beinahe alle Verhaltensweisen folgen diesem Muster.
CUE - also ein Hinweisreiz. Vielleicht kennst du ja das Muster, in stressigen Momenten gerne zu einem “Seelentröster” zu greifen. Sei es der Schokoriegel oder die Zigarette, beides führt dazu, dass wir uns besser fühlen - zumindest für einen bestimmten Moment. Der Griff zum Süßkram oder zur Glimmstängel beginnt meist mit einem Reiz. Dieser kann in der Außenwelt liegen - Klassischerweise etwas, was wir unbewusst wahrnehmen wie eine Werbung, eine Zigarettenschachtel, ein Aschenbecher, eine Packung Schokobonbons in der Kaffeeküche. Diese Trigger sagen unserem Unterbewusstsein: “Ah, ja, das wäre jetzt gut!”. Und schon sind wir mitten drinnen im Verhaltensloop. Ein Cue kann auch in uns selbst liegen - wenn du dich gestresst, angespannt, verärgert, gelangweilt, unsicher, unmotiviert… fühlst und dein Organismus die Erfahrung gemacht hat, dass Süßes oder Nikotin (zumindest kurzfristig) helfen kann, dann werden diese Emotionen dazu führen, dieses Verhalten zu wiederholen.
ROUTINE - also die Verhaltensweise an sich mit allem, was dazu gehört. Du gehst weg vom Arbeitsplatz, nimmst vielleicht noch die Kollegin mit, quatscht über den nervigen Chef, holst dir noch eine Tasse Kaffee zum Schokoriegel oder zur Zigarette. Genau so, wie du es schon x-Mal getan hast. Genau so, wie du es eigentlich nicht mehr tun wolltest. Aber diese verflixten Muster sind so hartnäckig. Warum eigentlich?
Daran sind die REWARDS, also die jeweilige Belohnung, schuld. Sobald du zur Zigarette greifst oder dich in Richtung Naschlade aufmachst, wird in deinem Körper in freudiger, konditionierter Erwartung bereits das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet. Nikotin und Zucker wirken unterschiedlich, jedoch beide biochemisch und innerhalb von Millisekunden. Sie geben uns kurz das Gefühl von Entspannung, mehr Energie und sind eine willkommene Exit-Möglichkeit von unangenehmen Situationen. Kein Wunder also, dass sie dazu führen, dass wir ein Verhalten immer und immer wieder ausführen.
Viele Menschen stellen sich vor, dass sie ungeliebte Verhaltensweisen einfach löschen können. Das ist laut neurobiologsichen Forschungen (und langjähriger Praxiserfahrung) leider nicht möglich. Unser Gehirn ist seit Jahrtausenden darauf programmiert, erlernte Muster immer schneller und effizienter abzuspulen. Das spart Zeit und Energie. Die gute Nachricht lautet: Du kannst alte Muster verändern, indem du neue Wege baust - das passiert übrigens wirklich, denn in deinem Gehirn bahnen sich neue Nervennetzwerke, die dazu führen, dass du zum Apfel statt zum Schokoriegel oder zum Lolli statt zur Zigarette greifst.
Wie du alte Muster wirklich veränderst
Der erste Schritt liegt in der Beobachtung nach dem Muster: Welcher CUE führt zu welcher ROUTINE und bringt welchen REWARD?
Dann kannst du kreativ werden und dir überlegen, wie du die jeweiligen Faktoren verändern kannst.
Bei CUE wäre dies etwa, Hinweisreize rund um dich zu vermeiden, also alles, was dich ans Rauchen erinnert, aus deinem Sichtfeld zu bringen oder die Naschlade gleich mit gesünderen Snacks zu bestücken. Für deine unangenehmen Emotionen kann es hilfreich sein, alternative Techniken zum Spannungsabbau zu finden - Atemtechniken, Shake & Dance oder ein paar Liegestütz sind simple und lustige Möglichkeiten, um aus Anspannungszuständen zu kommen, ohne sich mit Zucker oder Nikotin zu betäuben.
Durchbrich die ROUTINE indem du zB einen Freund anrufst (der in deinen Plan eingeweiht ist und dir als emotionale Stützte dient) oder lege dir Nüsse, einen köstlichen Proteinsnack oder deinen Lieblingstee zurecht, um eine Alternative zu Süßigkeiten oder Zigaretten vorzufinden. Planung ist hierbei schon die halbe Miete!
Verändere die REWARDS, also die Belohnungen. Selbstlob ist sehr wohltuend, auch das Teilen deiner Erfolge, seine sie noch so klein, mit anderen, motiviert zum Dranbleiben. Jeder Moment ist dein Coach, sagt der Verhaltensexperte Jens Corsen. Du wirst immer besser und schon bald wird es dir gelingen, deine neue Verhaltensweise mit Leichtigkeit umzusetzen.
The Power of Habit by James Clear
Eine modifizierte Variante des Verhaltensloops ist übrigens das Modell von James Clear. Der Erfolgsautor des Buches “Atomic Habbits (zu deutsch: Die 1 % Methode) zeigt uns ein ähnliches Modell wie Duhigg, jedoch mit vier Schritten. So wie bei Duhigg (und allen bewährten Modellen über menschliches Verhalten) beginnen automatische Muster mit
einem Reiz.
Anders als Duhigg hat James Clear beschreibt den Faktor Anspannung als eigenen Punkt. Und das macht durchaus Sinn. Denn erst durch einen bestimmten Grad an Anspannung wird ein Reiz so interessant. Wir sind täglich zigtausenden Reizen ausgesetzt und nur ein Bruchteil davon führt zu einem bestimmten Verhalten. Nur jene Dinge, die in uns Spannung auslösen, motivieren uns dazu, etwas Bestimmtes zu tun. Nur wenn du den Duft von Kaffee (Reiz) vorfreudig reagierst und dich ganz unweigerlich auf die nächste Tasse freust (Spannung - Craving baut sich auf), wirst du im
Schritt auch aufstehen und die Kaffeemaschine einschalten, die Tasse darunter stellen und den Knopf drücken - ganz automatisch, einem x-fach zuvor durchlebten Muster folgend. Und wenn du dann die Tasse zu deinen Lippen führst, den ersten Schluck genießt, wenn das Koffein kickt und du dich somit aus einer stressigen Situation “gerettet” hast oder dich vor deiner To-Do-Liste drückst, dann wird der Habbit-Loop geschlossen und schon bist du bei
der Belohnung. Dein Organismus merkt sich: “Ah, das tut gut, das mach ich nächstes Mal einfach wieder genau so.”
Vier Schritte zum neuen Leben
Auch in meiner Podcast-Folge zu diesem Beitrag erzähle ich dir, wie du dieses Modell anwenden kannst, um dein Verhalten zu verändern. Am besten gelingt das übrigens, wenn du das alte Muster (zB unregelmäßiges Essen mit wenig Nährstoffen) nach und nach reduzierst und zugleich dein neues, wohltuendes Muster (regelmäßig, ausgewogen und somit gesund Essen, voll Genuss und Achtsamkeit) nach und nach so oft wiederholst, bis es selbstverständlich wird.
Drucke dir gerne die Vorlage des Habitloops zwei Mal aus. Eine Version dient dir dazu, dein ungeliebtes Verhaltensmuster zu beobachten. Erforsche über zumindest eine Woche lang, wie deine ungeliebten Verhaltensweisen konkret aussehen - alle vier Schritte hängen zusammen und verstärken sich gegenseitig. Sei neugierig und beobachte, welche Reize dazu führen, dass du in den negativen Habitloop kommst. Nach ein paar Tagen wirst du ein bestimmtes Muster erkennen. Jetzt bist du bereit, das Verhalten zu verändern - überlege dir, an welchem der Punkte du am besten ansetzen kannst, um aus dem automatischen Muster auszusteigen. Dann nimm dir das zweite Blatt und überlege, beginnend bei Punkt 3 Verhaltensmuster, wie dein gewünschtes Verhaltensweise aussieht. Möglichst konkret. Nun geht es darum, die anderen Punkte sinnvoll zu füllen.
In der Podcastfolge erzähle ich dir anhand eines konkreten Beispiels, wie die das gelingen kann.
Ein hilfreicher Trick ist für mich übrigens, eine neue Verhaltensweise nur für 24 Stunden aufrecht zu erhalten - diese Zeitspanne ist für unser Gehirn viel leichter zu überblicken als mehrere Tage oder gar Wochen. Wenn du dann einen Tag geschafft hast, dich gesund zu ernähren, nicht zu rauchen oder weniger am Handy zu hängen, dann lobst du dich dafür, freust dich über deine Stärke und versuchst es gleich noch mal für 24 Stunden… So werden aus Tagen Wochen, aus Wochen Monate und damit ist der Weg zur nachhaltigen Veränderung deiner ungeliebten Muster geebnet.
Hast du Fragen oder Anregungen? Ich freue mich über deine Nachricht auf den Sozialen Kanälen oder an contact@bodymindtherapie.com.
Hier findest du den Link zu einem spannenden Blogbeitrag von Charles Duhigg. Und das Video zum genialen Podcast von Steven Barlett, der zu meinen Lieblingspodcasts gehört!
Du hast doch alles, wieso bist du nicht einfach glücklich?
Solche Worte tun weh, vor allem dann, wenn es uns eh schon schlecht geht. Auch beliebt: „Schau mal wie schlecht es anderen geht, was regst du dich auf?“ Oder besonders nett: „Du hast zu wenig zu tun, sonst würdest du gar nicht auf solche Gedanken kommen!“ Aussagen wie diese können verdammt schmerzhaft sein. Sie sorgen dafür, dass wir uns nicht verstanden fühlen, dass wir an uns selbst zweifeln und die kritische Stimme in uns, die ohnehin daran zweifelt, dass wir „wirklich“ irgendwas haben, in ihrer Meinung noch gestärkt wird.
Schlechte Tage gehören zum Mensch-Sein
Wir alle haben doch mal Tage, an denen wir nicht zufrieden sind, an denen es uns nicht gut geht, an denen wir an uns und der Welt zweifeln und oft gar nicht wissen wieso. Wir sind deprimiert, niedergeschlagen, erschöpft oder hoffnungslos (oder alles zusammen). Die Frage nach dem Warum ist dabei in den wenigsten Fällen hilfreich, auch wenn wir Menschen unweigerlich damit beginnen, nach Ursachen für unser Befinden zu suchen. Unser Denkhirn, der so genannte Präfrontalcortex hinter unserer Stirn, ist darauf programmiert, sich die Welt rational und logisch zu erklären. Dabei gibt es leider viele Situationen, die sich der direkten Logik entziehen. So ist es meistens mit unserer Stimmung. Wenn wir schlecht drauf sind, kann das daran liegen, dass wir gerade unter einer bestimmten Situation leiden: Das Wetter, der Blick auf den Kontostand, die To-Do-Liste für die nächste Woche, die ewig gleichen Beziehungskonflikte.. all das raubt uns die gute Stimmung, die wir so gerne haben. Wenn es aber keine direkten „Auslöser“ für unsere deprimierte Gemütslage gibt, machen wir uns auf die Suche und verzweifeln dann, weil wir nichts finden, das wir für unseren negativen Zustand verantwortlich machen können.
Schutzreaktion: Dein Gehirn denkt am liebsten negativ
Neurobiologische Forschung zeigt: Wir leben zu 95 Prozent unbewusst! Diese Zahl schockiert mich selbst immer wieder, ich kann ja kaum glauben, dass nur fünf Prozent meines Denkens und Fühlens bewusst und aktiv abläuft, während mich mein Unbewusstes steuert. Doch diese Zahlen zeigen uns, wieso Menschen es oft so schwer mit uns selbst haben: Es gleicht schon einer Herkulesaufgabe, sich ständig zu bemühen, vernünftig, logisch und rational zu sein, in einer inneren Welt, die zu 95 Prozent emotional gesteuert und damit irrational ist.
Endlich glücklich sein
Die gute Nachricht: Wir können unser Bewusstsein und damit die Kontrolle über uns und unser Leben erweitern. Wir können unsere fünf Prozent stärken und trainieren, ähnlich einem Muskel. Dafür brauchen wir drei Schritte:
Wir dürfen lernen, uns zu beobachten. Ich liebe diese Momente, in denen mir meine Klient:innen erzählen: Ich habe es geschafft! Ich habe genau beobachtet, wie der negative Gedanke gekommen ist und wie ich mir gesagt hab - „Hey, das ist nur ein Gedanke, das bin nicht ich!“
Wir dürfen geduldig mit uns selbst sein. Unser Gehirn, das untrennbar mit unserem Körper verbunden, den Großteil unseres Erlebens, Fühlens und Denken steuert, ist Jahrmillionen alt. Es unterscheidet sich in seiner Struktur und Funktionsweise kaum von dem unserer Vorfahren vor Jahrmillionen und hat vor allem ein Ziel: Überleben! Das bedeutet, es ist ein Experte in ängstlichem, negativen Denken, es sieht von Natur aus mal lieber schwarz und merkt sich negative Erlebnisse besonders gut. Kein Wunder: Positives Denken hätte unsere Vorfahren weder vor Hungersnöten noch vor Säbelzahntigern oder befeindeten Völkern beschützt. Unsere Vorfahren mussten immer vom Schlimmsten ausgehen, um in einer bedrohlichen Welt zu überleben. Wir leben erst seit wenigen Jahrzehnten in einer relativ sicheren Welt - viel zu wenig Zeit für unsere Gehirnstrukturen, um sich nachhaltig zu einem positiveren Organ zu verändern.
Wir dürfen uns immer wieder ganz bewusst dafür entscheiden, was uns gut tut: Welche Gedanken sorgen dafür, dass ich mich gut fühle? Welche Gefühle brauchen mehr Raum? Welches Bedürfnis habe ich gerade? Wenn uns das gelingt, erweitern wir unsere Kontrolle über unsere Gedanken und Gefühle, werden aktive Gestalter unseres Lebens, anstatt passiv darauf zu hoffen, dass wir einen „guten Tag“ haben.
Das schöne daran: Diese Prozesse sind ein Training und wir werden besser darin, je öfter es uns gelingt, unsere Gedanken und Gefühle zu beobachten, uns für die wohltuenderen Gedanken zu entscheiden und kritische Gedanken genau das sein zu lassen - negative Worte, die uns durchs Gehirn schwirren, aber in den allermeisten Fällen nicht der Wahrheit entsprechen. Sie werden erst dann zur Wahrheit, wenn wir sie glauben. Und dann setzten sie sich in uns fest und machen uns das Leben schwer.
In aller Kürze: Schlechte Stimmung und negative Gedanken gehören zum Mensch-Sein einfach dazu. Wir können nicht verhindern, dass unser Gehirn negativ denkt und uns damit den Tag erschwert. Doch wir können üben, diese Gedanken zu erkennen und immer wieder aus ihnen auszusteigen. So entstehen auch in unserem Gehirn neue Wege - positive Autobahnen, die in Richtung positiver Stimmung führen, anstatt uns im ewig gleichen, negativen Loop festzuhalten.
Hilfe zur Selbsthilfe : Wenn du immer wieder unter depressiver Verstimmung oder leichten Depressionen leidest, dann ist mein Programm zur angeleiteten Selbsthilfe genau das Richtige für dich.
Warum bin ich so negativ?
Wenn du endlich positiver werden möchtest und mit negativen Gedanken besser zurecht kommen willst, dann ist diese Übung sehr hilfreich!
“Ich möchte endlich positiver denken!”
“Ich möchte diese schlechten Gedanken loswerden!”
“Ich will mir endlich keine Sorgen mehr machen!”
Mit solchen Sätzen kommen viele Menschen in meine Praxis. Sie haben es satt, ständig von ihren negativen Mustern runtergezogen zu werden und wünschen sich hilfreiche Techniken, um endlich gelassener, positiver und zuversichtlicher zu werden. Der erste Schritt zur Veränderung ist immer das Verstehen, wieso wir uns so verhalten, wieso wir so denken oder fühlen, wie wir es eben tun. Wenn du von negativen Gedanken geplagt wirst, dann geht es dir wie ganz vielen Menschen.
Ein kleiner Ausflug in die Steinzeit
Kein Wunder: Wir sind von Natur aus darauf geprägt, besonders vorsichtig und kritisch zu sein. Angst ist unsere stärkste Emotion. Denn in den vergangenen Jahrmillionen sind wir Menschen vom Gejagten zum Jäger geworden. Unsere Vorfahren haben knapp zwei Millionen Jahre gebraucht, um nicht mehr hinter den Geiern in der Nahrungskette zu stehen. Erst durch bahnbrechende Entdeckungen wie das Feuermachen und die Weiterentwicklung des Gehirns gelang es dem Menschen, an die Spitze der Nahrungskette zu klettern. Das ging wiederum relativ schnell - innerhalb von “wenigen” tausend Jahren sind wir von den Gejagten zu Jägern geworden. Aus evolutionsbiologischer Sicht haben wir uns so schnell verändert, dass wir von unserer neuen Rolle komplett überrumpelt wurden. Der Historiker und Erfolgsautor Yuval Nahari (Sapiens ist übrigens eine absolute Empfehlung - als klassisches Buch ebenso wie als Hörbuch oder als coole Graphic Novel!) sieht in dieser raschen Entwicklung sogar den Grund für den ewigen Machtkomplex und die Angst vorm Scheitern, die uns Menschen dazu führt, andere auszugrenzen und sogar Kriege anzuzetteln.
Photo by Crawford Jolly on Unsplash: Wir gleichen Steinzeitmenschen im Anzug. Unser Gehirn funktioniert heute noch so wie vor 10 000 Jahren.
Unsere Basisemotionen nach Ekman: Negativ, negativ, negativ …
Aber zurück zu deinen negativen Gedanken. Von den sechs kulturübergreifenden Basisemotionen, die der Psychologe Paul Ekman als allgemein gültig bezeichnete, sind die meisten negativ! Nämlich vier von sechs. Die Neugierde ist quasi neutral und die Freude ist das einzig positive Gefühl, das wir Menschen empfinden können. Das klingt schon ziemlich negativ, lässt sich aber sehr gut erklären: Hätten unsere Vorfahren den Großteils des Tages glücklich, gelassen und ohne Angst gelebt, dann wäre die Menschheit bestimmt längst ausgestorben. Denn der Mensch, der vor Jahrtausenden lebte, war umgeben von Gefahren. Eine Unachtsamkeit konnte damals den Tod bedeuten. Deshalb waren unsere Vorfahren echte Experten darin, ständig auf der Hut zu sein und alles Negative sofort aufzuspüren. Außerdem konnten sie sich nicht darauf verlassen, einfach im nächsten Supermarkt ihre Nahrung zu finden. Sie mussten für die Zukunft vorsorgen und sich dahingehend Gedanken machen. Heute leiden viele Menschen unter diesem biologischen Erbe. Denn unser Gehirn hat sich in dieser aus historischer Sicht “kurzen” Zeitspannen von wenigen tausend Jahren kaum verändert.
Evolutionsbiologen sehen in dieser spannenden Tatsache einen Grund dafür, dass wir heute so stark auf Negatives fokussiert sind und es uns viel leichter fällt, alles Schlimme und Belastende in unserem Leben zu sehen als die guten Seiten. Ein weiterer Faktor ist auch die Summe unserer Erfahrungen, die wir von Kind an gemacht haben. Wenn wir unsere Eltern oder andere wichtige Bezugspersonen dabei beobachtet haben, wie sie mit Angst, Sorgen oder in einer anderen Art “negativ” auf schwierige Situationen reagiert haben, dann kann es leicht passiert sein, dass wir diese Reaktionen unbewusst nachgeahmt haben und sie so als automatische Muster abgespeichert haben.
Lerne positiv zu denken
Die gute Nachricht lautet: Wir können uns verändern, von Tag zu Tag! Der erste Schritt zur Veränderung ist das Beobachten unserer eigenen Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen. Danach können wir uns ganz bewusst dazu entscheiden, nicht wieder mit dem automatischen negativen Muster zu reagieren. Wir können die negativen Gefühle und Gedanken erkennen und achtsam aus der Abwärtsspirale aussteigen. Das gelingt dir etwa, in dem du regelmäßig den Bodyscan oder den Atmemraum (oder andere Achtsamkeitsübungen) durchführst und dann in der kritischen Situation anders reagierst. Hier kommt die positive Psychologie ins Spiel. Wir wissen aus Forschungen von Martin Seligman, Barbara Fredrickson und ihren Kollegen, dass unsere Gedanken unser Leben stark beeinflussen. Wenn wir uns immer wieder ganz bewusst für positive und wohltuende Gedanken entscheiden, verändern wir unsere Stimmung, unsere Gesundheit und so auch unser Leben nachweislich zum Positiven. Das gelingt etwa, in dem du
deine negativen Gedanken und Glaubenssätze beobachtest und diese dann
neu in positiver bzw. wohltuender/stärkender Art und Weise formulierst.
Dabei geht es nicht darum, alles Schlechte blauäugig ins Gute umzuformen. Diese sehr naive und unreflektierte Sichtweise wird der Komplexität unserer menschlichen Existenz nicht gerecht. Vielmehr können wir uns immer wieder entscheiden, negative Gedanken, die uns einfach nicht gut tun, zu hinterfragen und sie entweder ins Positive ODER in eine wohltuendere = stärkende Form zu bringen.
Da kann etwa der negative Glaubenssatz “Immer passiert mir etwas Schlimmes” kaum in “ich habe immer nur Glück” umgeformt werden. Darin verbirgt sich pure Verleugnung, denn wenn wir ganz ehrlich zu uns selbst sind, gehören Herausforderungen genauso zu unserem Leben wie die schönen Momente. Daher wäre es sinnvoller, den Satz beispielsweise in “Ich kann gut mit Herausforderungen umgehen” umzuformen. Durch diese kleine Veränderung kommst du sofort aus einer passiven Opferrolle in eine aktive Haltung, die zeigt, dass du die Herausforderungen des Lebens akzeptierst und davon überzeugt bist, dass du sie meistern kannst.
Photo by sydney Rae on Unsplash
Übung gegen negative Gedanken
Probiere es selbst aus! Notiere dir über eine Woche lang die negativen Gedanken, die dir durch den Kopf gehen. Beobachte auch, in welchen Situationen sie auftreten. Suche dir dann einen dieser Sätze aus, schreibe ihn auf ein Blatt Papier und nimm dir Zeit, um den Satz positiver oder wohltuender/ stärkender formulierst. Lass dir dabei ruhig Zeit und Probeire aus, ob der neu formulierte Satz wirklich zu dir passt. Das ist nämlich essentiell, damit du auch wirklich damit arbeiten kannst. Wenn du deinen positiveren bzw. stärkenden Satz gefunden hast, dann gilt es nun, ihn dir gut zu merken. Das gelingt am besten, indem du ihn mehrmals täglich liest. Dabei kann dich ein Post-It am Schreibtisch, eine (oder mehrere!) Erinnerungen am Smartphone oder ein Termin im Kalender, der als Beschreibung diesen positiven Satz hat, unterstützen. Die Idee hinter dieser Übung liegt darin, dass du dir selbst umprogrammierst. Denn egal ob nun die Gene unserer längst verstorbenen Vorfahren oder die negativen Muster deiner eigenen Familie dafür verantwortlich sind, dass du unter deinen negativen Gedanken leistet - du benötigst Training, um diese Muster endlich zu durchbrechen. Je öfter du dir diesen neu formulierten Satz einprägst, umso schneller wird er in deinem Gehirn abgespeichert und kann im Ernstfall dann als neue Reaktion auf Herausforderungen abgerufen werden. So gelingt es dir, aus dem Teufelskreis aus negativen Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen auszusteigen und dein Leben endlich positiver zu leben!
Ich wünsche dir viel Freude beim Entdecken, Ausprobieren und Ausprobieren!
Hier findest du eine Vorlage zur Gedankenbeobachtung.
Hilfreich und simpel: Einfache Ressourcenübung
Jeder Mensch hat Ressourcen - mit dieser einfachen Übung machst du dich auf die Entdeckungsreise nach dem, was dir gut tut.
Jeder Mensch hat Ressourcen. Je mehr wir bei uns selbst sind, je ausgeglichenerer wir sind, je eher wir Zeit und Raum für uns selbst finden, desto mehr spüren wir unsere Ressourcen. Umgekehrt fühlen wir uns oft, als hätten wir überhaupt nichts, was uns noch gut tut, wenn wir gestresst, überfordert oder von uns selbst getrennt sind.
Was sind Ressourcen und woher kommen Sie?
Um die Suche nach den eigenen Ressourcen zu starten, sehen wir uns erstmal die Antwort auf die Frage an: Was sind eigentlich Ressourcen?
Vereinfacht gesagt all die Dinge, Erlebnisse, Menschen, Tiere, Erinnerungen… die uns gut tun. All das, was uns Kraft gibt. Alles, was uns stärkt.
Ressourcen nähren unser Gefühl von mentalem, körperlichen oder spirituellen Wohlbefinden.” (Peter Levine)
Das können innere oder äußere Ressourcen sein:
Zu den inneren Ressourcen gehören unsere Persönlichkeit mit Fähigkeiten wie Ausdauer, Stärke, Lebensfreude, Intelligenz in ihren unterschiedlichen Formen (kognitive, emotionale, sportliche… Intelligenz), Weisheit, Stabilität.
Außerdem haben wir auch starke Anteile, die wir von klein auf mitbekommen haben. Ich sage oft zu Eltern, die zu mir in die Praxis kommen: “Stellen Sie sich vor, Sie füllen das Konto Ihrer Kinder. Je mehr sie darauf emotional “einzahlen”, umso leichter wird ihr Kind es später im Leben haben. Je mehr sie davon “wegnehmen”, umso schwieriger ist es - die jungen Erwachsenen starten dann mit einem Minus. Wie mühsam es ist, wieder ins “Plus” zu kommen, weiß jeder, der schon mal im “Minus” war.”
Äußere Ressourcen können andere Menschen, unsere Familie, die Natur, eine spirituelle Praxis, eine Religionsgemeinschaft, eine politische Zugehörigkeit, der Beruf, Sport, Musik, Tanz oder auch Kunst sein. Kinder, die sehr wenige Ressourcen mitbekommen, finden machmal einen Baum, ein Tier oder einen Fantasiefreund, um besser durch schwierige Zeiten zu kommen.
Übung für die Ressourcenfindung
Nimm ein Blatt Papier und falte es in der Mitte
Schreibe auf eine Spalte “Innere Ressourcen”, auf die andere “Äußere Ressourcen!
Nun beginne, ganz intuitiv, die Liste auszufüllen. Diese Liste ist keinesfalls vollständig, du kannst sie im Laufe der nächsten Tage, Wochen, Monate, Jahre… ergänzen.
Diese Liste ist auch eine Bestandsaufnahme, die dir zeigt: Welche Ressourcen fehlen mir? Was möchte ich verändern? Wenn du etwas bemerkst, dass du wenige soziale Kontakte hast, dann könntest du dich zB bei einer Yogagruppe oder einer Meditationsgruppe anmelden - dies ist heutzutage auch schon online sehr gut möglich!
Ich wünsche dir viel Freude beim Entdecken und Ausprobieren!
Meine TOP 5 Affirmationen
Ich bezeichne Affirmationen gerne als “positives Selbstmarketing”. In diesem Beitrag zeige ich dir meine liebsten Affirmationen und erzähle dir auch, warum mir gerade diese Sätze so gut tun.
Affirmationen sind positive Sätze, die wir uns regelmäßig notieren sollen und sie im Idealfall auch laut aussprechen. Durch Affirmationen programmieren wir unser Unterbewusstsein (durch das Aufsteigende Retikuläre System im Hirnstamm) auf deren Inhalt. Für mich selbst zählen Affirmationen seit vielen Jahren zu meinen liebsten Selbstentwicklungs-Tools. Es ist so einfach, sich damit zu beschäftigen. Im Idealfall schreibst du dir täglich deine positiven Sätze in ein Journal - wie viele ist Geschmacksache, schon ein Satz kann reichen, mehr als fünf würde ich dir nicht empfehlen. Sei kreativ! Du kannst dir die Affirmationen auch als Skizzen in dein Tagebuch zeichnen. Du hast kein Journal? Das kenne ich - manchmal finde ich meines gerade nicht, die letzte Seite wurde bereits vollgeschrieben oder ich bin ohne Journal im Urlaub. Kein Problem - ich habe schon auf leere A4-Zettel, alte Rechnungen aus meiner Geldbörse oder Etiketten von Flaschen gejournaled.
Besonders hilfreich sind Affirmationen auch, wenn du sie dir gut sichtbar etwa auf ein PostIt schreibst und am Kühlschrank, im Auto oder am Schreibtisch aufhängst. So wirst du ganz unbewusst immer wieder daran erinnert, was dir gut tut.
Ich bin sicher.
Dieser Satz stärkt mein Grundbedürfnis nach Sicherheit und hilft mir, besser mit Ängsten und Sorgen umzugehen, die unweigerlich immer wieder dann auftauchen, wenn neue Herausforderungen auf mich zu kommen.
Ich bin genug.
Früher drehte sich bei mir alles um den Vergleich: Mit anderen Menschen aber vor allem auch mit mir selbst und der vermeintlich “perfekten” Version meiner selbst. Das war extrem anstrengend. Ich habe gelernt, dass ich genug bin, so wie ich bin - heute, gestern, morgen. Diese Affirmation hat mir dabei sehr geholfen und tut mir immer gut, wenn sich die “alte” selbstkritische Stimme wieder meldet.
Ich gebe HEUTE mein Bestes, und das ist gut genug.
Oh, dieser Leistungsdruck. Ich war früher ein Mensch, der beim Wort “Erschöpfungsstolz” zufrieden schmunzelte. Und ja, ich habe vieles erreicht, indem ich einfach blind auf meine sehr hoch gesteckten Ziele zugelaufen bin. Irgendwann war mir alles zu viel. Daher bin ich sehr dankbar dafür, das Leistungs-Ich gezähmt zu haben und es heute kontrolliert von der Leine zu lassen. So erreiche ich meine Ziele, aber nicht mehr mit Druck und Vollgas, nicht mehr um jeden Preis, sondern so, wie es mir gerade gut tut. Diese Affirmation erinnert mich immer wieder daran, dass ich bereits gut genug bin, unabhängig davon, was ich leiste, erreiche oder eben nicht leiste und nicht erreiche. Das HEUTE habe ich selbst ergänzt, weil die eigene Leistungsfähigkeit ja jeden Tag schwankt - manchmal schaffe ich drei Blogbeiträge und eine Podcastfolge nach einem langen Praxistag… an anderen Tagen ist es schon eine Leistung, den Geschirrspüler auszuräumen.
Ich darf alles wollen, was ich will.
Dieser Satz fällt mir heute noch schwer. Warum das ist so ist, erklärt ein Blick in meine Biografie: Nach der Scheidung meiner Eltern (ich war damals 3 Jahre alt) wurde meine Mutter zur Alleinerzieherin, die darauf folgenden Jahre waren geprägt von existenzielle Sorgen und dem Gefühl der ständigen Bedrohung. Als Kind lernte ich schnell, dass es wichtig ist, sich nichts zu wünschen. Dieses Muster habe ich noch viele Jahre in meinem Erwachsenenleben mitgenommen. Bis heute fällt es mir schwer, mir ganz selbstverständlich etwas zu kaufen oder einen Wunsch ohne einem inneren “muss das wirklich sein”??? zu äußern. An sich ist ja nichts falsch daran, wenig zu kaufen und nicht überheblich zu werden. Zugleich habe ich aber gemerkt, dass es mir nicht gut tut, mich selbst ständig klein zu halten aufgrund eines Überlebensmusters, das längst nicht mehr von Nöten ist. Diese Affirmation hilft mir dabei und ich bin so fasziniert davon, dass bisher (im Februar 2022) ALLE, ja wirklich ALLE meine Wünsche in Erfüllung gegangen sind.
Ich bin ein Teil der Unendlichkeit.
Dieser Satz erfüllt mich mit Wärme und Geborgenheit. Wir Menschen haben ein Grundbedürfnis nach Bindung und sozialer Zugehörigkeit. Die Idee, im Universum eingebunden zu sein, tut mir so gut! Ich werde dadurch sogleich aus dem Ego-Modus geholt, der mir ängstlich und schwarz-weiß-denkend die schlimmsten Dinge einredet… Der mich trennt von anderen, der mich ins Negative abdriften lässt… Durch die Vorstellung, dass wir alle verbunden sind, dass wir alle aus den Atomen des Universums bestehen, alle davon kommen und alle dahin zurück gehen, im ewigen Kreislauf des Lebens (hallo König der Löwen..!) stärkt mich gerade in schwierigen Zeiten sehr. Der Satz nimmt so viel Druck von mir - den Druck, alles hinkriegen zu müssen in der Begrenztheit des eigenen Lebens, das im Idealfall noch fünf bis sechs Jahrzehnte dauert, aber auch im nächsten Augenblick vorbei sein kann.
Warum mache ich mir ständig Sorgen?
In diesem Beitrag erzähle ich dir davon, wie mich meine eigenen Ängste und Sorgen zu meiner Berufung geführt haben.
Warum denke ich ständig an die Zukunft? Warum grüble ich ständig? Warum kann ich den Moment nicht einfach genießen?
Wenn du auf diesen Artikel gestoßen bist, dann hast du dir diese Fragen bestimmt schon oft gestellt. Und es geht dir damit wie so vielen Menschen! Ich selbst erinnere mich noch zu gut an die Zeit, in der ich permanent im Gedankenrad gefangen war. Morgens, schon bevor ich meine Augen geöffnet hatte, begann sich das Rad zu drehen… Und bei allen Alltagsaktivitäten, in der Schule, während dem netten Gespräch mit der besten Freundin, bei der Laufrunde… meine Gedanken kamen einfach nicht zur Ruhe. Für mich war es damals schon zur Normalität geworden, ständig zu denken. An das, was kommen würde, an das, was alles schief gehen könnte, an die nächste große oder kleine Katastrophe. Erst ein Gespräch mit meinem Mann (damals noch Freund ;)… ist ja beinahe zwanzig Jahre her…!) hat mir die Augen geöffnet. Ganz beiläufig erwähnte er, wie sehr er das Laufen genieße, weil er dabei einfach mal “den Kopf ausschalten” konnte. Ich war komplett erstaunt! Bis dahin hatte ich nicht darüber nachgedacht, dass so ein Zustand möglich sei. Ein Zustand des Nicht-Denkens, des Nicht-Sorgens, eine Zeit, in der endlich Ruhe im Kopf herrschte. Ja, ich hatte mich schon Jahre davor mit Yoga und Meditationen beschäftigt und wenn ich mich nach den Yogaübungen entspannte, gab es diese ruhigen Momente in meinem Kopf. Doch dazwischen? Im Alltag? Nein, da drehte sich das Rad und kostete mir zunehmend Kraft. Dieses Gespräch motivierte mich - ich war fest dazu entschlossen, auch an diesen Punkt zu kommen. Und begann, mich sehr intensiv mit dem Thema Psychologie, Gedankenkontrolle und dem richtigen Umgang mit Ängsten und Sorgen zu beschäftigen. Ich lernte, woher die Tendenz kommt, sich ständig in Gedanken zu verstricken. Ich las von den Vorgängen in unserem Gehirn, die dazu führten, dass wir ständig in diesem alten, negativen Muster gefangen waren und dass wir mit jedem Mal noch “besser” (im negativen Sinn!) darin wurden, ganz tief in diese Muster zu kommen. Mit jedem Buch, das ich zu diesem Thema las, mit jedem Vortrag, den ich mir anschaute, wuchs meine Begeisterung und meine Motivation. Ich spürte: Ja, ich kann es schaffen, endlich Ruhe im Kopf zu finden! Dann würde ich endlich mehr Energie im Alltag haben, anstatt mich ständig gegen diese kräftezehrenden Gedankenmuster stemmen zu müssen.
Warum leiden wir Menschen unter unseren Gedanken?
Die wohl wichtigste Erkenntnis war damals: Wir alle leiden hin und wieder unter unserem unruhigen Geist. Die Buddhisten sprechen vom “Monkey Mind” und zeichnen das schöne Sinnbild vom “besoffenen Affen, der von Baum zu Baum springt.” Ja, genau so einen Affen (oder eine ganze Affenbande) hatte ich in meinem Kopf sitzen! Ich erkannte also, dass wir Menschen von Natur aus dazu neigen, uns das Leben von unseren Gedanken schwer machen zu lassen. Aber warum ist das eigentlich so?
Angst vor Feinden, Hunger und Tod
Die Evolutionspsychologie geht davon aus, dass wir heute noch genau so funktionieren wie unsere Vorfahren in der Steinzeit. Umgeben von Fressfeinden, drohendem Hungertod und kriegerischen Feinden war es unerlässlich, ständig auf der Hut zu sein. Wenn die Forscher recht haben (und zahlreiche Befunde sprechen dafür), dass leiden wir heute unser dem evolutionären Erbe der damaligen Zeit. Wir scannen quasi ständig unsere Umgebung nach potenziellen Gefahren ab. Und weil wir diese nur ganz selten entdecken, gehen die Gedanken auf die Reise in die Zukunft und finden schon mögliche Gefahren, vor denen wir uns fürchten können.
Die Angst aus längst vergangenen Tagen
Ein weiterer großer Einflussfaktor auf unsere Sorgen und Ängste sind unsere Gene. Wenn du so wie ich in Mitteleuropa lebst, dann bist du sehr wahrscheinlich in zweiter oder dritter Generation mit jemandem verwandt, der einen Krieg miterlebt hat. Für unser Urgroßeltern oder Ururgroßeltern bestand tatsächlich die Gefahr, von Feinden getötet zu werden, an einer Krankheit zu versterben, zu verhungern, zu verdursten… Kurzum, es war bestimmt keine einfache Zeit, in der man sich gemütlich auf die Dachterrasse gelegt hat und mit einem Cocktail in der Hand über die schönen Seiten des Lebens nachgedacht hat. Ich denke dabei immer an ein Experiment, das im Psychologiestudium gerne als Beispiel für den starken Einfluss der Gene auf unser Leben erzählt wird: Wenn man Ratten im Labor immer dann einen Stromschlag verpasst, wenn sie die Farbe Gelb sehen, speichern sie die Farbe Gelb als gefährlich ab. So weit, so logisch. Das Spannende an diesem Experiment zeigt sich jedoch in der nächsten Generation: Die Nachkommen dieser armen Tiere fürchten sich vor der Farbe Gelb, ohne jemals die Erfahrung gemacht zu haben, dass Gelb eine “gefährliche” Farbe ist. Die Natur versucht, uns durch solche vererbten Muster vor Gefahren zu schützen. Wir Menschen leiden oft unter solchen transgenerational weitergegebenen negativen Erinnerungen.
Unsere Vergangenheit bestimmt unsere Zukunft (mit!)
Zu diesen beiden Faktoren spielt natürlich auch unsere eigene Lebenserfahrung eine große Rolle. Ich selbst hatte bis zum damaligen Zeitpunkt mehrere schwierige Phasen miterlebt: Schmerzhafte Trennungserfahrungen, finanzielle Ausnahmesituationen, Erwachsene, die mit ihrem Leben selbst überfordert waren… Als Kinder kommen wir in eine Welt, von der wir noch nichts wissen. Wir beobachten die Menschen um uns herum dabei - allen vor an unsere Eltern und Geschwister - wie sie das Leben leben. Wir lernen durch ihre Reaktion auf schwierige Situationen, wie wir damit umgehen können. Wenn wir Glück haben, machen wir viele positive Erfahrungen. Diese erleichtern es uns, eine positive Sichtweise auf das Leben auszuprägen. Beobachten wir sie jedoch immer wieder dabei, wie sie voll Furcht und Sorge aus Herausforderungen reagieren, ist es wahrscheinlich, dass wir ähnliche Muster abspeichern.
Aaaaber: Die Resilienzforschung zeigt uns, dass wir auch trotz schwierigen Lebensbedingungen (oder gerade durch diese) zu starken Persönlichkeiten werden können. Die Kindheit alleine ist als nicht an allem Schuld ;) Mehr über das Thema findest du unter der Kategorie “Resilienz” und in meinem Online-Kurs “Resilienz & Zuversicht”.
Für mich selbst war diese Erkenntnis extrem wertvoll. Ich begann, mich selbst zu beobachten und erkannte, wie oft ich in “alten Mustern” reagierte, wenn ich voll Sorgen war. Ich spürte, dass manche Gefühle, die sich in meiner Magengegend bemerkbar machten, bereits vor vielen Jahren eingespeichert wurden und jetzt wie ein automatisches Muster aktiv wurden, sobald etwas ungewiss oder bedrohlich für mich war. Diese Selbsterfahrung war so hilfreich für mich und ich bemerkte schon bald, wie viel leichter es mir fiel, aus diesen alten Mustern auszusteigen und ruhiger, gelassener, besser auf schwierige Situationen zu reagieren. Ich spürte auch, wie stark mein persönlicher Stresslevel dazu beitrug, dass ich mich überfordert und ängstlich fühlte. Je mehr ich mich mit mir selbst und “meinen Themen” beschäftigte, desto mehr Freiheit und Kontrolle erhielt ich über meine Gedanken, desto besser konnte ich mit meinen Gefühlen umgehen.
Selbsterfahrung: Stark durch Krisen
Ich bin davon überzeugt, dass alles im Leben, sei es noch so schmerzhaft, seinen Grund hat. Ob dies nun eine allmächtige Gottheit, das Universum, Karma öde das Schicksal (oder alle zusammen?!) steuern, darüber kann ich mir (noch) kein Bild machen. Doch ich für mich finde es so befreiende und zugleich stärkend, auch in schwierigen Situationen darauf zu achten, was ich daraus lernen kann. Im Nachhinein gibt es viele Momente, die zwar eine große Herausforderung waren, mich aber gestärkt haben. Wenn ich etwas ändern könnte, würde ich es nicht tun. So ist das Leben. Da geht es auf und ab. Manches können wir aktiv beeinflussen, ganz oft sind wir jedoch Passagier.
Wir alle erleben Situationen, die uns an den Rand der Verzweiflung bringen. Wir können damit hadern, dagegen ankämpfen, uns ärgern. Doch wenn wir erkennen, was uns diese Aufgabe lehrt, dann können wir gestärkt daraus hervor gehen. Für mich hat diese Zeit genau das bewirkt: Ich habe vieles gelernt: Über uns Menschen, über mich, über meinen Muster. Und ich habe erkannt, wo meine Berufung liegt: In der Psychologie! Ich bin so fasziniert von der Möglichkeit, die eigenen Muster zu erkennen und diese zu verändern, dass ich dieses Wissen und die Techniken dazu voll Freude meinen Klientinnen weitergebe - ob in meiner Praxis oder digital, als Coach, Vortragende oder Psychotherapeutin - ich liebe, was ich tun darf. Jeden Tag!
Wie optimistisch bin ich eigentlich?
Diese offene Bestandsaufnahme hilft dir dabei, zuversichtlicher und optimistischer zu werden.
Die erste Übung für mehr Optimismus: Bestandsaufnahme (Wie optimistisch bin ich?)
Nimm dir ein paar Minuten Zeit und überlege, welche Einstellungen und Erfahrungen du dem Thema „Optimismus“ verbindest. Kommt dir optimistisches Denken bekannt vor oder spürst du im ersten Moment Verwunderung oder gar Abneigung dagegen? Beantworte ganz spontan, ohne viel darüber nachzudenken, diese Fragen:
Bist du ein zuversichtlicher Mensch? Wenn ja, worin zeigt sich das (zB konkrete Situationen)?
Falls nein, welchen „Vorteil“ hat deine pessimistische Einstellung?
Hat du dich schon einmal konkret mit dem Thema Optimismus auseinandergesetzt? Hast du schon einmal versucht, bewusst zuversichtlicher und optimistischer zu sein?
Welche Bedeutung hat Hoffnung für dich?
Was verbindest du mit „einem guten Leben“?
Welche Dinge bereiten dir besondere Freude? Welche Aktivitäten bringen dir ein stärkendes Gefühl, das dir gut tut?
Wenn du drei Wünsche frei hättest, welche wären diese?
Diese Fragen von Resilienz-Expertin Fabienne Berg regen dazu an, Optimismus bewusst in dein Leben zu bringen. Wenn du bei Frage 6. Aktivitäten entdeckt, die dir gut tun, dann versuche, diese öfter in deinen Alltag einzubauen. Sie stärken nachhaltig das Wohlbefinden.
Übung für mehr Optimismus: Das Sonnen-Tagebuch
Gestalte deinen ganz persönlichen Schatz aus deinen Erinnerungen.
Wir Menschen neigen von Natur aus dazu, das Schlechte viel eher zu sehen als das Gute. Das liegt wohl daran, dass wir über Jahrmillionen immer auf der Hut sein mussten, um nicht von kriegerischen Feinden oder gefräßigen Raubtieren getötet zu werden. Heute leiden wir oft darunter, dass uns das Negative viel eher auffällt. „Ich möchte positiver werden“, ist eine der häufigsten Ziele, die Menschen in meine Praxis bringen. Kein Wunder: Von den rund 60 000 Gedanken, die uns Menschen täglich durch den Kopf schwirren, sind mehr als 80 Prozent negativ. Die gute Nachricht lautet: Wir können bewusst üben, das Gute, das Positive, das Wohltuende zu sehen.
Sammle deine schönen Momente
Besorge dir ein schönes Notizbuch. Nimm dir dabei wirklich Zeit, schmökere durch das Geschäft, nimm die unterschiedlichen Bücher zur Hand, fasse das Papier an, sieh dir die Muster ganz genau an und spüre, welches Buch genau zu dir und deinen „Sonnenstunden“ passt. Das Sonnen-Tagebuch soll ein „Sammelsurium an positiven Erfahrungen“ sein, wie Resilienz-Expertin Fabienne Berg diesen selbst gemachten Schatz bezeichnet. Nimm dir auch ein zwei schöne Stifte mit, mit denen du dann deine Erlebnisse und Eindrücke in deinem Sonnen-Tagebuch festhalten kannst.
Gestern, heute, morgen
Dann nimm dir zuhause Zeit und gestalte die ersten Seiten: Vielleicht hast du schöne Fotos, Erinnerungen wie Eintrittskarten oder Postkarten, eine getrocknete Blume oder Ähnliches, das dich an schöne Momente in der Vergangenheit erinnert. Klebe diese Erinnerungen in das Sonnen-Tagebuch und notiere dir in Stichworten, wieso diese Erinnerung so besonders für dich ist. Nun denke an schöne Momente, die dir einfallen. Notiere sie in deinem Sonnen-Tagebuch, gerne mit Daten, den Menschen, die dabei waren und den Gefühlen, die dazu passen. Wenn es für dich passt, kannst du auch gerne eine Farbe wählen, die zu dieser Erinnerung gehört und die Worte damit umrahmen. Bei mir ist es oft ein sonniger Gelbton (wie passend zum Sonnen-Tagebuch) oder ein kräftiges Orange. Sehr gerne werfe ich auch einen Blick auf mein Handy und gehe Nachrichten durch, die mir liebe Freunde, Familienmitglieder oder mein Partner gesendet haben. Botschaften, die mir gut tun, notiere ich mir ebenso gerne in mein Sonnen-Tagebuch: „Du schaffst das!“, „Ich denke ganz fest an dich!“, „Fühle dich gedrückt!“, „Schön, dass es dich gibt.“ Alle diese Botschaften, Erinnerungen und Eindrücke sind wertvolle Schätze, die allzu leicht in Vergessenheit geraten. Wenn du sie in deinem Sonnen-Tagebuch sammelst, hast du dir deinen ganz eigenen Schatz gestaltet. Von nun an kannst du regelmäßig schöne Erinnerungen und kleine Momente der Dankbarkeit in deinem Sonnen-Tagebuch festhalten: Das Vogelgetzwischter am Morgen, die gute Tasse Kaffee, das wohltuende Telefonat mit der besten Freundin…
© Unsplash. Ob Postkarten, Bilder oder ein netter Satz - sammle deine wertvollen Erinnerungen.
Was bringt diese Übung?
Fabienne Berg beschreibt, dass diese Übung deinen Optimismus stärkt, indem du übst:
Das Schöne zu würdigen: Die kleinen Wunder des Alltags werden dadurch bewusster.
Wieder vorwärts zu gehen: Gerade in schwierigen Zeiten neigen wir dazu, im Negativen verhaftet zu sein. Das Sonnen-Tagebuch erinnert uns daran, dass die schönen Seiten ebenso zu unserem Leben gehören wie die schwierigen.
Balance zwischen Schönem und Schlimmen erkennen: Wir erkennen, wie viele schöne Momente der Tage bereit hält, unabhängig davon, wie schwierig es uns gerade fällt, die Herausforderungen anzunehmen. Durch diese Erkenntnis tun wir uns leichter, mit den Schwierigkeiten zurecht zu kommen.
Innere Einstellung zugunsten des Positiven verändern: Wir verändern unseren Blickwinkel und trainieren uns darauf, die guten Seiten unseres Lebens zu sehen. Wir werden darin bestärkt, dass es viel Positives im Leben gibt und wie gut es uns tut, dies zu erkennen.
Mit der Kraft des Positiven verbinden: In der positiven Sichtweise des Lebens liegt ein „enormes Kraftpotenzial“, wie Fabienne Berg es bezeichnet. Dadurch kommen wir unserem Wunsch nach mehr Glück und Zufriedenheit nach, weil wir uns selbst genau diese Momente in den Alltag holen, die uns so gut tun.
Ich wünsche dir viel Freude beim Gestalten deines ganz persönlichen Schatzes. Du musst nicht jeden Tag etwas in dein Sonnen-Tagebuch schreiben - finde deinen Rhythmus! Vielleicht hast du jeden Sonntag Lust, die schönsten Momente festzuhalten? Vielleicht auch nur ein Mal im Monat?
Schnelle Entspannung: Atem-Quickies für zwischendurch
Wenn wir gestresst sind, atmen wir oberflächlich. Durch diese kurzen Übungen entspannst du dich innerhalb von Sekunden.
Körper und Geist sind untrennbar miteinander verbunden. Das wussten schon die alten Römer („Mens sana in corpore sano“ = ein gesunder Geist in einem gesunden Körper). Wir sind – naturwissenschaftlich gesagt - ein Wunderwerk aus biologischen und psychologischen Vorgängen, die perfekt aufeinander eingestimmt sind. Die Natur hat uns mit einer genialen Funktion ausgestattet, die auf körperlicher wie auf psychischer Ebene funktioniert: Die Homöostase. Diese Selbstregulation führt dazu, dass wir uns nach einer anstrengenden Lebensphase oder nach einer Krankheit wieder erholen – sie ist die treibende Kraft hinter unserer Selbstheilung. Wir sind uns gar nicht bewusst, wie oft unser Organismus (die untrennbare Einheit von Körper UND Psyche) immenses leistet und uns zurück ins Gleichgewicht bringt. Meist merken wir erst dann, wenn etwas nicht mehr funktioniert, wie selbstverständlich wir Gesundheit und Wohlbefinden bisher empfunden haben.
Mehr Bewusstsein für Körper und Geist
Die Pandemie hat bei vielen Menschen dazu geführt, sich mehr mit sich selbst und ihrem Körper zu beschäftigen. Vielleicht war es die von uns gerne verdrängte Tatsache, dass wir alle sterblich sind, die uns dadurch unweigerlich näher an uns und die eigene Vergänglichkeit gebracht hat. Unser Körper ist ein Wunder und wenn wir lernen, auf ihn und in uns zu hören, werden wir nicht nur gesünder, sondern auch zufriedener und damit glücklicher – wenn wir uns gut fühlen, geht’s uns auch gut.
Stress, Angst, Schlaflosigkeit als Symptom
In der Praxis ebenso wie in meiner digitalen Beratung erlebe ich immer mehr Menschen, die sich in ihrem Körper nicht mehr zuhause fühlen. Das hat vor allem damit zu tun, dass sie ständig unter den Symptomen leiden, durch die ihnen der eigene Körper das Leben schwer macht: Von Stimmungsschwankungen über Panikattacken, Angstzustände, Herzrasen, Nervosität, Magen-Darm-Probleme bis hin zur gefürchteten Schlaflosigkeit „nervt“ der Körper viele. Das ist natürlich verständlich und komplett nachvollziehbar! Aus ganzheitlicher Sicht ist für mich meist schnell nachvollziehbar, was der Körper mit seinen Hilfeschreien bezwecken möchte. „Es ist mir zu viel. Ich kann nicht mehr. Ich versuche mich anzupassen, aber ich schaffe es nicht mehr.“, sind typische Botschaften, die sich hinter den körperlichen Symptomen verstecken. „Ich mag das Leben, das du uns da antust, so nicht mehr!“, ist einer der Sätze, die ich oft zu meinen Klienten sage. Denn genau diese Botschaft versucht der Körper zu vermitteln, mit allem, was er zur Verfügung hat: Schmerzen, Entzündungen, Dysfunktionen, Allergien, Überforderung bis hin zur Erschöpfung oder dem totalen Zusammenbruch (wenn alles andere nicht „gehört“ wird).
Body-Mind-Medizin vereint Medizin und Psychologie
Mein Weg zu dieser ganzheitlichen Betrachtung wurde durch meine liebe Freundin und geschätzte Kollegin, Dr. Mahtab Saidi-Zecha (Expertin für Vitalmedizin und ganzheitliche Medizin in Salzburg) geebnet. Sie arbeitet in ihrer Privatpraxis seit vielen Jahren mit Methoden wie Ozon-Sauerstoff-Therapie, Akupunktur, Darmsanierung und anderen holistischen Therapien. In den vergangenen Jahren hat sie mich immer wieder darauf angesprochen, dass wir beide mit unseren Berufungen als Ärztin und Psychologin, als Expertin für Körper und Psyche so gut ergänzen und „unbedingt zusammen arbeiten sollten, damit wir Menschen bestmöglich helfen können.“ Aus einer anfänglichen Idee wurde eine enge Zusammenarbeit, die ich sehr schätze. Es macht so viel Freude zu sehen, wie unsere Klienten davon profitieren – statt Symptome wie Schlaflosigkeit oder Unruhe rein auf körperlicher Ebene nachzustärken, lernen die Betroffenen, warum es überhaupt zu diesen Beschwerden gekommen ist und was sie in ihrem Leben verändern können, damit diese Symptome fernbleiben (können!).
Symptome als Hilfeschrei
Ich kann es nicht genug betonen: Symptome sind in vielen Fällen ein Zeichen des überforderten Organismus, der so nicht weitermachen möchte. Ein schmerzhafter, nerviger, kräftezehrender Hilfeschrei. Wenn unsere Klienten das erkannt haben, sind sie zwar meist ziemlich schockiert, aber bald auch motiviert. Denn sie lernen: Ich kann mir selbst etwas Gutes tun, ich kann mich mit meinem Körper, meinem Tempel, meinem Zuhause verbünden und von ihm lernen. Wir begleiten diese Menschen dabei, selbst Experte für den eigenen Körper und Geist zu werden, statt von einem Arzt zum nächsten, von einem Psychotherapeuten zum nächsten und dazwischen noch zu x alternativen „Heilern“ zu laufen und dort die eine Lösung für ihre Beschwerden zu finden. Die Wahrheit lautet nämlich in vielen Fällen: Die eine Lösung gibt es nicht und echte „Heilung“ findet dann statt, wenn wir erkennen, was uns nicht gut tut und beginnen, uns selbst gut zu behandeln, uns regelmäßig zu entspannen, achtsamer zu leben und unseren Körper und Geist zu nähren. Ja, das klingt aufwändig und gerade zu Beginn dieser Veränderung ist es ungewohnt, sich so viel um sich selbst zu kümmern. Doch nach wenigen Tagen wird vielen bewusst, wie wundervoll es ist, sich selbst endlich wichtiger zu nehmen. Wofür wendet man sonst seine wertvolle Lebenszeit auf? Für die Beziehung, die Familie, den Beruf, den Haushalt? Klar sind diese Lebensbereiche wichtig, doch ich denke dabei immer an den englischen Spruch:
„You have to fill your own cup first.“ –
wir müssen erst unser eigenes positives Fass füllen und alles, was über den Rand hinaus läuft, bleibt dann für andere, für unsere Arbeit, für unseren Alltag. Die meisten Menschen schöpfen das eigene positive Fass meist so aus, dass kaum mehr etwas übrig bleibt. Kein Wunder, dass wir dann das Gefühl der totalen Er-Schöpfung haben!
Was genau ist Body-Mind-Medizin?
Für unsere Klienten gibt es erst ein ausführliches Gespräch, bei dem wir herausfinden, welche Beschwerden vorliegen und welchen Einfluss der Alltag und der eigene Lebensstil auf das eigene Befinden haben. Durch eine sehr detaillierte Blutuntersuchung werden häufig Mängel, Dauerstresswerte und chronische Entzündungen sichtbar. Bei den medizinischen Anwendungen kommen hochwertige Infusionen, Ozon-Sauerstoff-Therapie, Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie (IHHT) – ein künstliches Höhentraining, Akupunktur und andere ganzheitliche Anwendungen zum Einsatz. Für das psychische Wohlbefinden sorgen Techniken wie Achtsamkeit, Relaxation Response, Atemtechniken, (Selbst-)Hypnose und Veränderung von Glaubenssätzen und Verhaltensmustern. Außerdem festigen wir die Motivation zum Dranbleiben, um das gesunde Ich zu erreichen.
Dafür gibt es zahlreiche einfache Übungen, die sich im Alltag leicht und meist in wenigen Minuten nebenbei umsetzen lassen. Denn ganz ehrlich: Wer kann sich schon jeden Tag eine Stunde Zeit für sich nehmen? Durch kleine Übungen, die immer wieder zwischen drinnen Platz haben, gelingt es besser, entspannt und gelassen zu bleiben, auch in hektischen Zeiten.
Entspannen durch bewusstes Atmen
Der Atem ist ein Bereich, der in unserem Konzept der Body-Mind-Medizin gestärkt wird. Sobald wir angespannt, nervös oder gestresst sind, verflacht sich unser Atem ganz automatisch. Wir atmen oberflächlich und hindern so unseren Organismus dabei, genügend Sauerstoff zu erhalten. Außerdem beeinflussen sich Köper und Geist wechselseitig – wenn ich mich schon angespannt fühle und dann flach atme, dann führt diese flache Atmung dazu, dass sich meine Psyche denkt: Oh, mir geht es nicht gut, darum atme ich so flach. Ich bin also wirklich sehr angespannt… ein sich negativ verstärkender Teufelskreis entsteht.
Langsame, tiefe Atemzüge sind eine der wirksamsten und einfachsten Methoden, um Körper und Geist wieder zu beruhigen.
Atem-Quickies immer und überall
Zu meinen Lieblingsübungen zählen die Minis, die im hervorragenden Buch von Gustav Dobos und Anna Paul („Body-Mind-Medizin) beschrieben werden und Teil ihres Behandlungskonzeptes sind. Diese kurzen Atemübungen lassen sich perfekt zwischendurch einbauen, etwa an der roten Ampel, an der Kaffeemaschine, im Lift oder an der Kasse im Supermarkt. Die Minis sind kurz und effektiv.
Quickie-Übung 1: Atme bewusst und zähle dabei jeden Atemzug, bis du von 10 bis 0 herunter gezählt hast. Also: Einatmen, „10“ denken, ausatmen; einatmen, „9“ denken, ausatmen; usw.
Quickie-Übung 2: Zähle während des Einatmens langsam von 1 bis 4, während du ausatmest zähle rückwärts von 4 bis 1. Wiederhole diese Übung 5 bis 10 Mal.
Quickie-Übung 3: Zähle während des Einatmens bis 4. Mache eine kurze Pause und zähle weiter, so gut du es schaffst: 5,6,7. Dann atme wieder aus und zähle dabei zB von 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1 rückwärts. Dann mache eine kurze Pause, zähle 1, 2, 3. Dann atme wieder aus: 1, 2, 3, 4, mache eine kurze Pause und zähle weiter: 5, 6, 7 und zähle wieder runter von 7, 6, 5 4, 3, 2, 1.
Wichtig ist, dass du einfach deinen natürlichen Atemfluss mit dem Zählen begleitest, nicht umgekehrt.
„Ich kann das nicht!“, höre ich anfangs ganz oft. Die einzige Art, diese Übungen falsch zu machen, ist sie gar nicht zu machen. Hab Geduld, je öfter du die Quickies durchführst, desto mehr wird deine Atmung trainiert und desto schneller kannst du dich in angespannten Situationen durch deine bewusste Atmung selbst wieder beruhigen.
Viel Freude beim Ausprobieren!
Hier findest du die Anleitungen für die Atemquickies zum Anhören & Downloaden.
Wie aus Angst Hoffnung wird
Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich sorgenvoll aus dem Fenster blicke. Doch ich weiß: Negative Gedanken bringen mich nicht weiter.
Heute habe ich mir Zeit für eine ganz besondere Erfahrung genommen: Ich habe mich einer “social dreaming” Gruppe angeschlossen. Durch Instagram bin ich auf die Psychotherapeutin Dr. Leslee Brown aufmerksam geworden. Die Psychologin und Psychotherapeutin, die unter anderem an der UCLA und der Sigmund Freud Universität tätig war, nimmt Menschen mit auf eine ganz besondere Art des Reisens. Mit ausgewählten Gruppen reist sie um die Welt, um die Menschen sich selbst näher zu bringen. Auf ihrer Website mindbodypassport finden sich neben spannenden Einblicken in ihre Arbeit auch wertvolle Online-Kurse.
Mehr über die wunderbare Arbeit von Dr. Leslee S. Brown: mindbodypassport.com
Genau dort bin ich über die Möglichkeit, an der “social dreaming” Online-Gruppe teilzunehmen, gestolpert. Die Teilnehmer aus aller Welt - von den USA über Argentinien, Taiwan, Italien, Malta und seit kurzem mit mir auch Österreich - treffen sich ein Mal pro Monat und philosophieren gemeinsam über die Erzählungen von Träumen, die andere Teilnehmer einbringen. Für mich war diese Erfahrung sehr beeindruckend.
Was ist social dreaming?
Die Idee zum Social Dreaming wurde 1982 von Gordon Lawrence am Tavistock Institute in London entwickelt. Auf der offiziellen Seite des Centre For Social Dreaming heißt es
… es geht darum, die globale Gemeinschaft durch die sozialen Träume zu verbinden. Beim sozialen Träumen geht es um geteilte, vielfältige Gemeinschaften, sei es durch Üben, Forschen, Trainieren oder Mitmachen. Wir ermutigen Sie, sich der globalen Matrix der sozialen Träumer anzuschließen.
Voller Neugierde freute ich mich auf die heutige Zoom-Gruppe! Nach einer kurzen Begrüßung begann Dr. Leslee Brown, einen ihrer Träume zu erzählen. Eigentlich findet social dreaming ja offline, also analog in einem Raum mit anderen Teilnehmern statt. Dabei sitzt man nicht wie so oft bei Gruppentreffen im Kreis, sondern wie ein “Schneestern” verteilt mit seinen Stühlen im Raum - die Idee ist dabei, sich nicht gegenseitig in die Augen zu sehen, um sich besser auf sich selbst und seine Assoziationen konzentrieren zu können. Seit den vergangenen Monaten hält Dr. Brown ihre social dreaming-Gruppen online ab - dadurch ist es uns überhaupt erst möglich geworden, von überall auf der Welt aus Teil dieser Gruppe sein zu können! Um das Setting möglichst ähnlich zu halten, haben wir alle unsere Kamera ausgeschaltet und der Erzählerin bei ihrer kurzen Ausführung ihres Traums gelauscht. Beim social dreaming geht es nicht um die Interpretation des Erzählten, wie es oft in psychotherapeutischen Selbsterfahrungsgruppen der Fall ist. Nachdem der oder die Erzählende den eigenen Traum kurz dargestellt hat, darf jeder und jede Teilnehmende einfach frei sagen, was ihm oder ihr dazu einfällt. In der Theorie klingt das erst etwas schräg, aber ich bin begeistert von der Gefühlsintensität, die trotz des anonymen Treffens spürbar war. Obwohl wir alle alleine vor unseren Laptops gesessen sind, war durch den gemeinsamen Austausch über den erzählten Traum eine tiefe Verbindung spürbar - und das innerhalb von wenigen Minuten. Beim social dreaming geht es darum, gleiche Ideen, Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten in Gedanken, Empfindungen und auch in Träumen per se zu entdecken. Durch den gemeinsamen Austausch und die fachliche Begleitung der Gruppenleiterin konnten wir in den erzählten Träumen und unseren Assoziationen dazu einen roten Faden entdecken - das war wirklich ein unfassbar spannender Prozess, der weniger als 40 Minuten dauerte!
Wie aus Angst Zuversicht wird
Ohne auf die Themen spezifisch einzugehen, möchte ich dir von meinem Gefühl zu dieser für mich ersten social dreaming-Einheit erzählen. Wir waren auf die allgegenwärtigen Themen wie Covid, der Klimawandel und seine Auswirkungen auf unser aller Leben gekommen. Meine eigene Gefühlswelt wurde getriggered, ich fühlte Ohnmacht, Trauer und Verzweiflung. Kein Wunder: In den vergangenen Wochen hatte ich mich zunehmend mit dem Klimawandel und seinen Folgen für unser aller Leben beschäftigt. Mit Zukunftszenarien, die alles andere als rosig für uns als globale Gesellschaft waren - Szenarien, gezeichnet von angesehenen Experten, die von noch mehr Trennung in Klassen, von Ausgrenzung und noch mehr Ungleichheit auf unserer Welt berichten. Für mich ist es schwer zu akzeptieren, dass es in Zukunft noch größere Klüfte zwischen Arm und Reich, zwischen denen, die im richtigen Ort, in der richtigeren Familie geborgen worden sind und jenen, die den Aufstieg wohl kaum mehr schaffen können, geben soll. Diese Ungerechtigkeit soll durch den Klimawandel noch verschärft werden. Während ich über diese Themen nachdenke und hoffe, dass sich unerwartete Lösungsmöglichkeiten - sei es auf technischer oder auf sozialpolitischer Seite - auftun mögen - führen Hitzewellen zu Rekordtemperaturen und verunstalten Hochwassermassen ganze Landstriche… Ich bin von Natur aus ein positiver Mensch und habe mich von persönlichen Herausforderungen und Krisen niemals unterkriegen lassen. Doch die aktuellen Entwicklungen sind - neben allen Themen rund um die Corona-Pandemie - nicht einfach “wegzudenken”. Sie beschäftigen mich - als Psychologin, als Mama, als Mensch. Ich ertappe mich dabei, sorgenvoll aus dem Fenster zu blicken und in den Herausforderungen, Sorgen und Fragezeichen unserer Zeit zu versinken.
Die social dreaming-Gruppe hat mir dabei heute so gut getan! Denn nach psychischen Tiefgängen, die in mir Angst und Schwermut aktiviert haben, konnten wir durch unser gemeinsames Assoziieren eine stärkende Grundstimmung entdecken. In mehreren Träumen und Assoziationen waren die Dualität des Lebens, schwarz und weiß, gut und schlecht, Wahrheit und Vermutung zum Thema geworden… Ich spürte diese sorgenvolle Seite in mir aufsteigen: Was tun wir unserem Planeten an? Was bleibt für unsere Kinder, für die nächste Generation? Ist denn nicht längst alles zum Verzweifeln?
Und da war genau das, was ich heute gebraucht habe: Diese Öffnung des Blickwinkels, der durch den gemeinsamen Austausch in der Gruppe möglich geworden war. Ist wirklich alles negativ im Moment? Ist alles zum Scheitern verurteilt? Wird alles immer schlimmer? Die Medien, die aktuellen Nachrichten und die Tendenz unseres Gehirns, das Negative besonders leicht zu entdecken lassen uns nur allzu leicht verweifeln. Doch mit ein bisschen Objektivität und Optimismus wird es sogleich leichter, das Leben mit all seinen Herausforderungen zu nehmen, als das, was es ist: Als einzigartiges Geschenk! Als eine Aneinanderreihung von zahlreichen Möglichkeiten und Wegkreuzungen, so vielen Momenten im Jetzt, die zu einer unbekannten Zukunft werden. Diese Erkenntnis, die aus unserem gemeinsamen digitalen Austausch hervorging, ist mir selbstverständlich nicht neu. In meiner Arbeit mit Menschen versuche ich täglich, sie weiterzutragen. Und dennoch, nach so vielen Jahren in diesem Beruf, gibt es Tage, an denen ich mich selbst daran erinnern muss. Heute habe ich sie wieder gespürt, die Macht der eigenen Gedanken und die Auswirkung auf das eigene Befinden.
Auf Dauer nimmt die Seele die Farbe deiner Gedanken an. (Marcus Aurelius)
Schwierige Zeiten und Herausforderungen gehören zu unserem Leben, zu unserem Mensch-Sein einfach dazu, und das seit Jahrtausenden. Voll Zuversicht und Hoffnung gehe ich also weiter, allen Herausforderungen und Sorgen zum Trotz. Ein so befreiendes Gefühl!
Glaubenssätze umprogrammieren: Ängste und Sorgen loslassen
Die Art, wie du über eine Situation denkst, bestimmt, ob du darunter leidest oder nicht. Lerne, deine inneren negativen Glaubenssätze zu erkennen und sie zu verändern. So wirst du gelassener, freier und glücklicher.
Wenn du unter Ängsten und Sorgen leidest, dann kennst du bestimmt das typische Muster: Du hast dir schon x-Mal vorgenommen, dir keine Gedanken mehr darüber zu machen. Du möchtest die Dinge einfach akzeptieren und wünschst dir nur deine Ruhe. Du bist fest davon überzeugt, dass du ab sofort gelassener mit dem Thema oder den Themen umgehen wirst, die dich beschäftigen. Und doch kommst du immer wieder in den Teufelskreis aus negativen Gedanken und diesem Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Die Angst breitet sich in deinem Körper aus, dein Nacken verspannt sich, deine Magengegen verkrampft sich, dir wird heiß und kalt… du bist schon wieder mitten drin im Muster. Es ist einfach so anstrengend!
Als Psychologin und kognitive Verhaltenstherapeutin werfe ich immer einen Blick auf die inneren Prozesse meiner Klienten. Dabei wende ich das berühmte und so hilfreiche Model des Psychologen Albert Ellis an: Das ABC-Modell.
Denn nicht eine Situation an sich (A = Activating Situation, innere oder äußere Umstände, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen) machen uns das Leben schwer, sondern unsere Bewertung (B=Beliefs, unsere Erwartungen, Werte und Glaubenssätze) sind verantwortlich dafür, wie wir auf die Situation reagieren (C = Consequenze, unser Verhalten, unsere Gefühle und unsere aktiven Gedanken). Dabei spielen Glaubenssätze eine große Rolle, wenn es darum geht, die eigenen Muster aus Ängsten und Sorgen auf bestimmte Situationen zu verändern. Diese Sätze haben sich in unser Gehirn programmiert wie ein Betriebssystem und sorgen dafür, dass wir ganz automatisch in Gedankenkreisen, Sorgenketten und Ängste geraten. Unsere Glaubenssätze funktionieren wie Ausschnitte aus einem Drehbuch für unser Leben - unser Unterbewusstsein ist unbemerkt ständig auf der Suche nach einer Bestätigung für unsere negativen Erwartungen und so beginnt der Teufelskreis aus negativen Gedanken, schwierigen Situationen und der steigenden Last von Ängsten und Sorgen….
Die gute Nachricht lautet: Wir können unsere Glaubenssätze verändern!
1. Beobachten: Wenn du besser mit Ängsten und Sorgen zurecht kommen möchtest, dann beginne, deine Glaubenssätze zu hinterfragen und neu zu schreiben. Beginne damit, dich im Alltag zu beobachten. Höre in dich hinein und versuche, negative, schmerzhafte Glaubenssätze zu erkennen. Wenn du etwa in Panik gerätst, wenn du an deine berufliche Zukunft denkst, dann sagt die kritische innere Stimme wohl:
“Ohne Arbeit bin ich wertlos.”
“Ich muss etwas leisten, um wertvoll/gleichwertig zu sein.”
“Ich habe immer nur Pech im Leben.”
Versuche, Sätze in dir zu entdecken, die dich negativ beeinflussen. Notiere dir zumindest drei dieser inneren Glaubenssätze in einem eigenen Notizbuch.
2. Glaubenssätze umschreiben: Nun folgt die Veränderung: Überlege dir, wie die Sätze lauten müssten, damit sie dir helfen, anstatt dich weiter runter zu ziehen. Wichtig ist dabei, dass du KEINE Nein-Botschaften verwendest. Also “ich bin kein Versager” kann von deinem Gehirn nicht so gut verarbeitet werden, wie “Ich bin fleißig und stolz auf meine Erfolge". Unser Gehirn kann nämlich nicht gut nicht denken und ignoriert dieses Wort gerne.
Nimm dir jeden deiner Sätze einzeln vor und frage dich: Wie muss er lauten, damit er keine Ängste, Sorgen oder ungute Gefühle in mir auslöst? Achte darauf, dass er zugleich noch realistisch ist! Deine wohltuenden, unterstützenden Glaubenssätze könnten etwa lauten:
“Ich habe schon so vieles geschafft. Diese Hürde ……… (ergänze, was dich gerade beschäftigt) werde ich auch noch meistern.”
“Ich bin ein Mensch mit Stärken und Schwächen.” (falls sich um Versagensängste/Leistungsdruck handelt)
“Ich verändere, was ich verändern kann. Ich akzeptiere, was ich akzeptieren muss.”
Sei geduldig und kreativ und probiere einfach aus, was für dich passt. Denke gar nicht viel darüber nach, sondern notiere dir alles, was dir einfällt. Feile dann so lange an deine positiven Glaubenssätzen, bis sie sich für dich stimmig anfühlen. Dabei ist auch die Formulierung und die Wortwahl sehr wichtig, denn nur wenn du die richtigen Worte findest, kann dein Unterbewusstsein auch glauben, dass diese Sätze wahr sein können.
Gerade zu Beginn wird es dir komisch vorkommen, diese positiven Glaubenssätze ernst zu nehmen. Kein Wunder: Bisher hast du immer die negativen Gedanken als “normal” angesehen und es schützt dich auch vor Enttäuschungen, wenn du lieber gleich immer vom Schlimmsten ausgehst. Doch wenn du dich verändern möchtest, dann beginne genau hier - bei deinen inneren Bewertungen.
3. Positive Glaubenssätze festigen: Wenn du diese drei positiveren Glaubenssätze gefunden hast, dann sorge dafür, dass sie mehrmals täglich liest. Notiere sie dir in schöner Schrift auf Post-its und bringe sie sichtbar am Badezimmerspiegel, in der Küche oder im Autocockpit an. Speichere sie als deinen Handyhintergrund ab. Mache dir Erinnerungen im Kalender mit diesen positiven Glaubenssätzen.
Was bringt diese Übung?
Wenn du deine negativen Glaubenssätze veränderst, veränderst du deine Realität.
“Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellungen und Meinungen von den Dingen.
Anstatt deinem Gehirn unbewusst zu sagen, dass du machtlos bist, dass du nichts hinbekommst und dem Schicksal ausgeliefert bist, programmierst du dich selbst um. Du stärkst deine Selbstwirksamkeit und deine Resilienz und machst dich so von innen heraus widerstandsfähiger. Ängste, Sorgen und Befürchtungen kennen wir alle, doch durch die bewusste Veränderung der Bewertung gelingt es dir, dich davon nicht runterziehen zu lassen.
Ich wünsche dir viel Erfolg beim Ausprobieren!
Du kannst diese Übung immer wieder durchführen, denn manche Glaubenssätze sind besonders hartnäckig, andere ändern sich im Laufe deines Lebens.
Übung: Mehr Selbstverantwortung lernen
So lernst du, Verantwortung für dein Leben zu übernehmen. Eine Anleitung für mehr Kontrolle, Freiheit und Lebensfreude.
Was bedeutet es eigentlich, Selbstverantwortung zu übenehmen? Ganz einfach erklärt geht es darum, dass du dich dazu entscheidest, dein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Im Alltag haben wir nämlich oft das Gefühl, passiv zu sein. Wir leben neben uns her, wir haben das Gefühl, das Leben lebt uns. Jeden Tag prasseln Aufgaben auf uns herein, wir versuchen, uns irgendwie durch die To Do Liste zu kämpfen. Wir fühlen uns wie der Passagier in unserem eigenen Leben… Das einzige, das uns noch weiter machen lässt, ist die Hoffnung darauf, dass es irgendwann besser, weniger, ruhiger wird. Dass die Herausforderung weniger werden, dass wir endlich weniger zu tun haben, dass uns die anderen mit ihren Bitten und Wünschen endlich in Ruhe lassen.
Raus aus dem passiven Teufelskreis
So geht es ganz vielen Menschen und auch ich erinnere mich in eine Phase in meinem Leben, in dem ich mich wie in einem Hamsterrad gefangen fühlte. Morgens, schon bevor ich meine Augen öffnete, begann das Rad sich zu drehen: Das musst du zuerst erledigen, das darfst du bloß nicht vergessen, darum musst du dich kümmern, beeil dich, streng dich an, das schaffst du ja sowieso wieder nicht alles… Dieser Teufelskreis führte dazu, dass ich mich eines Tages komplett erschöpft fühlte und gar keine Lust mehr hatte, irgendetwas zu tun, obwohl ich bis dahin für alle anderen immer wie eine echte “Powerfrau” gewirkt hatte. Und ja, es machte mir sehr viel Spaß, viele Dinge zu meistern, viele ToDo`s abzuhaken, ob nun im beruflichen oder im privaten Alltag. Während dieser Erschöpfungsphase hatte ich dann weder Lust noch Kraft, mich um meine Aufgaben zu kümmern. Vieles blieb liegen und ich war unglücklich, weil ich es nicht mehr schaffte, meinen Alltag so zu bestimmen, wie ich es von mir gewohnt war. Schwierige Phasen wie diese gehören zu unserem Leben einfach dazu. Wir hadern damit, wir wünschen uns, dass sie möglichst schnell wieder verschwinden, und doch machen sie uns stärker. Genau das ist Reslienz: Aus Krisen zu lernen, Herausforderungen als Lernchancne zu sehen, als Zeiten, die uns dazu zwingen, unser bisherige Art zu leben kritisch zu hinterfragen und die ein oder anderen Stellschrauben zu verändern, um danach besser weiter zu leben.
Ich lebe mein Leben
Dazu gehört auch die Fähigkeit, Selbstverantwortung zu übernehmen, dafür, wie ich mein Leben lebe. Für die Aufgaben, die ich tagtäglich erledige, aber auch für die Zeit, die ich mir und den Menschen, die ich liebe, schenke. Das geschieht nicht nebenbei, vielmehr handelt es sich dabei um eine bewusste Entscheidung. Ich habe gelernt, dass diese Einstellungen einen ganz großen Unterschied macht. Jeden Tag habe ich die Chance und die Verantwortung, meine für diesen Tag begrenzte Zeit und Lebensenergie so einzusetzen, dass ich am Ende des Tages zufrieden bin. Diese Übung hat mir dabei geholfen:
ÜBUNG: Ich übernehme die Verantwortung für diesen Tag
Nimm dir 15 Minuten Zeit, sorge dafür, dass du ungestört bist und überlege (am besten mit Papier und Stift):
Welche Dinge MUSS ich in meinem Leben gerade machen?
Beginne jeden Satz mit “Ich MUSS….”. Dazu zählen die vielen alltäglichen Kleinigkeiten wie aufstehen, Zähne putzen, Frühstücken ebenso wie die Aufgeben, die du in dieser Lebensphase gerade zu erledigen hast, etwa die Schritte für dein Projekt abarbeiten, mit Kunden telefonieren, die Steuererklärung vorbereiten, die Wohnung sauber halten, mit dem Hund spazieren gehen, deine Eltern anrufen, den Müll recyceln… Du wirst merken, dass es sehr viele Dinge und Aufgaben gibt, du du in deinem Leben gerade erledigen “musst.” Die Liste muss nicht vollständig sein, sammle einfach ein paar Aufgaben, die dir spontan einfallen. Du kannst diese Übung immer wieder durchführen und wirst erstaunt sein, wie viele Punkte sich ändern, während andere über lange Zeitphasen gleich bleiben. Zum Beginn reichen 5 bis 10 Punkte.
MUSS ich wirklich ?
Nun sieh dir jeden Punkt genau an und frage dich ganz ehrlich: MUSS ich das wirklich tun oder tue ich es einfach, weil es so zu meinem Leben dazu gehört? Weil ich mich irgendwann im Laufe meines Lebens dazu entschieden habe? Ich ich (versteckte) Vorteile daraus habe, etwa Lohn am Ende des Monats, eine ordentliche Buchhaltung oder einen zufriedenen Hund? Wirst du wirklich dazu gezwungen, diese Dinge zu erledigen? Steht jemand hinter dir, der dich morgen aus dem Bett treibt, dich dazu zwingt, dich anzuziehen und zur Arbeit zu fahren? Du wirst bestimmt sofort diese wiederspenstige Stimme in dir hören, die sagt: Ja klar, muss ich das alles machen, sonst verliere ich meinen Job, sonst geht es meinem Hund schlecht, sonst vermüllt die Wohnung… Ja, damit hat die Stimme natürlich vollkommen recht. Es geht auch nicht darum, Tatsachen zu verdrehen oder sich alles schön zu reden. Vielmehr wirst du erkennen, dass du nichts wirklich musst, sondern du dich zu all diesen Dingen irgendwann entschieden hast. Viele davon haben sich dann im Laufe der Jahre als starkes Verhaltensmuster in dir ausgeprägt - das sind vor allem die ungeliebten Verhaltensweisen, wie etwa Rauchen oder unbewusstes Essen - also Situationen, in den wir auch das Gefühl haben wir “müssen” das jetzt tun.
Die Freiheit der eigenen Entscheidung entdecken
Mach dir noch einmal bewusst, dass du nichts von dieser Liste tun MUSST, sondern du dich vielmehr dazu entscheidest, diese Aufgaben zu erledigen und diese Dinge zu tun. Dieser Perspektivenwechsel verändert sehr viel! Erstens erkennst du, wie viel du täglich leistest! Du erledigst so viele Aufgaben, gibst dafür deine Lebensenergie her, du verbringst Tag für Tag dein Leben damit, diese Dinge zu tun. Sie sind zu deinem Lebensinhalt geworden! Also sei stolz auf dich und das, was du täglich leistest. Im weiteren Schritt kannst du sehen, dass es zu 100 % an dir liegt, ob du dich einer Aufgabe stellst oder nicht. Mit einer bewussten, achtsamen Haltung, einem “Ja”, gelingt es viel besser, alle diese Dinge zu erledigen. Gemacht gehören sie ja ohnehin (außer du erkennst, dass du manches auch sein lassen kannst - umso schöner für dich!), darum lieber mit einer Haltung der Verantwortung und des Bewusstseins. Schreibe dir die Liste deiner Aufgaben noch einmal auf, aber diesmal beginne nicht mit “Ich MUSS…” sonder mich “Ich ENTSCHEIDE MICH FÜR…/ XY ZU MACHEN…/ DIE HERAUSFORDERUNG BESTMÖGLICH ANZUNEHMEN/ MEIN BESTES ZU GEBEN…”
Warum mache ich das eigentlich?
Nun füge bitte noch an jeden Satz deine Individuelle Begründung dazu. …”weil ich”… Das kann etwa sein:
Ich entscheide mich dazu, heute morgen zur Arbeit zu gehen und an meinem Projekt weiter zu arbeiten, weil ich eine gute Mitarbeiterin sein möchte/ mir die Kollegen wichtig sind/ weil mir mein Arbeitsplatz wichtig ist und er mir existenzielle Sicherheit ermöglicht/meine Miete zahlt….
Ich entscheide mich dazu, meine Buchhaltung zu erledigen, weil ich dann weiß, wie viel Geld mir meine Selbstständigkeit bringt/ ich eine verantwortungsvolle Bürgerin bin/ ich mich nicht vor der Steuerbehörde fürchten möchte….
Ich entscheide mich dazu, heute Abend eine Runde laufen zu gehen, weil ich meinem Körper etwas Gutes tun möchte, damit ich lange Zeit fit und gesund bleibe/ weil ich den Dauerstress abbauen möchte/ weil ich dabei meine Lieblingsmusik höre…
Die Macht der Sichtweise
Lege dir beide Listen nebeneinander und spüre den Unterschied! Die Realität hat sich nicht verändert, da sind viele Dinge, die zu deinen Aufgaben zählen. Doch die veränderte Sichtweise bringt dich vom passiven Erdulden und Aushalten ins aktive Übernehmen von Verantwortung und somit zu mehr Freiheit und Kontrolle. Statt dem Druck, der das Wort “MUSS” auslöst, spürst du viel mehr Leichtigkeit, wenn du “ICH ENTSCHEIDE MICH” sagst.
Sei gut zu dir selbst!
Heute weiß ich, dass ich nicht jeden Tag gleich viel erreichen, leisten, erledigen kann. Da gibt es Tage, an denen ich so viel schaffe, dass ich selbst staune. Und dann sind da wieder diese Tage, an denen es schon eine große Leistung ist, abends noch den Geschirrspüler einzuschalten. Und ich habe gelernt: Es ist gut so, wie es ist. Mein Mantra hilft mir dabei sehr:
Ich gebe mein Bestes, und das ist gut genug. Und dieses Beste ist von Tag zu Tag unterschiedlich. Wir alle geben täglich unser Bestes, das, was wir eben heute geben können.
Nimm dir immer wieder Zeit, um diese Übung durchzuführen. Du kannst sie auch ganz spezifisch auf ein Thema anwenden, das dir gerade das Leben schwer macht. Wenn du deine eigenen Motive besser kennst, dann gelingt es dir viel leichter, damit umzugehen und diese Herausforderung bewusster zu meistern.
Ich wünsche dir viel Freude beim Ausprobieren!
Das Geheimnis des Glücks
Was versuchen wir nicht alles, um endlich wirklich glücklich zu sein. Doch gibt es sie eigentlich, die Glücksformel für alle?
Mehr als 7.700.000.000 Menschen leben zu diesem Zeitpunkt auf unserer Erde. Und pro Sekunden kommen im Schnitt 2,6 dazu. Obwohl unser aller Genom zu mehr als 99 Prozent identisch ist, gibt es doch niemanden von uns zwei Mal. Bei eineiigen Zwillingen liegt eine beinahe 100 Prozent gleiche DNA vor. Aber eben nur beinahe. Jede und jeder von uns ist einzigartig, individuell, mit den ganz eigenen Stärken und Schwächen, Vorstellungen und Werten, Wünschen und Bedürfnissen. In dieser Individualität liegt auch der Schlüssel zum persönlichen Glück: Da gibt es keine Formel, die wir 1 zu 1 anwenden und ab sofort glücklich und zufrieden leben. Genau das versuchen uns jedoch Werbebotschaften auf allen Kanälen einzureden: Kauf dir diese Schuhe, du brauchst diese Handtasche, dieses Workout, diesen Körper, dieses Sofa… um wirklich glücklich zu sein. Und wir, besser gesagt unser Gehirn, das von Natur aus faul und möglichst energiesparend ist, lassen uns nur gerne einhüllen von der Vorstellung, dass es wir nur DAS Produkt kaufen müssen, auf DIESE Art und Weise leben müssen, DIE bestimmte Summe auf unserem Konto haben möchten, um endlich wirklich glücklich sein zu können. Konkret sieht das so aus: Werbung zeigt uns, wie Menschen erfolgreich, fit, glücklich und zufrieden sein können, indem sie ein bestimmtes Getränk trinken, eine bestimmte Armbanduhr anlegen oder ein begehrtes Paar Sneakers an ihren Füßen tragen. Wir sehen, wie perfekt gestylte Mütter mit ihren immer glücklichen Kindern im hygienisch sauberen Wohnzimmer spielen. Wir sehen den erfolgreichen Manager, der nach einem Meeting-Marathon noch seinen Körper stählt und dann in seinem Sportwagen steigt. Diese Bilder des perfekten Glücks wecken Bedürfnisse in uns: DIESES Leben will ich auch. Und die Werbebotschaft lautet: DAS kannst du haben! Alles was du dafür tun musst, ist: Gib uns dein Geld. Kaufe. Konsumiere dich glücklich.
© taylorgsimpson/ unsplash: Konsum sorgt nur kurz für Glücksmomente. Doch die Euphorie verfliegt rasch.
Jeder will glücklich sein
Wenn du bis hierher gelesen hast, kommen dir solche oder ähnliche Situationen wohl bekannt vor. Du spürst: In mir ist dieser Wunsch nach Zufriedenheit, nach Freude, nach Glück. Kein Wunder: Jeder Mensch, ja jedes Lebewesen, wünscht sich ein schönes, glückliches Leben. Doch wenn wir ganz ehrlich mit uns sind und uns von außen betrachten, erkennen wir: Konsum per se macht nicht glücklich. Selbstverständlich gehört es zu unserer Individualität, zu unserem Lifestyle, zu unserer Persönlichkeit dazu, sich mit schönen Dingen zu umgeben. Das kann ein besonderer Modestil ebenso sein wie ein besonderes Schmuckstück, ein schnelles Auto oder das Yoga-Retreat. Auch die Wahl unserer Lebensmittel ist ein Ausdruck unserer Selbst - kaufe ich regional und biologisch, weil mir das wichtig ist? Würde ich zu diesen Produkten auch dann greifen, wenn es kein Marketing gäbe, das mir sagt: Kauf die Bio-Mandelmilch, weil du ein Mensch bist, der auf dich, auf deinen Körper, auf die Umwelt schaut? Wohl eher nicht. Alles, was wir kaufen, alles, womit wir uns umgeben, ist Ausdruck unserer Persönlichkeit. Doch diese Dinge alleine machen das Leben noch nicht nachhaltig schöner.
Was macht mich glücklich?
Philosophen, Gelehrte und Schriftsteller beschäftigen sich mit der Frage “Was macht den Menschen glücklich” schon seit Jahrtausenden. In der Psychologie hat die Betrachtung der schönen Seiten des Lebens erst seit den 80er Jahren ihrem Platz gefunden. Von der Zeit um 1900 bis zu dieser Wende beschäftigte sich die Psychologie vor allem mit den psychischen Störungen. Mit Arbeiten wie jene des Medizinsoziolgen Aaron Antonovsky veränderte sich dieses Bild langsam. Das von ihm postulierte Salutogenese-Modell (lateinisch salus ‚Gesundheit', ‚Wohlbefinden' und -genese, also etwa „Gesundheitsentstehung“, Wikipedia) fokussierte sich auf jene Faktoren, die unser Leben lebenswert machen und somit zu unserem Gesundheit und unserem Wohlbefinden beitragen. Ein wichtiger Punkt in diesem frühen Modell war das Sinn-Erleben.
© mathieustern / unsplash: So einzigartig wie wir so sind es auch unsere Fähigkeiten und Bedürfnisse.
Sinne und Werte leben
Alle Menschen haben die selben Grundbedürfnisse: Wir möchten geliebt werden, wir wünschen uns freie Bestimmung unseres Lebens, wir möchten Sicherheit, soziale Anerkennung, Verbundenheit mit anderen Menschen, Entwicklung und Wachstum sowie Selbstentfaltung und Leistung. Dabei ist die Ausprägung der jeweiligen Bedürfnisse von unserer individuellen Persönlichkeit abhängig. Während für den einen die eigene Freiheit das höchste Gut ist, fühlen sich andere erst dann wirklich wohl, wenn sie ihre Liebsten möglichst nahe bei sich haben und eng in einer Gemeinschaft integriert sind. So individuell wie unsere Grundbedürfnisse, so sind es auch unsere Fähigkeiten. Lange Zeit galt Intelligenz als eine der wichtigsten Fähigkeiten, doch heute wissen wir: Da gibt es so viel mehr. Remo Largo, Arzt und Entwicklungsforscher, beschreibt in seinem Werk “Das passende Leben” die Vielfalt unserer Fähigkeiten: Von sprachlicher über körperlicher bis hin zu logisch-mathematischer und sozialer Kompetenz, von motorischer über räumlicher bis hin zu musikalischer Kompetenz - so individuell wie wir, so sind es auch unsere Fähigkeiten und Kompetenzen. Das von ihm entwickelte Fit-Prinzip beschreibt, wie das Leben gelingt: Wenn wir unsere Kompetenzen und unsere Grundbedürfnisse so leben können, wie sie in uns angelegt sind. Wenn wir in unserem Leben, in unserem Alltag, so leben können, wie es zu unserer Individualität und unserer Persönlichkeit passt.
Jeder Mensch ist einzigartig.
Seine Individualität zu leben
macht den Sinn des Lebens aus.
Remo H. Largo, Das passende Leben
Achtsamkeit
Je bewusster wir unser Leben leben, desto glücklicher sind wir. Denn Ängste, Befürchtungen und Sorgen entstehen dann, wenn wir an die Ungewissheit der Zukunft denken oder darüber nachgrübeln, was in der Vergangenheit passiert ist. Die radikale Fokussierung auf den jeweiligen Augenblick befreit uns von negativen Gedanken und den damit verbundenen Gefühlen. Mit etwas Distanz können wir bei den meisten Themen, die uns sorgen, erkennen: Unsere Befürchtungen verändern nichts an der Realität. Vielmehr vergiften sie das Hier und Jetzt. Dabei verschenken wir wertvolle Momente des Glücks, allen Herausforderungen zum Trotz. Studien über Resilienz (die geistige Widerstandskraft) haben gezeigt: Menschen, die sich auch durch schwerwiegende Schicksalsschläge nicht unterkriegen lassen, fokussieren sich auf die Gegenwart. Sie schaffen es, sich aus der Wehmut des Vergangenen und aus den Sorgen über das Zukünftige zu befreien.
© unsplash. Der gegenwärtige Moment ist ein wertvolles Geschenk, allen Sorgen zum Trotz.
Dankbarkeit
Wofür bist du heute dankbar? Diese Worte lese ich in letzter Zeit vermehrt in social media-Postings. Wie wunderbar! Denn diese einfach Übung, die dem Buddhismus entstammt, hilft uns dabei, zufriedener, glücklicher und somit auch gesünder zu sein. Dabei geht es nicht darum, alles Schwierige und Negative in unserem Leben zu verdrängen. Unser Gehirn ist so programmiert, dass wir all das Negative ohnehin viel eher sehen als das Positive - ein Phänomen, das in der Psychologie als negativity bias beschrieben wird. Durch das bewusste Üben von Dankbarkeit programmieren wir uns neu. Wenn wir über mehrere Tage hinweg am Ende des Tages darüber nachdenken, wofür wir heute dankbar sind, trainieren wir unser ARAS, das aufsteigende retikuläre System im Hirnstamm. Dieser Bereich steuert deine Aufmerksamkeit und durch den bewussten Fokus auf all die schönen und positiven Seiten in deinem Alltag lenkst du deine Aufmerksamkeit auf genau diese Momente. Bereits nach wenigen Tagen fällt dir auf: Da ist schon wieder ein wunderbarer Moment, eine Begegnung, ein Gespräch, das nicht selbstverständlich ist! Hier entdeckst du wertvolle Artikel zum Thema Achtsamkeit.
Akzeptanz
Auch wenn wir es am liebsten nicht wahr haben wollen: Schwierigkeiten und Herausforderungen gehören zu unserem Leben einfach dazu. Positives Denken wurde oft fälschlicherweise als der Versuch verstanden, alles Negative zu ignorieren, ja sogar zu leugnen. Das ist keine sinnvolle Strategie. Wenn wir wirklich glücklich sein möchten, müssen wir uns auch die dunklen Seiten unseres Lebens bewusst machen. Die Kunst liegt darin, uns nicht von ihnen einnehmen zu lassen, nicht in Sorgen, Ängsten, Niedergeschlagenheit, Verzweiflung zu verharren. Deshalb ist bewusste Akzeptanz so hilfreich. Was ist, ist. Mit dieser Grundhaltung nehmen wir das Leben an, wie es eben gerade läuft. Wie ein mutiger Krieger, der erhobenen Hauptes in den Krieg zieht, akzeptieren wir die Schwierigkeiten, die uns fordern. Akzeptanz meint aber keineswegs Resignation. Vielmehr ist diese Haltung die Basis für den aktiven Umgang mit eben jenen Aufgaben, die das Leben an uns stellt. Mehr über die wunderbare Fähigkeit der Akzeptanz liest du hier: Zu den Beiträgen.
Gemeinschaft
Wir Menschen sind soziale Wesen. Ohne den Zusammenhalt und das Miteinander wären wir nie dort, wo wir heute sind: Die am höchsten entwickelte Spezies auf diesem Planeten. Das Bedürfnis nach dem Gegenüber ist uns als eines der stärksten Bedürfnisse in die Wiege gelegt - Menschenbabies sind ohne die Bindung an ihre Mutter oder eine andere Bezugsperson nicht überlebensfähig. Auch wenn sich die Bezugspersonen im Laufe unseres Lebens verändern, wir alle brauchen Menschen, die uns auf unserem Weg begleiten: Erst Familienmitglieder, später Freunde, der Partner, die eigenen Kinder, Kollegen, Bekannte. Ob analog oder digital, wir brauchen ein Gegenüber. Menschen, bei denen wir sein können, wie wir sind. Mit denen wir Freude und Leid teilen, auf die wir uns verlassen können, denen wir vertrauen dürfen. Der Psychoanalytiker Erich Fromm sprach davon, dass der “Mensch am Du zum Ich” wird und meinte damit, dass wir uns selbst erst durch den Austausch mit anderen wirklich ent-wickeln können. Das Bewusstsein, wie wichtig die Gemeinschaft für uns alle ist, droht in unserer individualistischen Gesellschaft leicht in Vergessenheit zu geraten. Meist spüren wir diese tiefe Sehnsucht nach dem Gegenüber erst dann, wenn es uns nicht so gut geht. Dabei tut es so gut, sich gegenseitig auch in der Hektik des Alltag wieder Zeit für das Miteinander, das ausgiebige Gespräch, das aufrichtige Interesse am Anderen, zu schenken.
© wildthingsfoto/ unsplash. Wir Menschen brauchen einander, um wirklich glücklich zu sein.
Diese Sammlung an Faktoren, die unser persönliches Glück ausmachen, ist keinesfalls erschöpfend. Sie soll ein Impuls für dich sein, selbst nachzudenken: Wie sehen meine Grundbedürfnisse aus? Wer bin ich? Wie kann ich meine Fähigkeiten und Kompetenzen in meinem Alltag leben? Durch mehr Achtsamkeit, Dankbarkeit und Akzeptanz entwickelst du eine sichere, starke Basis, um das Leben mit all seinen Herausforderungen und Wundern (noch) besser annehmen zu können. Wenn wir uns dann auch noch bewusst machen, dass kein Mensch eine Insel ist und wir unser Gegenüber als wertvolle Wegbegleiter mit seiner jeweiligen Individualität erkennen, sind wir unserem ganz persönlichen Glück ein Stück näher gekommen.
Es ist nicht eine blinde Macht von außen, deren Spielball wir sind, sondern es ist die Summe der Gaben, Schwächen und anderen Erbschaften, die ein Mensch mitgebracht hat. Ziel eines sinnvollen Lebens ist, den Ruf dieser inneren Stimme zu hören und ihm möglichst zu folgen. Der Weg wäre also: sich selbst erkennen, aber nicht über sich richten und sich ändern wollen, sondern das Leben möglichst der Gestalt anzunähern, die als Ahnung in uns vorgezeichnet ist.
Hermann Hesse, 1928
Anleitung: Achtsamkeit durch die Rosinenübung
Durch einfache Übungen kannst du lernen, im Alltag bewusster zu genießen. Die Rosinenübung ist ein echter Klassiker in der Achtsamkeitspraxis. Hier findest du eine Schritt-für-Schritt-Anleitung
Achtsamkeit ist heute ein gängiger Begriff, dabei interpretieren wir alle das Wort ein bisschen anders. Laut Definition des Achtsamkeits-Experten Jon Kabat-Zinn bedeutet achtsam sein:
sich bewusst
auf das Hier und Jetzt zu fokussieren
ohne zu bewerten, was man wahrnimmt (sieht, riecht, hört, spürt, denkt)
Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien, die von der nachhaltigen positiven Veränderung durch regelmäßige Achtsamkeitsübungen berichten. Denn diese wohltuende Fähigkeit liegt in uns allen verborgen. Achtsamkeit ist ähnlich wie unsere Konzentrationsfähigkeit: Je öfter wir sie anwenden, desto besser werden wir darin. Blogs, Podcasts und Bücher sind voller einfacher Achtsamkeitsübungen, die du ohne viel Aufwand selbstständig durchführen kannst.
Viele Achtsamkeitsübungen beziehen unsere Sinne mit ein. Denn unsere Sinne haben wir immer bei uns. Im Alltag funktionieren sie meist nebenbei, wir setzten sie nur selten bewusst ein. Dir fällt deine Fähigkeit zu riechen erst dann wieder auf, wenn dir ein besonders angenehmer Duft in die Nase steigt. Der sensible Tastsinn deiner Hautoberfläche erinnert dich daran, im Winter eine Jacke anzuziehen. Du kannst deine Sinne immer wieder ganz bewusst aktivieren, um mehr Achtsamkeit in dein Leben zu bringen. Je öfter es dir gelingt, im “ganz normalen” Alltag achtsamer und bewusster zu werden, desto besser kannst du mit deinen Gefühlen und deinen Gedanken umgehen. Eine der Übungen für mehr Achtsamkeit im Alltag ist die so genannte Rosinenübung. Sie schult dich im achtsamen Genießen und gehört zu den Klassikern der Achtsamkeitsübungen. Studien haben gezeigt, dass du achtsames Essen sogar Diabetes positiv beeinflusst werden kann, wir bewusster und gesünder essen und letzten Endes ein besseres Verhältnis zum Essen entwickeln als durch strenge Diätpläne.
Achtsam genießen lernen durch bewusstes Essen
Nimm dir eine Rosine, stell dein Handy auf Flugmodus und einen Timer auf 10 Minuten. Sorge dafür, dass du in dieser Zeit ungestört bist.
Mache es dir möglichst bequem.
Schließe deine Augen und nimm drei tiefe Atemzüge. Atme durch die Nase ein, bis hinab in deinen Bauchraum. Und durch den Mund wieder aus. Achte darauf, wie sich deine Bauchdecke hebt und senkt. Nach dem dritten Ausatmen beobachte deinen Atem noch für drei weitere Atemzüge, jedoch ohne bewusst zu atmen. Lass den Atem einfach kommen und gehen, beobachte, wie dein Atem sich selbst atmet.
Fokussiere dich auf die Achtsamkeitsübung, die du nun beginnen wirst. Sage dir: Ich schenke mir jetzt Zeit für Achtsamkeit und Genuss. Ich muss nichts erreichen, alles darf sein, so wie es ist.
Betrachte nun die Rosine. Wie sieht sie aus? Beschreibe sie ganz genau. Verändere deine Blickwinkel und achte darauf, ob sie aus unterschiedlichen Perspektiven anders aussieht? Wo fällt das Licht am hellsten auf die Rosine, wo entdeckst du Schatten? Was denkst du: Wie fühlt sie sich an? Ihre Oberfläche? Ihre Konsistenz?
Nimm nun die Rosine zur Hand. Dreh sie hin und her, betrachte sie von allen Seiten. Wie fühlt sich ihre Oberfläche an? Ist sie glatt, rauh, weich, hart? Schließe gerne deine Augen, um dich mehr auf deinen Tastsinn zu konzentrieren.
Höre ganz genau hin: Nimmst du Geräusche wahr?
Führe die Rosine zu deiner Nase: Wie riecht die Rosine?
Schmecke nun, welchen Geschmack du im Mund hast und wie sich dein Mundraum anfühlt. Sobald du dich auf deinen Mundraum konzentriert hast, öffne deine Lippen und lege die Rosine auf deine Zunge. Schließe den Mund und fühle, wie sich die Rosine auf deiner Zunge, in deinem Mund anfühlt. Spüre, wie der Speichel nach wenigen Augenblicken zu fließen beginnt.
Nun beginne sanft und ganz bewusst, in die Rosine zu beißen. Achte darauf, wie deine oberen und unteren Zähne aufeinander beißen und so die Rosine mit jedem Bissen sanft kleiner und kleiner werden lassen. Wie fühlt es sich an, die Rosine zu kauen? Kannst du unterschiedliche Geschmacksrichtungen erkennen, wenn du die Rosine länger kaust?
Bereite dich darauf vor, die Rosine runter zu schlucken. Denke daran, dass die Rosine aus deinem Mundraum weiter in deine Speiseröhre und dann in deinen Magen wandern wird. Wenn du dich darauf konzentriert hast, dann schlucke die Rosine sanft hinunter. Wie fühlt sich das an? Spürst du die Rosine beim Herunterschlucken? Welchen Geschmack hinterlässt sie in deinem Mund?
Wie fühlst du dich jetzt, nachdem du dir ganz bewusst Zeit genommen hast, um diese kleine, so alltägliche Rosine achtsam zu essen?
Bei dieser Übung gilt wie bei allen Achtsamkeitsübungen:
Du kannst sie nicht richtig oder falsch machen. Die einzige Art, sie falsch auszuführen, ist sie gar nicht zu machen ;)
Gehe voll Neugierde und ohne große Erwartungen an die Übung. Wenn dir die Rosine nicht schmeckt, kannst du gerne etwas anderes ausprobieren.
Ich selbst mag lieber Pralinen, die ich dann aber halbiere, bevor ich sie in den Mund nehme.
Wenn dir Gedanken oder Gefühle dazwischen kommen, die nichts mit der Übung zu tun haben, dann ist das vollkommen in Ordnung. Unser Monkeymind verleitet uns ständig dazu, raus aus der Achtsamkeit und rein ins Chaos von Gefühlen und Gedanken zu gelangen.
Daher freue dich: Je öfter du Achtsamkeit mit Übungen wie dieser übst, desto besser wird es dir gelingen, dich auf den jeweiligen Moment und in diesem Fall auf die Rosine zu fokussieren.
Durch diese Übung gelingt es dir, achtsamer zu essen und zu genießen. Selbstverständlich kannst du nicht ständig so bewusst und langsam essen. Doch du kannst auch im Alltag immer wieder innehalten und ganz kurz bewusster auf das jeweilige Essen konzentrieren. Frage dich: Wie sieht mein Essen heute aus? Wie schmeckt es? Was passiert, wenn ich es ganz genau kaue und darauf achte, wie ich es schlucke?
Unser Programm für dich: Endlich gesund essen
(c) Verena Schierl: Psychologie trifft Ernährungswissenschaft - wir wollen unsere Liebe zum Essen weitergeben!
Wähle selbstbestimmt und sicher die Lebensmittel, die dir wirklich gut tun
Beim Thema “Gesundes essen” braucht es das richtige WIE - also am besten bewusst, achtsam und voll Genuss. Um auch zu wissen, WAS wirklich gut tut, habe ich gemeinsam mit Elisa Hefner, Expertin für Diätologie und Ernährungswissenschaften, ein 5-teiliges Programm entwickelt: “Endlich gesund essen” ist unser Herzprojekt, das dir dabei hilft, ohne schlechtes Gewissen, ohne Verbote und ohne Jojo-Effekt zum gesunden Essverhalten zu finden. Hier geht’s zum Programm, das du 30 Tage unverbindlich testen kannst.
Wie Wolken am Himmel...
Wie wir lernen, unsere Gefühle und Gedanken ziehen zu lassen
Ein Blick ins Gehirn zeigt: Egal ob wir über einen schönen Sonnenaufgang staunen oder uns über den Stau im Morgenverkehr ärgern – Gedanken sind nichts anderes als elektrische Impulse, die im Bruchteil einer Sekunde von Nervenzelle zu Nervenzelle weitergeleitet werden. Erst unsere Einstellung, unsere Erwartungen und unsere Werte führen dazu, dass wir uns freuen oder vor Wut schäumen. Das ist auch der Grund dafür, dass du dich über eine Situation unheimlich ärgern kannst, während dein Partner die ganze Aufregung überhaupt nicht versteht. Umgekehrt musst du in einer anderen Situation schmunzeln, während er oder sie vor Wut schäumen. Unsere Einstellungen zu einer Situation machen sie für uns gut oder schlecht, angenehm oder unangenehm, kosten uns Energie oder eben nicht. Im Laufe deines Lebens hast du dir bestimmte Werte und Vorstellungen darüber entwickelt, wie das Leben sein sollte und das ist auch gut so. Manche hast du von deinen Eltern übernommen, andere von Freunden und Bekannten sowie aus anderen Einflussquellen der Gesellschaft: TV-Stars, berühmte Persönlichkeiten, in den vergangenen Jahren zunehmend Social Media Influencer. Deine Einstellung funktioniert wie ein Regiebuch, demnach das Leben gut verläuft, wenn deine Erwartungen und Wünsche erfüllt werden und dich gewisse Dinge stören, die nicht zu deinen Vorstellungen passen. Diese unangenehmen Situationen gehören zu unserem Leben einfach dazu und meist können wir damit auch gut umgehen. Doch wenn wir immer mehr Herausforderungen erleben und das Gefühl haben, gar nicht mehr zurecht zu kommen, kann dies (auch) an unseren Einstellungen und Erwartungen liegen. Alle Situationen, die wir nicht aktiv verändern können, müssen wir als gegebene Tatsachen ansehen und akzeptieren. Bis zu einem gewissen Grad haben wir in sehr vielen Situationen einen mehr oder weniger großen Handlungsspielraum. Doch wir müssen auch erkennen, wo dieser zu Ende ist und wo es besser für uns ist, die Umstände zu akzeptieren.
Die Vorstellung, unsere Gedanken und Gefühle vorbei ziehen zu lassen, wie Wolken am Himmel, hilft uns dabei. Die meisten Menschen kennen anstrengendes Gedankenkreisen und nerviges Grübeln. Um dieses energieraubende, meist sinnlose Verhalten zu verändern, braucht es Achtsamkeit. Denn wenn wir die Gedanken einfach vorüber ziehen lassen, wenn wir in Ruhe während unserer täglichen 5 Minuten beobachten, wie die Gedanken und Gefühle kommen und gehen, statt uns mit ihnen bis ins kleinste Detail auseinander setzten, dann können wir lernen, gelassener und entspannter zu sein.
ÜBUNG: Mehr Achtsamkeit in 5 Minuten
Mit dieser simplen Übung gelingt es dir, gelassener mit negativen Gefühlen und Stimmungsschwankungen umzugehen.
Im Alltag passiert es oft, dass wir einer kurzen Verstimmung so lange nachspüren, bis wir uns richtig schlecht fühlen. in diesem Stimmungstief kommen häufig noch negative Gedanken, Grübeln und Sorgen hinzu. Manchmal versuchen wir, krampfhaft gegen alles Unangenehme anzukämpfen und zu unterdrücken, doch das führt nur dazu, dass wir uns noch mehr mit dem Thema beschäftigen.
Mit einer ebenso simplen wie faszinierenden Übung kannst es dir gelingen, dich selbst leichter vor permanentem Grübeln und negativer Stimmung zu schützen. Um nicht in die Spirale aus negativen Gedanken, schlechten Gefühlen und gedrückter Stimmung zu rutschen, ist es wichtig, möglichst früh wieder auszusteigen. Das bewusste Üben von Achtsamkeit kann dich dabei unterstützen. Achtsamkeit ist eine Fähigkeit, die in uns allen verborgen liegt. Wir können sie trainieren, so wie einen Muskel.
Nimm dir in den nächsten drei Wochen jeden Tag 5 Minuten Zeit, am besten zur gleichen Tageszeit.
Schalte dein Handy in den Flugmodus und sorge dafür, dass du nicht gestört wirst.
Stell dir einen Timer auf 5 Minuten.
Setze oder leg dich bequem hin, mach es dir so bequem wie möglich.
Wenn du möchtest, kannst du deine Augen schließen. Nun nimm drei tiefe Atemzüge: Atme durch die Nase ein, bis sich deine Bauchdecke hebt und durch den Mund wieder aus. Spüre, wie du mit jedem Atemzug entspannter wirst.
Nun beginne, deine Gefühle, Gedanken, Empfindungen zu beobachten.
Spüre in dich hinein: Welche Worte gehen dir durch den Kopf? Wie fühlt sich dein Körper an? Fühlst du dich gut, neutral, tut dir etwas weh, fühlst du dich in einer bestimmten Körperregion unwohl?
Beobachte alle Gedanken, Gefühle und Empfindungen wie jemand, der einen Film ansieht: Aus sicherer Entfernung, mit einer Portion Neugierde. Lass alles, was kommt, vorüberziehen, wie Wolken am Himmel vorbeiziehen.
Bei dieser Übung gibt es kein “richtig” oder “falsch” und es NICHT darum, möglichst wenig zu denken. Je länger du übst, desto eher gelingt es dir, gelassener und entspannter mit den Gefühlen und Gedanken umzugehen, die im Alltag auftauchen.
Bald wirst du merken, dass alles was wir spüren, denken, fühlen vorübergeht. Ganz egal wie angenehm oder unangenehm diese Empfindungen auch sein mögen, sie ziehen vorbei. Dies passiert umso schneller, je weniger du dich mit ihnen auseinandersetzt.
Tipps zum Üben:
Übe stets zur gleichen Zeit, dann fällt es dir leichter!
Wenn du möchtest, kannst du deine tägliche Übungspraxis wie ein Ritual gestalten, dir einen fixen Übungsplatz aussuchen und diesen schön gestalten: Zünde dir eine duftende Kerze an, leg dir ein Notizbuch zurecht. Dort kannst du nach den 5 Minuten notieren, was dir aufgefallen ist. Es geht aber nicht darum, die Inhalte der Gedanken und die jeweiligen Gefühle zu beschreiben, denn diese sollst du ja vorbei ziehen lassen.
Bereits nach wenigen Tagen wirst du erkennen, wie du achtsamer mit deinen Empfindungen umgehst. Die tägliche Übung ist quasi das Trockentraining, damit du dann im Ernstfall des Alltags bereit bist, dich für den für dich richtigeren Weg zu entscheiden: Den, der dir gut tut, statt den, der dich in die Negativspirale aus Gedanken, Sorgen und Grübeln bringt.
Viel Freude beim Üben, Ausprobieren und Beobachten!
Optimismus üben: Positive Szenarien planen
Positives Denken lässt sich üben. Aus Erfahrungen lernen wir, wie oft wir mit unseren Befürchtungen falsch liegen.
Es fällt uns Menschen viel leichter, das Negative zu sehen als das Positive. Durch bewusstes Umdenken können wir uns aber darauf trainieren, unseren Blickwinkel immer wieder aktiv zu verändern. Dabei hilft dir die Übung nach dem ABC-Modell. Erinnere dich an eine Situation in deiner Vergangenheit, die dich sehr beunruhigt hat und bei der du im Nachhinein erkannt hast, dass alles gar nicht so schlimm war, wie befürchtet.
Schritt A: Liste alle “Katastrophenszenarien” auf, die dir damals durch den Kopf geschwirrt sind.
Schritt B: Jetzt streiche alle durch, die nicht eingetreten sind.
Schritt C: Überlege, warum diese Szenarien nicht eingetroffen sind.
Meist gibt es einen der folgenden Gründe, warum Katastrophen nicht so eintreten, wie befürchtet:
Wir haben viel zu wenige Informationen und übersehen Unerwartetes
Wir denken zu negativ und rechnen nicht mit positiven Entwicklungen
Wir fokussieren uns so sehr auf das Negative, dass das Positive gar nicht wahrgenommen wird
Schreibe dir nun nieder, wieso die befürchtete Katastrophe nicht eingetreten ist, nach dem Beispiel:
“Ich hatte zwar befürchtet, dass…. aber dabei nicht daran gedacht, dass ….. Nun ist die Situation … ausgegangen.”
Denke noch an ein zwei andere ähnliche Situationen und betrachte sie nach dieser Vorlage. Vielleicht erkennst du ein Muster in deinem Denken, das du verändern kannst, um ab sofort positiver und optimistischer an die Herausforderungen heran zu treten?
Ich wünsche dir viel Freude beim Ausprobieren und Entdecken!