Achtsamkeit: Wie du deine Gefühle in den Griff bekommst
Vielleicht kennst du diese Situationen: Dein (Gesprächs-)Partner sagt etwas und trifft damit einen deiner wunden Punkte. Die Kinder quengeln und du bist am Limit. Der Chef nervt dich schon wieder mit einem neuen ToDo, obwohl die Liste ohnehin schon voll ist. Vollkommen automatisch reagierst du mit einem der drei Muster - fight, flight, freezing. Also entweder wird du ungehalten und ausfällig, du verlässt das Gespräch, etwa indem du das Thema wechselst oder du ziehst dich (innerlich) in dich zurück. Diese Reaktionen laufen innerhalb von Millisekunden ab und meist kannst du erst danach erkennen, dass du wieder in ein altes, wenig hilfreiches Muster gefallen sind: Du konterst mit einer provokativen Antwort, dein innerer Kritiker wird aktiv und beginnt sofort, dich niederzumachen, du schottest dich ab… Diese “alten Autobahnen”, um es mit einer stark vereinfachten neurobiologischen Erklärung zu verdeutlichen, lassen sich nicht aus deiner erlernten und so verinnerlichten Gewohnheit ausbrechen. Was kannst du also tun, um besser mit diesen “Triggern” umzugehen?
Akzeptanz hilft dir im Umgang mit deinen Gefühlen
Egal ob du verbal ausfällig wirst oder dich innerlich zurück ziehst - deine automatischen Reaktionen sind abgespeicherte Reaktionen auf bestimmte Situationen. Irgendwann im Laufe deiner Lerngeschichte hast du begonnen, in einer bestimmten Weise auf bestimmte Reize zu reagieren. In deinem Gehirn haben sich damals erste Nervenverbindungen ausgebildet, die zu beginn noch locker miteinander verbunden waren und sich verfestigt haben, je öfter du in einer bestimmten Situation dann auf eine gewisse Art und Weise reagiert hast. Hast du etwa bereits in jungen Jahren gelernt, bei Kritik deines Gegenübers gleich (verbal) zurück zu schlagen, wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit auch heute noch ähnlich reagieren. Es sei denn, du hast gelernt, dich anders zu verhalten. Das passiert ganz oft automatisch, wenn wir etwas haben, wofür sich die Veränderung lohnt: Eine neue Beziehung, zum Beispiel, in der wir mit unserem alten Verhalten nicht weit kommen. Oder ein Job-Angebot, das uns dazu motiviert, uns anders zu verhalten als bisher. Wenn du in bestimmten Verhaltens- und Gefühlsmustern gefangen bist und dies ändern möchtest, kann dir Achtsamkeit und Akzeptanz nachhaltig behilflich sein.
Was bedeutet Achtsamkeit?
Achtsamkeit bedeutet vollkommen im gegenwärtigen Moment zu sein. Die Buddhisten wussten schon vor Jahrtausenden, dass dem Menschen der Fokus auf die Gegenwart sehr schwer fällt. Sie prägten das Bild vom “monkeymind”, als sie feststellten: “Wie ein besoffener Affe springt der Geist von Baum zu Baum.” Aus evolutionsbiologischer Sicht ist dieses ständige Umherspringen der Gedanken durchaus sinnvoll: Hätten sich unsere Vorfahren nur auf den gegenwärtigen Moment fokussiert, hätten sie in einer Welt voll Unsicherheit und Gefahren wohl nicht lange überlebt. Heute leiden wir jedoch oft unter diesem “Erbe” aus längst vergangenen Zeiten. Durch das aktive “Training” unseres Bewusstseins können wir es schaffen, das monkeymind zu beruhigen und unser Leben bewusster zu leben. Wenn du bestimmte Achtsamkeitsübungen regelmäßig, das bedeutet täglich für ein paar Minuten, durchführst, dann wirst du merken: Du kannst dich besser auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Und genau um diese Fähigkeit geht es, wenn du raus aus deinen automatischen Mustern möchtest.
Einfache Achtsamkeitsübung: Der Atemraum
Eine sehr einfache Achtsamkeitsübung ist der so genannte Atemraum. Deine Atmung ist das beste Werkzeug, um dich selbst wieder in den gegenwärtigen Moment zurück zu holen. Du hast ihn bis an dein Lebensende immer bei dir und du kannst (unter normalen Umständen) jederzeit dein Bewusstsein darauf lenken. Mit dieser Übung gelingt es dir in wenigen Sekunden, dich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren:
Nimm drei tiefe Atemzüge. Wenn du möchtest, schließe die Augen dabei, das muss aber nicht sein. Spüre, wie der Atmen durch deine Nase hineinströmt bis in deine Brust und hinunter in deinen Bauch (deine Bauchdecke sollte sich dabei etwas heben). Dann beobachte, wie der Atmen auch wieder hinausströmt. Nach den drei bewussten Atemzügen spüre in dich hinein: Wie geht`s dir? Wie fühlst du dich? Spürst du deinen Körper an einer bestimmten Stelle? Fühlt es sich gut an? Tut dir etwas weh? Wie sieht es mit deinen Gefühlen aus? Bist du entspannt, angespannt, müde, genervt, hungrig, satt?
Diese sehr einfache Übung ermöglicht dir, dich jederzeit und überall in den gegenwärtigen Moment zu holen. Jetzt mache dir bewusst, was du als nächstes tun wirst: Die Kaffeemaschine bedienen, dein Smartphone zur Hand nehmen, einen Schluck Wasser trinken… Der Alltag bietet dir täglich unzählige Möglichkeiten, um deine automatischen Muster kurz zu unterbrechen, dir den Augenblick bewusst zu machen und dann voll Selbstbestimmung zu entscheiden: Was tue ich wie als nächstes?
Je öfter du diese bewusste Entscheidung triffst, desto stärker baut sich ein neues Netzwerk in deinem Gehirn auf. Eines, das dir bewusstes Nachdenken, Entscheiden und Handeln ermöglicht. Wenn du es in “entspannten” Situationen immer wieder trainierst, kann es dir dann auch gelingen, im “Ernstfall” gelassen zu bleiben, erst einmal drei Atemzüge zu nehmen und bewusst zu entscheiden: Wie möchte ich auf diese Situation reagieren? Was sage ich, ohne das Gegenüber zu verletzen? Wie komme ich aus meinem Gefühlschaos, ohne mir selbst Vorwürfe zu machen?
Bei dieser Achtsamkeitsübung gilt: Viel hilft viel. Du solltest sie über mindestens drei Wochen lang täglich anwenden, um neue Netzwerke in deinem Gehirn aufzubauen. Am besten du übst in ganz gewöhnlichen Alltagssituationen nach dem Muster: 3 bewusste Atemzüge, der Blick nach Innen, die bewusste Entscheidung, was du danach tust/ sagst/ sein lässt.
Ich wünsche dir viel Freude beim Ausprobieren und Entdecken!