Wie deine Gedanken deine Gefühle beeinflussen - und umgekehrt

Erkenne, wie du dich wann wieso verhälst. Und wie du das ändern kannst, was dir nicht gut tut.

Während meines Studiums und meiner Ausbildung als Verhaltenstherapeutin durfte ich viele Theorien und Modelle kennenlernen, die das menschliche Verhalten beschreiben und versuchen, eine Antwort auf die Fragen zu geben: Warum bin ich, wie ich bin? Und wie kann ich das, was mich stört oder mir nicht gut tut, verändern? Dabei gibt es viele Erklärungsversuche und wie so oft gibt es nicht DIE eine Wahrheit. Es wäre wohl überheblich zu behaupten, alles über jeden Menschen zu wissen und anhand eines Modells vorhersagen zu können, wie sich wer weshalb verhält. Eines der am besten evaluierten Modelle, um das eigene Verhalten besser zu verstehen, ist die Verhaltensanalyse. Klingt unspannend, ist sie aber nicht. Ich habe mehrere Jahre an Erfahrung gebraucht, bis ich erkannt habe, wie wertvoll und aufschlussreich die Verhaltensanalyse sein kann. Ganz gleich, wie viele Techniken und Methoden ich kennenlerne, ich komme immer wieder auf dieses einfache und zugleich geniale Modell zurück, mit dem wir das menschliche Erleben und Verhalten sehr simpel darstellen und verstehen können.

Was macht die Verhaltensanalyse?

Vereinfacht gesagt analysierst du dabei eine oder mehrere Situationen aus deinem Leben und siehst dir dabei genau an, welche Gefühle, Gedanken und welches Verhalten diese Situation in dir auslöst. Einen großen Stellenwert haben dabei auch innere Werte und Einstellungen sowie Glaubenssätze. Diese wurden uns, meist ganz unbewusst und ohne böse Absicht, vor allem von unseren Bezugspersonen vorgelebt oder eingebläut. Einen Teil bekommen wir auch noch transgenerational bereist mit unseren Genen mit zum Start in dieses Leben und einen weiteren Anteil machen soziale Einflüsse aus - von den Gleichaltrigen bis über gesellschaftliche Erwartungen und Normen bis hin zum Social Media. All diese Eindrücke und Erfahrungen prägen sich in unser Gehirn ein und führen dazu, dass wir im Erwachsenenalter auf bestimmte Dinge reagieren, sei es in Form von Gedanken, Gefühlen oder Verhaltensweisen. 

Die Verhaltensanalyse ist eine wunderbare Möglichkeit, um dich selbst besser kennen zu lernen und Experte für dich zu werden. Außerdem erlaubt sie dir jene Stellschrauben zu finden, an denen du drehen kannst, um dein Leben gelassener, selbstbewusster, glücklicher oder wie auch immer du es dir vorstellst zu gestalten. 

Es gibt zwei Arten von Verhaltensanalyse: Die vertikale und die horizontale. Du kannst sie nacheinander durchführen, ausprobieren, welche dir mehr Erkenntnis und Freude bereitet oder auch beide miteinander kombinieren.

ÜBUNG: Die horizontale Verhaltensanalyse

Bei der Verhaltensanalyse “von links nach rechts” betrachtest du eine Situation, dein Verhalten darauf, die Reaktion und die Konsequenz. So erhältst du das so genannte S O R K-Modell. In der Verhaltenstherapie wird noch das Modell als SORKC bezeichnet, wobei K als “Kontingenz” und C als “Konsequenz” beschrieben wird. In der Praxis hat sich für ich aber das simplere SORK-Modell bewährt. Ich zeige dir das SORK-Modell anhand eines banalen Alltagsbeispiels. Du kannst dir das SORK-Modell ausdrucken und immer wieder für dich selbst analysieren.

Denke an eine Situation, die dich belastet.

Situation

Beschreibe,  was gerade passiert. Dies kann im Außen (ein Gespräch, ein Anruf, ein Social Media Post, der etwas in dir auslöst) oder auch in deinem Inneren (ein Gedanke, ein Gefühl) geschehen sein. 
Ich schlüpfe in eine Jeans und spüre, wie eng sie heute sitzt. Mein Mann beobachtet mich und lächelt sanft.

Organismus: 

Beschreibe, wie es in dir aussieht und wie die Situation auf dich wirkt. Wieso reagiert dein Körper so? Spielt deine Vergangenheit und deine Lerngeschichte eine Rolle dabei?

Lange Jahre hatte ich ein gestörtes Verhältnis zu meinem Körper und habe mir von den Medien einreden lassen, dass Modelmaße die einzig wahre Normalität seien und Diäten der beste Weg dahin wären. 

Reaktion: 

Wie reagierst du auf diese Situation? Welche Gefühle, Verhaltensweisen und Gedanken kannst du entdecken?

Gefühle: Ich fühle mich frustriert, genervt von mir selbst und auch von meinem Mann, weil er mir die Freude über das neue Kleidungsstück vermiest hat. 

Gedanken: Ich muss abnehmen! Ich bin zu fett!

Verhalten: Ich schlüpfe sofort wieder aus der Hose und lege sie zur Seite. Ich ziehe mich zurück.

Körperliche Reaktion: Mir wird schlecht, mir steigen Tränen in die Augen, ich möchte am liebsten weglaufen (eine typische Flight-Reaktion…!)

Konsequenz:

Was resultiert, wenn ich mich so verhalte? Dieser Punkt ist besonders spannend, weil er uns sogleich zeigt, wieso wir in den ewig gleichen Mustern gefangen sind. Manchmal entdecken wir hier auch den so genannten “secundary gain” - also versteckte Vorteile von ungeliebtem Verhalten.

Ich fühle Unruhe in mir. Um das zu verändern mache ich mich sofort daran, einen Diätplan zu schreiben. Die Anspannung sinkt ab. Ich habe das zwar schon x Mal versucht und bin immer wieder in die gleiche Spirale gekommen. Das ist mir in diesem Moment aber nicht bewusst, ich spüre nur das gute Gefühl, dass die Anspannung absinkt und bin voller Motivation, es diesmal wirklich zu schaffen. In weiterer Folge wird dieses Vorhaben wie immer scheitern, das Bild meiner negativen Selbstwirksamkeit wird weiter verstärkt, ich bin frustriert….

Was bringt mir das SORK-Modell?

Durch die detailreiche Analyse und die Aufschlüsselung in die unterschiedlichen Bestandteile erkennst du, wie du dich in bestimmten Situationen verhältst, wie Gefühle, Gedanken und dein Verhalten zusammen hängen und welche Konsequenzen dazu führen, dass du dieses alte Muster immer noch aufrecht erhältst. Dann kannst du versuchen, einzelne Bestandteile zu verändern.

In meinem Beispiel hat es mir zB extrem gut geholfen, meine Gedanken zu erkennen und mich davon zu distanzieren. Außerdem war es hilfreich, andere Techniken zum Spannungsabbau zu entwickeln - etwa EFT oder die tiefe Bauchatmung. Durch die Veränderung auf verschiedenen Ebenen gelingt es, das Verhalten zu verändern.

Versuch einmal, dein persönliches SORK-Modell für eine Situation zu entwerfen.

DEIN SORK-Modell: Hier findest du die Horizontale Verhaltensanalyse zum Ausdrucken (klick).

Wenn du möchtest, kannst du auch die Vertikale Verhaltensanalyse ausprobieren. Sie zeigt dir, welche Grundbedürfnisse in der jeweiligen Situation nicht befriedigt werden und wie dich diese beeinflussen.

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Draußen genießen: Die Natur als Krafttankstelle

Wenn wir bewusster leben wollen, gibt es im Alltag zahlreiche Möglichkeiten, um Achtsamkeit zu üben. Die Natur lädt uns ein, alle Sinne zu wecken.

Wenn du besser mit “schlechten” Gefühlen und negativen Gedanken zurecht kommen möchtest, dann bietet dir Achtsamkeit viele Möglichkeiten, um mehr mehr Freiheit und Kontrolle zu erlangen. Denn durch diese Fähigkeit, die in uns allen verborgen liegt, können wir aus alten Mustern aussteigen. Du kennst das bestimmt: Da hast du dir schon x-Mal vorgenommen, nicht mehr so leicht die Fassung zu verlieren, du startest voller guter Vorsätze in deinen Tag und doch gibt es wieder die eine oder andere Situation, die dich wahnsinnig macht. Vielleicht ist es der raue Ton deines Partners, die fordernden Bitten deiner Kinder oder die nervige E-Mail… von einem Augenblick auf den anderen kommst du komplett an deine Grenzen. Du reagierst alles andere als ruhig, du sagst oder tust Dinge, die du später vielleicht bereust. Du bist nicht du selbst. Um deinen Umgang mit schwierigen Situationen, mit nervenaufreibenden Diskussionen und stressigen Tagen zu verändern, braucht es mehr als gute Vorsätze. Kein Wunder: Du hast wohl über Jahre, ja wohl Jahrzehnte so reagiert. Mit großer Wahrscheinlichkeit hast du als Kind deine engen Bezugspersonen, allen voran deine Eltern, dabei beobachtet, wie man mit schwierigen Situationen umgeht und darauf reagiert. Diese Reaktionsmuster hast du dann als deine eigenen abgespeichert - Kinder beobachten Erwachsene und denken sich “Ah, so verhält man sich also, wenn man groß ist.” Erst viel später merken wir, dass diese automatischen Muster in vielen Fällen nicht hilfreich, sondern sogar hinderlich sind. Durch unsere wütende, laute, resignierende oder hysterische Reaktion bringen wir unsere Lieben ganz schön an ihre Grenzen. Außerdem tut es uns selbst nicht gut, wenn wir mit solchen beinahe schon reflexartigen Gefühlsausbrüchen reagieren. Genau so sind diese Verhaltensweisen in uns abgespeichert - als völlig automatische Muster, ähnlich schnell wie ein natürlicher Reflex. Doch wir wissen: Diese Muster können wir verändern. Dazu braucht es Achtsamkeit, denn die Veränderung gelingt nicht nebenbei.

Du möchtest besser mit Gefühlen, Gedanken und ungeliebtem Verhalten umgehen lernen? In meinen Mindful Living Kursen zeige ich dir, wie du dein Leben in nur 5 Wochen zum Besseren veränderst und mehr Freiheit und Kontrolle erlangst.

Hier findest du einen Beitrag zum Thema Veränderung (klick)


Achtsamkeit ist der Schlüssel zu einem besseren Leben. Um achtsamer, also bewusster, zu werden, gibt es täglich viele Möglichkeiten. Wenn du achtsamer wirst, dann gelingt es dir nach und nach:

  • bewusster zu werden

Das ist der wichtigste Schritt, um alte, ungeliebte Muster zu erkennen und ab sofort anders damit umzugehen, was du erlebst. Du verstehst, was gerade um dich herum passiert, welche Situation in dir welche Gefühle auslöst und kannst dann entscheiden, ruhiger, überlegter, selbstbestimmter, aktiv statt passiv, darauf zu reagieren. Ein sehr befreiendes Gefühl!

  • in den jeweiligen Moment, also ins Hier und Jetzt zu kommen

Genau da musst du mit deinen Gefühlen und Gedanken auch hin, um dein Leben zu verändern. Denn in diesem jeweiligen Moment findet dein Leben ja statt. Jetzt möchte dein Partner mit dir in Ruhe reden, obwohl die Kinder nörgeln. Jetzt braucht der Chef mal wieder etwas ganz dringend, obwohl die Mittagspause bereits begonnen hat. Jetzt macht dich die innere Stimme runter, obwohl du gerade richtig stolz auf dich sein möchtest. So unterschiedlich diese Beispiele auch sind, Achtsamkeit hilft dir in allen Situationen deinen Lebens besser, gelassener und ruhiger zu reagieren.

  • Gefühle und Gedanken zu erkennen, ohne sie zu bewerten

Durch diese achtsame Haltung gelingt es dir, dich und deine Gefühle von dem, was gerade passiert, zu entkoppeln. Bisher lebst du in vielen Situationen in einem Wirr-Warr aus Triggern (Reizen, die in dir eine bestimmte, erlernte Reaktion auslösen), alten ungeliebten Reaktionsmustern und dem Teufelskreis aus überwältigenden Gefühlen, schlechtem Gewissen und Angst vor dem nächsten Kontrollverlust. Durch Achtsamkeit kannst du erkennen, dass du nicht in einer bestimmtem Art reagieren musst, du akzeptierst, dass schwierige Momente zu deinem Leben dazu gehören, du machst dir bewusst, dass auch “negative” (also unangenehme) Gefühle wie Wut, Angst, Trauer und Leid zu unserem Mensch-Sein dazu gehört, es aber einen großen Unterschied macht, wie du auf diese Gefühle reagierst.

Du siehst: Achtsamkeit ist der Schlüssel zu Freiheit und Kontrolle und somit zu einem selbstbestimmten, glücklichen Leben.

Es gibt zahlreiche Übungen, durch die du im Alltag achtsamer werden kannst. Hier findest du eine Übersicht: Tipps für mehr Achtsamkeit

Eine Möglichkeit, achtsamer und bewusster zu leben, ist die Zeit in der Natur. Ich hoffe du hast bereits am eigenen Körper erfahren, wie wohltuend es ist, im Wald spazieren zu gehen, die frische Luft einzuatmen, dich wieder zu erholen, fernab von Hektik und Stress des Alltags! Für mich ist die tägliche Auszeit in der Natur schon seit Jahren ein Fixpunkt in meinem Tag, eine besonders wertvolle Qualitytime, für die ich so dankbar bin! Denn in der Natur kann ich meine Sinne neu schärfen, kann mich erholen, kann die Herausforderungen reflektieren und neue Ideen für meine kreativen Projekte sammeln. Seit einem MBSR-Workshop vor einigen Jahren habe ich mir auch angewöhnt, die Natur bewusst als Ort der Achtsamkeit zu schätzen. Dort gibt es so viele Möglichkeiten, meine 5 Sinne einzusetzen und mich so in den jeweiligen Moment zu holen.


An vielen Tagen drehe ich mit meinem Hund und meiner kleinen Tochter die selbe Runde. Sie startet direkt vor unserer Haustüre, führt vorbei an Einfamilienhäusern und Bauernhöfen zu einem kleinen Waldstück. Ich war dort schon x-Mal. Und doch gelingt es mir, jeden Tag etwas Anders, Neues, noch nicht Dagewesenes zu erkennen. Im Buddhismus, dem Ursprung der Achtsamkeitspraxis, spricht man vom neugierigen Anfängergeist. Wir können von Kindern lernen, alles um uns herum so zu betrachten, als würden wir es zum ersten Mal sehen. Diese Art, die Welt um mich herum zu entdecken, ist unheimlich wohltuend. Außerdem schult es mein Bewusstsein auf den jeweiligen Moment, wenn ich die Buchenhecke unserer Nachbarn genau betrachte und immer wieder neue Blätter, jedes von sich einzigartig in seiner Struktur, erkenne. Oder die Felder dabei beobachten darf, wie sie sich im Jahresverlauf verändern. Täglich darf ich die großen und kleinen Wunder um mich herum wahrnehmen. Besonders spannend ist diese wundervolle Achtsamkeit, wenn ich mit anderen Menschen spazieren gehe. Es fällt richtig auf, dass ich immer wieder stehen bleibe und Dinge entdecke, an denen andere vorbei gehen. Meine Sinne sind durch die jahrelange Übung geschärft und ich kann gar nicht anders, als die Schätze des Lebens zu entdecken.

Selbstverständlich freue ich mich, wenn ich mal eine Bergtour mache oder eine andere, ruhigere, landschaftlich noch “schönere” Spazierstrecke wähle. Doch der alltägliche Spaziergang hat so viele Wunder für mich bereit, dass er mich mit Demut und Dankbarkeit erfüllt.

Ich staune immer wieder, was Achtsamkeit alles bewirken kann.

Probiere gerne einmal aus, wie du in der Natur achtsamer und bewusster sein kannst. Anstatt starr dem Weg zu folgen und “deine Runde” zu drehen, fokussiere dich an die Dinge am Wegesrand. Ein einzelner Baum bietet so viele erstaunliche Details, von seiner Gestalt über seine Oberflächen bis zu seinem Duft - du wirst staunen!

Ich wünsche dir viel Freude beim Entdecken und viel Achtsamkeit!
















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Glücklich sein, Lebenssinn, Achtsamkeit, Verhalten ändern, Übung, Akzeptanz Magdalena Lublasser-Fazal Glücklich sein, Lebenssinn, Achtsamkeit, Verhalten ändern, Übung, Akzeptanz Magdalena Lublasser-Fazal

Achtsamkeit im Alltag: Ich bin nicht meine Gefühle

Eine einfache Übung für mehr Achtsamkeit und den besseren Umgang mit deinen Gefühlen.

Du wünscht dir besser mit deinen Gedanken zurecht zu kommen? Dann kann dir dieses Video behilflich sein:

Ich wünsche dir viel Freude beim Ausprobieren!

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ÜBUNG: Mein sicherer Ort für Gelassenheit und Entspannung

Die Sichere Ort Übung hilft uns dabei, uns vor Ängsten, Sorgen und Befürchtungen zu schützen. In Verbindung mit der richtigen Atemtechnik (dem Atemraum) können wir uns voll Achtsamkeit ins Hier und Jetzt holen und so wieder entspannt und gelassen werden. Dies stärkt unsere Resilienz - unser geistiges Immunsystem.

Im Alltag sind wir häufig so überfordert, dass wir kaum einen klaren Gedanken fassen können. Gerade in hektischen Zeiten haben es Ängste, Sorgen und negative Gedanken dann besonders leicht, uns das Leben schwer zu machen. Wir grübeln ständig nach, werden von schlechtem Gewissen und Selbstvorwürfen gequält und versuchen, uns aus unseren Problemen “herauszudenken”. Wenn dir diese Situationen bekannt vorkommen hast du bestimmt schon bemerkt, dass es dich nicht weiterbringt, permanent darüber nachzudenken, wie du endlich wieder lockerer und gelassener wirst.

Ängste und Sorgen bringen uns aus dem Gleichgewicht

Sobald wir wieder mehr Ruhe haben und mehr “Luft” zum Atmen und Entspannen, lassen auch diese negativen Gedanken und Befürchtungen nach. Ein Blick ins Gehirn zeigt: In hochstressigen Phasen sind wir nur noch in automatischen Mustern unterwegs und haben kaum mehr Kapazität, um uns selbst zu beruhigen und die Dinge wieder mit dem nötigen Abstand zu sehen. Stress macht uns also blind für die schönen Seiten des Lebens, für all das, was den Schwierigkeiten, den Ängsten und Sorgen zum Trotz noch da ist. Außerdem werden wir in stressigen Zeiten besonders sensibel für alles Negative und Schwierige - ein Teufelskreis!

Eine sehr wertvolle und zugleich einfache Übung, die in der Psychotherapie gerne angewandt ist, ist die SICHERE ORT-Übung. Dabei machen wir uns unsere Vorstellungskraft im positiven Sinne zunutze.

Das Gegenteil passiert im Alltag, wo wir uns, meist unbemerkt, durch unsere Vorstellungskraft selbst das Leben zusätzlich erschweren. Wir denken und fühlen uns so lange in negative Gedanken hinein, dass wir das Gefühl haben, diese Befürchtungen und Sorgen treten tatsächlich ein. Unser Gehirn kann nicht unterscheiden, ob wir nun tatsächlich von finanziellen Engpässen bedroht sind, eine Krankheit erleiden oder unseren Job verlieren - wenn wir uns diese Herausforderungen intensiv vorstellen, ist es aus neurobiologischer Sicht so, als wären diese tatsächlich eingetreten. Und bei mehr als 60 000 Gedanken pro Tag, von denen Studien zufolge mehr als 80 Prozent negativ sind, ist dies kein Wunder.

Die Wirkungsweise unseres Gehirns und die Kraft der Phantasie können wir nun auch bewusst positiv einsetzen.

Traumatherapie: Wieder Vertrauen fassen

Ich kenne die Sichere Ort-Übung schon seit meinem Studium und habe sie meist mit Traumatherapie in Verbindung gebracht. Bei dieser Übung stellt man sich einen Ort vor, an dem man sich sicher und geborgen fühlt, einen echten Wohlfühlort, an dem man nicht gestört wird. Wenn ein Mensch ein Trauma erlitten hat (etwa durch einen Missbrauch, einen Unfall, ein Kriegserlebnis, eine Misshandlung) zeigt der Traumatherapeut die Sichere Ort-Übung, um ein wichtiges Gefühl wiederherzustellen, das durch das Trauma verloren gegangen ist: Vertrauen. Erst wenn der Mensch wieder Vertrauen fassen kann, ist er bereit, sich zu öffnen und das Erlebte bewusst zu verarbeiten.

Kohärenztraining für`s Gehirn

Die Sichere Ort-Übung kann uns auch dann helfen, wenn wir von Ängsten und Sorgen geplagt werden. Denn alles, was uns aus dem persönlichen Gleichgewicht bringt, was uns “unseren Frieden nimmt”, ist für unser Gehirn ein Alarmzeichen. Schon Sigmund Freud beschrieb den Wunsch der menschlichen Psyche nach Kohärenz - nach dem Ausgleich, nach einem Gleichgewicht von Anspannung und Entspannung. Wird dieses Gleichgewicht gestört, fühlen wir uns “unrund”. Dann “stehen wir neben uns”, sind nicht “Herr unserer Sinne” - wir merken, dass wir etwas verändern müssen, um wieder entspannt und gelassen zu sein. Die Sichere Ort-Übung ist eine Möglichkeit, dieses Gleichgewicht wieder herzustellen. Man spricht in der Psychologie auch von einem Kohärenztraining.

Anleitung: Die Sichere Ort-Übung

Bei dieser sehr simplen Version der Übung bitte ich dich, dir einen Ort zu suchen, an dem du für die nächsten Minuten ungestört bist. Schalte dein Handy auf Flugmodus und mache es dir möglichst bequem. Du kannst diese Übung im Sitzen oder im Liegen durchführen.

Schließe nun deine Augen und nimm einen tiefen Atemzug: Durch die Nase ein, bis hinunter in deinen Bauchraum. Spüre, wie sich die Bauchdecke sanft hebt. Und atme dann wieder vollständig durch den Mund aus. Beobachte deinen Atem für drei Atemzüge, wie er ganz sanft ein- und wieder ausströmt. Spüre, wie du mit jedem Atemzug entspannter und gelassener wirst.

Nun denke an einen Ort, der dir das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Gelassenheit gibt. Das kann ein Ort sein, an dem du vor kurzem gewesen bist - vielleicht in deinem Urlaub: Ein besonders schöner Strand, eine Blumenwiese, eine Waldlichtung. Oder auch ein Ort, an dem du als Kind besonders gerne gewesen bist - der Garten deiner Großmutter, ein Baumhaus, eine Kuschelecke im Kindergarten, das Sofa der Lieblingstante. Vielleicht hast du dir so einen Ort auch in deinem Zuhause eingerichtet - ein lauschige Ecke, die für dich absolutes Wohlbefinden bedeutet. Es ist ein Ort der Sicherheit, Geborgenheit und Gelassenheit. Stelle dir diesen Ort so genau wie möglich vor. Wie sieht es dort aus? Was kannst du entdecken? Welche Farben siehst du? Welche Gerüche nimmst du wahr? Hörst du Geräusche? Begib dich an diesen Ort - an den Strand, auf die Blumenwiese, in das Baumhaus - und spüre, wie du dich dort fühlst. Ist dir warm? Fühlst du dich wohl und geborgen? Spürst du dieses Gefühl der Sicherheit, Geborgenheit und der Gelassenheit? Genieße dieses Gefühl und spüre, wie sich dieses Gefühl in deinem ganzen Körper ausbreitet. Du bist sicher, geborgen und gelassen. Du fühlst dich rundum wohl und entspannt. Nimm dir noch ein paar Minuten Zeit, um diesen Ort zu erkunden, um das wundervolle Gefühl der Sicherheit, Geborgenheit und der Gelassenheit zu genießen.

Dann nimm noch ein, zwei tiefe Atemzüge. Atme durch die Nase ein, bis hinunter in deinen Bauchraum. Spüre, wie sich die Bauchdecke sanft hebt. Und atme dann wieder vollständig durch den Mund aus. Beginne, deine Hände und Arme, deine Füße und Beine sanft auszuschütteln, dich zu räkeln und zu strecken. Und dann, wenn es für dich passt, kannst du die Augen wieder öffnen. Das wundervolle Gefühl der Sicherheit, Geborgenheit und der Gelassenheit kannst du mit in deinen Alltag nehmen.

Was bringt die Sichere Ort-Übung?

Diese ebenso einfache wie wohltuende Übung bringt dir Gelassenheit und Entspannung - innerhalb von wenigen Minuten. Du kannst die Übung nicht “richtig” oder “falsch” machen und es ist ganz normal, dass deine Gedanken immer wieder abschweifen. Wenn du dies bemerkst, komm einfach wieder zurück zur Übung. Wenn du diese Übung regelmäßig (zu Beginn täglich über zumindest drei Wochen) durchführst, wird es dir bald gelingen, auch in hektischen und sorgenvollen Zeiten gelassener und zuversichtlicher zu sein. Mit jedem Üben gibst du deinem Gehirn einen kleinen Urlaub von Sorgen und Ängsten. So kommst du Schritt für Schritt wieder ins Gleichgewicht.

Wie immer gilt: Je öfter du übst, desto besser.

Mein persönlicher Sicherer Ort

Übrigens: Mein SICHERER ORT ist eine Klippe auf meiner Lieblingsinsel Elba. Wann immer ich diese Übung praktiziere, spüre ich die Wärme auf meiner Haut, ich höre die Wellen, die an die Klippe schwappen, ich schmecke das Salz in der Meeresluft und spüre den Wind, der meine Haare streift. Durch diese einfache Übung hole ich mir dieses wundervolle Gefühl in meinen Alltag, das ist mit Elba verbinde. Mir wird wohlig warm, ich fühle mich entspannt und sicher und muss unweigerlich lächeln.


© privat. Mein Sehnsuchtsort - die Küste von Elba.

© privat. Mein Sehnsuchtsort - die Küste von Elba.

Ich wünsche dir viel Freude beim Üben!









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