Muss ich meditieren um glücklich zu sein?

Meditation liegt im Trend. Dazu musst du dich jedoch nicht im Schneidersitz hinsetzen und ein Räucherstäbchen anzünden. Es gibt viele Methoden, um dich zur Ruhe zu bringen. Probiere einfach aus, was dir gut tut.

Meditieren liegt im Trend. Ob zum Stressabbau, als Affirmationen persönlicher Ziele oder zum besseren Umgang mit Ängsten und Sorgen – es scheint, als wären die mentalen Übungen das Allheilmittel unserer Zeit. Für mich ist es selbst immer wieder überraschend, wie viele Menschen sich heutzutage regelmäßig ein paar Minuten Auszeit vom Alltag nehmen, sich in Ruhe hinsetzen und sich wahlweise auf ihre Atmung, ein Mantra oder (Achtung, Königsdisziplin!) gar nichts konzentrieren, um wieder runter zu kommen. Meine erste Berührung mit diesem Thema liegt (ich kann es selbst kaum glauben) Jahrzehnte zurück. Im Alter von 11 Jahren habe ich zum ersten Mal über die heilende Kraft des Yoga gelesen, in einem uralten, verstaubten Buch aus einer Kiste, auf die unsere Nachbaren „zu verschenken“ geschrieben und sie vor ihr Garagentor gestellt hatten. Neben all den akrobatischen Verrenkungen auf den Bildern aus den 60er Jahren hat mich das Kapitel über Meditation und Achtsamkeitsübungen sogleich fasziniert. Ich habe begonnen, mich ruhig hinzusetzten und versucht, an nichts zu denken. Das war eine spannende, aber auch frustrierende Erfahrung. Denn ich machte die gleiche Erfahrung wie so viele Menschen, die zum ersten Mal Übungen für mehr Ruhe und Entspannung ausprobieren: Ich kann nicht nichts denken! Doch damals war ich noch so naiv und unbedarft, dass ich mich nicht abbringen lies und es einfach weiter versuchte. Die offene Art, wie Kinder und besonders achtsam lebende Menschen an neue, unbekannte Situationen herangehen, wird im Buddhismus als Anfängergeist beschrieben. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich damals einfach keine Erwartungen daran hatte, wie die Meditation „richtig“ verlaufen müsse, ich probierte es einfach aus und es störte mich auch nicht weiter, dass meine Gedanken zwischendurch immer wieder herumsprangen wie ein Affe.

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“Wie ein besoffener Affe springt der Geist von Baum zu Baum.”

(aus dem Buddhismus)

Dieses Zitat fällt mir immer wieder ein, wenn ich mit meinen Klienten oder Freunden über das so genannte Monkeymind spreche. Dieses Phänomen beschreibt unseren unruhigen Geist, unsere Gedanken, unsere Angewohnheit, ständig Pläne zu schmieden, uns zu Sorgen, über Vergangenes oder über die Zukunft nachzudenken. Diese Worte bringen mich zum Schmunzeln und beruhigen, denn sie zeigen, dass es uns allen so geht. Selbst die erfahrensten Geistlichen kennen Momente, in denen ihre Gedanken überall anders sind, nur nicht im gegenwärtigen Moment. Das liegt einfach in unserer Natur. Zugleich wissen wir, dass diese Angewohnheit unseres Geistes dazu führen kann, dass wir unter Ängsten und Sorgen leiden, dass wir uns ständig gestresst fühlen und nicht zur Ruhe kommen. Warum soll ich meditieren Unter dem Begriff Meditation sind heutzutage viele Methoden zusammengefasst. Das Wort stammt vom lateinischen meditatitio und bedeutet „nachdenken, nachsinnen, überlegen, Mitte finden“. Die Achtsamkeits- und Konzentrationsübungen wurden ursprünglich vor allem im religiösen oder spirituellen Kontext verbreitet. In den 1970er Jahren begann ein regelrechter Boom, ausgelöst durch die Verbreitung des Yoga durch indische Gurus, die ihre jeweilige Praxis im Westen bekannt machten. Deshalb war Meditation lange Zeit von einer gewissen spirituellen Aura umgeben. Seit jeher ist ein Ziel der Meditationspraxis die Stärkung unseres Bewusstseins. Heute wissen wir aus neurobiologischen Studien: Mehr als 90 Prozent unseres Lebens verbringen wir unbewusst, in gewohnten Mustern, „nebenbei“, im Autopilotenmodus. Das ist eine wichtige Fähigkeit – es wäre unfassbar anstrengend, wenn wir uns jedes unserer über 60 000 Gedanken und der unzähligen Verhaltensweisen, die wir täglich ausführen, bewusst wären. Das wäre viel zu viel für unser Gehirn, wir wären komplett überfordert und ausgelaugt. Doch wenn wir unser Leben in manchen Bereichen bewusster leben möchten und nicht „nebenher“ leben möchten, brauchen wir gewisse Übungen, die uns aus den automatischen Mustern aussteigen lassen. Durch regelmäßiges Meditieren werden wir von unbewussten Menschen zu bewussten Menschen. Darin liegt ein Geheimnis der Meditation. Diese simplen, kostenlosen und überall anwendbaren Techniken sind eine wundervolle Möglichkeit, um mehr Kontrolle und zugleich Freiheit über unser Denken und Fühlen zu erhalten. Das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus, schrieb Sigmund Freud. Im vergangenen Jahrhundert haben sich viele seiner Kollegen mit der Faszination Meditation beschäftigt. Carl Gustav Jung, Viktor Frankl, Daniel Siegel... Psychologen und Psychotherapeuten schätzen die positive Wirkung auf unsere Gedanken, unsere Gefühle und unser Verhalten.

Meditieren verändert unser Gehirn

Und die Wissenschaft zeigt: Regelmäßiges Meditieren verändert unser Gehirn. Der Präfrontalcortex, der für Vernunft, Planen, Denken und vorausschauendes Denken zuständig ist, wird durch die regelmäßige Übung in seiner Funktion gestärkt, während die Überaktivität des limbischen Systems mit der Amygdala, der Alarmzentrale unseres Gehirns, vermindert wird. Wenn wir über einen längeren Zeitraum (Studien zufolge zumindest drei Wochen lang) können also besser mit Stresssituationen umgehen, ruhiger und gelassener reagieren und bessere Entscheidungen treffen. Heute gibt es zahlreiche unterschiedliche Meditationen mit jeweils unterschiedlichen Übungen. Gerade zu Beginn der Meditationspraxis ist es sehr hilfreich, sich regelmäßig angeleitete Meditationen anzuhören. Dabei ist es sehr wichtig, die jeweilige Stimme gerne zu hören, der Lautstärke und der Geschwindigkeit folgen zu können und die Stimme als angenehm zu empfinden. Wenn du regelmäßig Meditationen durchführst, wirst du bewusster und achtsamer werden. Du wirst bemerken, dass du in deinem gewöhnlichen Alltag unzählige Momente entdeckst, in denen du bewusst und achtsam sein kannst: Ein Vogel am Baum, ein freundliches Lächeln deines Gegenübers, eine kunstvoll gestaltete Dekoration beim Mittagstisch... Durch mehr Achtsamkeit lernen wir, unsere Augen und unsere Sinne bewusster einzusetzen und werden offener für alles Schöne, Wohltuende und Wunderbare in unserer Welt. Hier findest du spannende Studien.

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Welche Meditation ist die richtige für mich?

Die Antwort auf diese Frage kannst selbst entdecken. Probiere einfach mehrere Meditationen aus und folge dabei dem eingangs beschriebenen Anfängergeist: Höre dir unterschiedliche Meditationen an und fühle voll Neugierde und ohne Erwartung, was dir gut gelingt und wo du gut zuhören kannst. Das Monkeymind wird durch regelmäßiges Üben nach und nach gezähmt und schon bald gelingt es dir, für mehrere Minuten mit deinen Gedanken im jeweiligen Moment zu verweilen. Vergiss nicht: Wir sind Menschen und keine Roboter und bei der Mediation geht es nicht um Leistung und Erfolg. Die einzige Art, falsch zu meditieren, ist gar nicht zu meditieren. Zu den bekanntesten Meditationsarten zählen:

  1. Die Achtsamkeitsmeditation wie zB der Bodyscan (hier geht`s zur Anleitung)

  2. Die spirituelle Meditation

  3. Die fokussierte Meditation (konzentriere dich für zwei Minuten auf einen Gegenstand und beobachte, welche Gefühle und Gedanken auftauschen zB auf eine Kerze, ein Blatt, deine Handinnenflächen)

  4. Die Bewegungsmeditation (zB das achtsame Gehen)

  5. Die Mantrameditation

  6. Die Transzendentale Meditation (dazu gehört auch die Übung der liebevollen Güte)

    Ich hoffe, du wagst den ersten Schritt und probierst gleich heute eine Mediation aus!

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ÜBUNG: Mein sicherer Ort für Gelassenheit und Entspannung

Die Sichere Ort Übung hilft uns dabei, uns vor Ängsten, Sorgen und Befürchtungen zu schützen. In Verbindung mit der richtigen Atemtechnik (dem Atemraum) können wir uns voll Achtsamkeit ins Hier und Jetzt holen und so wieder entspannt und gelassen werden. Dies stärkt unsere Resilienz - unser geistiges Immunsystem.

Im Alltag sind wir häufig so überfordert, dass wir kaum einen klaren Gedanken fassen können. Gerade in hektischen Zeiten haben es Ängste, Sorgen und negative Gedanken dann besonders leicht, uns das Leben schwer zu machen. Wir grübeln ständig nach, werden von schlechtem Gewissen und Selbstvorwürfen gequält und versuchen, uns aus unseren Problemen “herauszudenken”. Wenn dir diese Situationen bekannt vorkommen hast du bestimmt schon bemerkt, dass es dich nicht weiterbringt, permanent darüber nachzudenken, wie du endlich wieder lockerer und gelassener wirst.

Ängste und Sorgen bringen uns aus dem Gleichgewicht

Sobald wir wieder mehr Ruhe haben und mehr “Luft” zum Atmen und Entspannen, lassen auch diese negativen Gedanken und Befürchtungen nach. Ein Blick ins Gehirn zeigt: In hochstressigen Phasen sind wir nur noch in automatischen Mustern unterwegs und haben kaum mehr Kapazität, um uns selbst zu beruhigen und die Dinge wieder mit dem nötigen Abstand zu sehen. Stress macht uns also blind für die schönen Seiten des Lebens, für all das, was den Schwierigkeiten, den Ängsten und Sorgen zum Trotz noch da ist. Außerdem werden wir in stressigen Zeiten besonders sensibel für alles Negative und Schwierige - ein Teufelskreis!

Eine sehr wertvolle und zugleich einfache Übung, die in der Psychotherapie gerne angewandt ist, ist die SICHERE ORT-Übung. Dabei machen wir uns unsere Vorstellungskraft im positiven Sinne zunutze.

Das Gegenteil passiert im Alltag, wo wir uns, meist unbemerkt, durch unsere Vorstellungskraft selbst das Leben zusätzlich erschweren. Wir denken und fühlen uns so lange in negative Gedanken hinein, dass wir das Gefühl haben, diese Befürchtungen und Sorgen treten tatsächlich ein. Unser Gehirn kann nicht unterscheiden, ob wir nun tatsächlich von finanziellen Engpässen bedroht sind, eine Krankheit erleiden oder unseren Job verlieren - wenn wir uns diese Herausforderungen intensiv vorstellen, ist es aus neurobiologischer Sicht so, als wären diese tatsächlich eingetreten. Und bei mehr als 60 000 Gedanken pro Tag, von denen Studien zufolge mehr als 80 Prozent negativ sind, ist dies kein Wunder.

Die Wirkungsweise unseres Gehirns und die Kraft der Phantasie können wir nun auch bewusst positiv einsetzen.

Traumatherapie: Wieder Vertrauen fassen

Ich kenne die Sichere Ort-Übung schon seit meinem Studium und habe sie meist mit Traumatherapie in Verbindung gebracht. Bei dieser Übung stellt man sich einen Ort vor, an dem man sich sicher und geborgen fühlt, einen echten Wohlfühlort, an dem man nicht gestört wird. Wenn ein Mensch ein Trauma erlitten hat (etwa durch einen Missbrauch, einen Unfall, ein Kriegserlebnis, eine Misshandlung) zeigt der Traumatherapeut die Sichere Ort-Übung, um ein wichtiges Gefühl wiederherzustellen, das durch das Trauma verloren gegangen ist: Vertrauen. Erst wenn der Mensch wieder Vertrauen fassen kann, ist er bereit, sich zu öffnen und das Erlebte bewusst zu verarbeiten.

Kohärenztraining für`s Gehirn

Die Sichere Ort-Übung kann uns auch dann helfen, wenn wir von Ängsten und Sorgen geplagt werden. Denn alles, was uns aus dem persönlichen Gleichgewicht bringt, was uns “unseren Frieden nimmt”, ist für unser Gehirn ein Alarmzeichen. Schon Sigmund Freud beschrieb den Wunsch der menschlichen Psyche nach Kohärenz - nach dem Ausgleich, nach einem Gleichgewicht von Anspannung und Entspannung. Wird dieses Gleichgewicht gestört, fühlen wir uns “unrund”. Dann “stehen wir neben uns”, sind nicht “Herr unserer Sinne” - wir merken, dass wir etwas verändern müssen, um wieder entspannt und gelassen zu sein. Die Sichere Ort-Übung ist eine Möglichkeit, dieses Gleichgewicht wieder herzustellen. Man spricht in der Psychologie auch von einem Kohärenztraining.

Anleitung: Die Sichere Ort-Übung

Bei dieser sehr simplen Version der Übung bitte ich dich, dir einen Ort zu suchen, an dem du für die nächsten Minuten ungestört bist. Schalte dein Handy auf Flugmodus und mache es dir möglichst bequem. Du kannst diese Übung im Sitzen oder im Liegen durchführen.

Schließe nun deine Augen und nimm einen tiefen Atemzug: Durch die Nase ein, bis hinunter in deinen Bauchraum. Spüre, wie sich die Bauchdecke sanft hebt. Und atme dann wieder vollständig durch den Mund aus. Beobachte deinen Atem für drei Atemzüge, wie er ganz sanft ein- und wieder ausströmt. Spüre, wie du mit jedem Atemzug entspannter und gelassener wirst.

Nun denke an einen Ort, der dir das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Gelassenheit gibt. Das kann ein Ort sein, an dem du vor kurzem gewesen bist - vielleicht in deinem Urlaub: Ein besonders schöner Strand, eine Blumenwiese, eine Waldlichtung. Oder auch ein Ort, an dem du als Kind besonders gerne gewesen bist - der Garten deiner Großmutter, ein Baumhaus, eine Kuschelecke im Kindergarten, das Sofa der Lieblingstante. Vielleicht hast du dir so einen Ort auch in deinem Zuhause eingerichtet - ein lauschige Ecke, die für dich absolutes Wohlbefinden bedeutet. Es ist ein Ort der Sicherheit, Geborgenheit und Gelassenheit. Stelle dir diesen Ort so genau wie möglich vor. Wie sieht es dort aus? Was kannst du entdecken? Welche Farben siehst du? Welche Gerüche nimmst du wahr? Hörst du Geräusche? Begib dich an diesen Ort - an den Strand, auf die Blumenwiese, in das Baumhaus - und spüre, wie du dich dort fühlst. Ist dir warm? Fühlst du dich wohl und geborgen? Spürst du dieses Gefühl der Sicherheit, Geborgenheit und der Gelassenheit? Genieße dieses Gefühl und spüre, wie sich dieses Gefühl in deinem ganzen Körper ausbreitet. Du bist sicher, geborgen und gelassen. Du fühlst dich rundum wohl und entspannt. Nimm dir noch ein paar Minuten Zeit, um diesen Ort zu erkunden, um das wundervolle Gefühl der Sicherheit, Geborgenheit und der Gelassenheit zu genießen.

Dann nimm noch ein, zwei tiefe Atemzüge. Atme durch die Nase ein, bis hinunter in deinen Bauchraum. Spüre, wie sich die Bauchdecke sanft hebt. Und atme dann wieder vollständig durch den Mund aus. Beginne, deine Hände und Arme, deine Füße und Beine sanft auszuschütteln, dich zu räkeln und zu strecken. Und dann, wenn es für dich passt, kannst du die Augen wieder öffnen. Das wundervolle Gefühl der Sicherheit, Geborgenheit und der Gelassenheit kannst du mit in deinen Alltag nehmen.

Was bringt die Sichere Ort-Übung?

Diese ebenso einfache wie wohltuende Übung bringt dir Gelassenheit und Entspannung - innerhalb von wenigen Minuten. Du kannst die Übung nicht “richtig” oder “falsch” machen und es ist ganz normal, dass deine Gedanken immer wieder abschweifen. Wenn du dies bemerkst, komm einfach wieder zurück zur Übung. Wenn du diese Übung regelmäßig (zu Beginn täglich über zumindest drei Wochen) durchführst, wird es dir bald gelingen, auch in hektischen und sorgenvollen Zeiten gelassener und zuversichtlicher zu sein. Mit jedem Üben gibst du deinem Gehirn einen kleinen Urlaub von Sorgen und Ängsten. So kommst du Schritt für Schritt wieder ins Gleichgewicht.

Wie immer gilt: Je öfter du übst, desto besser.

Mein persönlicher Sicherer Ort

Übrigens: Mein SICHERER ORT ist eine Klippe auf meiner Lieblingsinsel Elba. Wann immer ich diese Übung praktiziere, spüre ich die Wärme auf meiner Haut, ich höre die Wellen, die an die Klippe schwappen, ich schmecke das Salz in der Meeresluft und spüre den Wind, der meine Haare streift. Durch diese einfache Übung hole ich mir dieses wundervolle Gefühl in meinen Alltag, das ist mit Elba verbinde. Mir wird wohlig warm, ich fühle mich entspannt und sicher und muss unweigerlich lächeln.


© privat. Mein Sehnsuchtsort - die Küste von Elba.

© privat. Mein Sehnsuchtsort - die Küste von Elba.

Ich wünsche dir viel Freude beim Üben!









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Stop the ANTS

Was haben negative Gedanken, Ängste und Sorgen mit Ameisen zu tun? Der Arzt und Autor Daniel Amen hat eine spannende Technik für mehr Gelassenheit und Resiienz entwickelt!

Wir alle kennen negative Gedanken und Sorgen. In vielen Situationen verschwinden diese von alleine wieder. Bei ganz bestimmten Gedanken ist es aber fast so, als wäre eine alte Schallplatte hängen geblieben: Sie kommen einfach immer und immer wieder. Aus neurobiologischer Sicht hat sich für diese bestimmten Situationen und Themen ein festes Netzwerk in deinem Gehirn ausgeprägt. Und jedes Mal, wenn du wieder in die Gedankenfalle gerätst, wird diese negative Autobahn gefestigt. Genau aus diesem Grund ist es so wichtig, diese Gedanken zu stoppen. Selbstverständlich nur, wenn sie dich nicht weiter bringen. Wenn du eine wichtige Entscheidung treffen musst und du eine Lösung für ein konkretes Problem suchst, ist die Fähigkeit des Nachdenkens ja sehr praktisch. Doch wenn du schon bemerkt hast, dass du dich mit manchen Themen immer und immer wieder beschäftigst, du dabei aber nicht weiter kommst, kann es sinnvoll sein, diese Gedankenmuster endlich aufzuhalten.

Automatische negative Gedanken

Der Psychiater und Autor Daniel Amen spricht von AUTOMATIC NEGATIVE THOUGHTS, also automatischen negativen Gedanken. Er hat eine Technik entwickelt, um diese ANTS, so wie er sie abgekürzt bezeichnet, zu stoppen: Amen sagt „Stop the ANTS!“. Der Vergleich mit den Ameisen ist sehr passend, denn es geht darum, diese Automatischen negativen Gedanken aufzuhalten, wenn wir sie gerade nicht brauchen. Manchmal sind sie uns ja ganz nützlich, etwa wenn sie uns vor einer unangenehmen Situation beschützen oder uns eine Gefahr erkennen lassen. So sind auch Ameisen sehr nützlich, wenn sie in der richtigen Situation – etwa im Wald auftauchen. Doch niemand von uns möchte Ameisen in der Wohnung haben. Deshalb: Stop the Ants! Dort, wo wir sie nicht brauchen können, halten wir die Ameisen fern. Sie breiten sich sonst nämlich ziemlich schnell aus. Genauso können wir es auch mit negativen Gedanken machen – auch sie vermehren sich schnell, wenn wir ihnen nicht Einhalt gebieten.


Drei Schritte zur Freiheit

Dieser Gedankenstopp gelingt in drei Schritten: Der erste Schritt ist die Achtsamkeit. Also das bewusste erkennen, dass die negativen Gedanken in einem bestimmten Moment da sind. Dann das kritische Hinterfragen: Wenn eine Ameise über die Küchentheke krabbelt, brauchen wir auch erst die Achtsamkeit, um sie zu entdecken und dann kritisch zu werden und zu überlegen: „Gehört die hier her?“ So können wir es auch mit unseren Gedanken tun: Stimmt das wirklich, was ich mir das selbst einrede? Passt dieser Gedanke jetzt zu mir? Möchte ich mich jetzt damit beschäftigen?“. Der dritte Schritt ist schließlich, die Ameise zu stoppen. Also ich würde sie nehmen uns in den Garten bringen, wo sie besser aufgehoben ist. Unsere negativen Gedanken können wir ebenso ruhig, aber bestimmt verabschieden. Sie ziehen lassen, wie Wolken am Himmel. Und dabei merken: Sie verziehen sich, wenn wir nur ein bisschen warten, ein paar tiefe Atemzüge nehmen und sie nicht weiter herein bitten.

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Was bringt Journaling?

Wer seine Ängste und Sorgen regelmäßig niederschreibt, lebt leichter.

Seit meiner Kindheit vergeht kaum ein Tag, an dem ich kurz vor dem Schlafengehen nicht zumindest ein paar Stichworte in mein Tagebuch schreibe. In Phasen, in denen ich meine selfcare-Routine besonders ernst nehme, beginne ich meinen Tag auch damit, mir in meinem Tagebuch jene Dinge zu notieren, die mir heute wichtig sind. Mittlerweile gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien, die von den wohltuenden Effekten des „Journalings“ berichten. Egal du es ganz altmodisch Tagebuch oder ganz zeitgeistig Journal nennst – das Aufschreiben deiner Gedanken, Sorgen und Wünsche tut gut. Der Experte für Positive Psychologie, Martin Seligman, beschäftigt sich in seiner Forschung schon seit vielen Jahren mit den positiven Effekten des Journalings. Eine Möglichkeit, die eigenen Verhaltensweisen zu reflektieren, besteht darin, sich das eigene ABC-Modell anzusehen. Mehr darüber liest du in diesem Beitrag.

Negative Gedanken loswerden

Du kannst in deinem Journal unangenehme Situationen, belastende Ereignisse oder negative Gedanken niederschreiben. Die befreiende Wirkung des Aufschreibens wird auch beim Expressiven Schreiben - einer Therapieform aus den USA - deutlich. Dabei stellt man sich den Timer auf 15 Minuten, setzt sich vor das leere Blatt Papier und schreibt alles auf, was belastend ist - ohne darüber nachzudenken. Danach fühlst du dich sogleich erleichtert.

Positive Affirmationen

Ich selbst nutze mein Journal sehr gerne dazu, mir meine Ziele und Wünsche zu notieren. Wenn ich Lust dazu habe, dann gestalte ich meine Notizen auch noch mit Verzierungen, Skizzen und kreativen Gestaltungen. Je fantasievoller, desto besser - so wird das Journeln zur kreativen Meditation.

Journaling nach deinem Geschmack

Ganz gleich ob du morgens oder abends “journalst”, du deine Sorgen und Ängste oder deine Ziele und Wünsche mit diesem geduldigen Büchlein teilst, das regelmäßige “Journaln” kann zu einer wohltuenden Routine werden. Probier es einfach einmal aus!

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Verändere deine Einstellung und du veränderst dein Leben

Unsere Gefühle, Gedanken und unser Verhalten sind untrennbar miteinander verbunden. Wenn wir unsere Einstellung und Erwartungen verändern, verändern wir unser Leben.

Wenn wir uns über eine Situation ärgern oder uns von Sorgen in ihren Bann ziehen lassen, dann kommt uns diese unangenehme Reaktion wie ein ganz automatisches Muster vor. Es scheint fast so, als könnten wir gar nicht anders, als auf eine schlechte Nachricht oder ein störendes Ereignis in dieser Weise zu reagieren. In unserem Gehirn ist diese Reaktion auch als automatisches Verhaltensmuster abgespeichert, doch wenn wir bewusst einmal ganz genau hinschauen, können wir entdecken, woher diese Muster kommen.

Das ABC-Modell nach Albert Ellis

Der Psychologe und Verhaltenstherapeut Albert Ellis erklärt in einem ABC-Modell sehr anschaulich, wie stark die Rolle unserer Einstellung auf unser Leben ist.

Dabei steht das A für Activating Experiences: Das sind unsere inneren und äußeren Reize, die wir wahrnehmen. Also alles, was wir mit unseren Sinnen spüren. Alles, was wir sehen, hören, riechen, schmecken oder spüren. Alle Wahrnehmungen, die durch unsere Sinnesorgane in unser Gehirn gelangen und dort im Bruchteil einer Sekunde verarbeitet werden. B steht für unsere Beliefs, also unsere Erwartungen, Einstellungen, Annahmen und unsere Glaubenssätze. Sie sind nach Ellis der Grund für unsere individuellen Reaktionen. Denn je nachdem, welche Erwartungen wir an unser Leben haben, werden wir auf bestimmte Reize in einer bestimmten Art und Weise reagieren. Also wenn du etwa erwartest, dass in Zukunft bald etwas Schlimmes passieren wird, wirst du jeden Hinweis darauf als solchen interpretieren und darauf sehr ängstlich reagieren. Wenn du die Einstellung hast, dass Menschen immer pünktlich zu einer Verabredung kommen sollten, dann wirst du ganz automatisch genervt reagieren, wenn dein bester Freund dich warten lässt. Das C beschreibt schließlich die Consequence – also deine Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen, die durch das B entstehen. Dies ist durch unsere Reaktion spürbar – wir verhalten uns in einer bestimmten Art und Weise, wir machen uns Sorgen, ärgern uns, fallen in einen negativen Teufelskreis aus Gedanken und Befürchtungen... Diese Konsequenzen sind es, die uns im Alltag aufzeigen: Jetzt ärgere ich mich. Oder: Jetzt mache ich mir wieder Sorgen. Sie sind unsere alten, ungeliebten Reaktionsmuster, in die wir so schnell geraten.

Glaubenssätze und Einstellungen hinterfragen

Das ABC-Modell erklärt auch sehr anschaulich, warum es so hilfreich ist, an deinen Glaubenssätze und Einstellungen zu arbeiten. Denn wenn dir das gelingt, bist du nicht mehr im automatischen Reaktionsmuster von Ängsten und Sorgen gefangen – du kommst nicht automatisch von A nach B und dann nach C. Vielmehr kannst du durch ein verändertes B- also deine Beliefs – eine neue, wohltuendere Reaktion C zeigen. Wenn es dir durch achtsames und regelmäßiges Üben gelingt, deine Erwartungen zu verändern und ab sofort zu akzeptieren, dass schwierige Situationen zu unser aller Leben dazu gehören, wir daran aber nicht verzweifeln müssen, dann wird auch deine Reaktion gelassener und zuversichtlicher ausfallen. Unbewusste Muster Im Alltag ist uns dieser Zusammenhang von Erwartungen, Einstellungen und unserer Reaktion kaum bewusst. Diese Glaubenssätze und Erwartungen sind es, die – stark vereinfacht gesagt – unsere Autobahn im Gehirn aktivieren und zu unseren typischen Reaktionen führen. Wir spüren erst im Nachhinein, dass wir wieder in ein ungeliebtes Muster gefallen sind. Dann ärgern wir uns darüber oder wundern uns, wie das nur wieder passieren konnte, obwohl wir uns so fest vorgenommen haben, diesmal anders zu reagieren.

Achtsamkeit verändert dein Leben

Wenn du nun im ersten Schritt deine Erwartungen, Einstellungen, Annahmen und Glaubenssätze erkennst und regelmäßig Achtsamkeit übst, kannst du lernen, dich selbst anders zu verhalten. So gelingt es dir, besser mit Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen zurecht zu kommen und nicht mehr automatisch ins ungeliebte Muster zu fallen.

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Ist Selbstliebe nur was für Narzissten?

Wende dich dem wichtigsten Menschen in deinem Leben zu – dir selbst.

“Liebe deinen nächsten, wie dich selbst”, steht es in der Bibel. “Liebe dich selbst”, sagt Buddha. Wir übersehen so leicht, dass wir für uns selbst die wichtigste Person im Leben sind. Klar, wir lieben unsere Familie, unseren Partner, unsere Freunde… doch uns selbst vergessen wir allzu oft. Doch die Liebe zu allem anderen müssen wir erst uns selbst schenken. Sonst werden wir nicht dauerhaft glücklich und zufrieden sein können. Jeder Mensch braucht diese Liebe, um das Gefühl zu haben: Ich bin es mir selbst wert, ein gutes Leben zu führen. Der Dalai Lama sieht sogar das Streben nach persönlichem Glück als eines der höchsten Ziele im Leben und betont, dass dieser Weg mit der bedingungslosen Liebe zu uns selbst beginnt.

Mach jeden Tag einen Menschen glücklich!

Selbst – wenn dieser Mensch du selbst bist.

Vor allem – wenn dieser Mensch du selbst bist.

(Aus dem Zen-Buddhismus).

Nur was für Egomanen?

Wenn wir ganz genau in uns hinein spüren, dass wissen wir, wie gut es uns tut, uns selbst zu lieben, auf unsere Wünsche und Bedürfnisse zu achten, unserer inneren Stimme zu folgen. Doch wir trauen uns zu selten, dieser Intuition nachzugehen. Warum fällt es uns so schwer, uns selbst mindestens genau so wichtig zu nehmen wie unsere Mitmenschen?

Angst vor Ausgrenzung

Ein Grund dafür ist die Angst vor sozialer Ausgrenzung. Wir Menschen sind seit jeher soziale Wesen. Bereits unsere Vorfahren in der Steinzeit leben in Sippen zusammen und das sozial angepasste Verhalten war die einzige Möglichkeit, in dieser unsicheren Welt der damaligen Zeit zu überleben. Wir tun uns also schwer damit, andere Menschen zu verletzten, auch wenn wir dadurch uns selbst zurück nehmen und auf unsere Bedürfnisse verzichten. Dieses Harmoniebedürfnis ist also in uns angelegt.

Harmoniebedürfnis: Alles tun, um Streit zu vermeiden

Umso stärker kann sich dieser Wunsch nach ausgeglichenem Miteinander ausprägen, wenn wir in einer Familie aufwachsen, der diese Harmonie fehlt. Ein Kind, das seine Eltern permanent beim Streiten beobachtet, kann ein “Harmonie-Muster” entwickeln und später alles versuchen, um diese schwierigen Situationen nicht wieder durchleben zu müssen. Aber auch Familien, in denen Diskussionen und Streitigkeiten gar keinen Raum haben, können ein starkes Harmoniebedürfnis ausprägen.

Ich liebe mich selbst… wie schräg.

Ein weiterer Punkt, warum wir uns lieber nicht so sehr um unsere eigenen Bedürfnisse kümmern, ist die gesellschaftliche Sichtweise: Wer sich zu sehr an sich selbst denkt, ist ein Narzisst, ein Egoist, ein eingebildeter Mensch. Es kommt uns komisch und überheblich vor, wenn jemand aus tiefer Überzeugung sagt: “Ich liebe mich selbst, so wie ich bin.” Sogleich steigen Gefühle wie Neid, Empörung und Misstrauen in uns auf. Wir haben auch nie gelernt, uns selbst aufrichtig und ernst zu lieben, denn in der Gesellschaft der vergangenen Jahrzehnte hatte dies keinen Sinn.

Sich für andere aufopfern

Viel mehr galt es als Tuend, sich um andere zu kümmern, ja gar sich für andere aufzuopfern, am besten ohne sich zu beschweren. Kein Wunder: Unsere Großeltern haben den zweiten Weltkrieg noch erlebt, unsere Urgroßeltern den ersten Weltkrieg. Vor knapp 100 Jahren ging es ums bloße Überleben, da hatte die Zuwendung zu sich selbst kaum Platz. Und doch wissen wir heute, dass gerade in schwierigen Zeiten die liebevolle Zuwendung zu uns selbst so wohltuend sein kann, damit wir besser mit den Aufgaben in unserem Leben umgehen können. Denn ganz gleich ob wir eine schlechte Nachricht erhalten, ob wir in einer schwierigen Lebensphase stecken oder uns in einer ausweglosen Situation befinden - durch die bewusste Selbstliebe und das damit verbundene Selbstmitgefühl geben wir uns selbst Kraft und spenden uns Trost.

Mit dem Leben besser zurecht kommen

Selbstliebe hat also nichts damit zu tun, sich selbst besser zu fühlen als andere. Es geht auch nicht darum, sich vor den Herausforderungen des Lebens zu verstecken oder gar nur das zu tun, was uns gerade gefällt. Vielmehr ist die positive Zuwendung zu uns selbst die Grundlage für ein liebevolles Leben, in dem wir mit der wichtigsten Person in unserem Leben - nämlich uns selbst - gut auskommen, ihr gut zureden, wenn es einmal schwierig ist und sie loben, wenn etwas gut gelingt. Allen voran ist echte Selbstliebe die Voraussetzung dafür, dass wir auch andere -unseren Partner, unsere Freunde, unsere Kinder - authentisch und aufrichtig lieben können. Denn wenn wir uns selbst diese bedingungslose Liebe nicht schenken, suchen wir sie unser Leben lang im Außen. Diese hohen Erwartungen an unsere Mitmenschen kann eine große Belastung für eine Beziehung sein. Gerade darum ist es so hilfreich und wohltuend, uns selbst die Liebe zu schenken, dir wir alle verdienen.

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Annehmen, was ist: Wie Akzeptanz uns jetzt weiter bringt

Das Leben ist immer unvorhersehbar. Durch bewusste Akzeptanz gelingt es uns, besser durch bewegte Zeiten zu kommen.

In einer Zeit, in der Selbstoptimierung ein Hobby geworden ist, betrachten wir unser Leben gerne als Challenge, die es bestmöglich zu meistern gilt. Mit dem Bewusstsein, dass unser Leben keine Generalprobe ist und wir unsere Zeit bestmöglich “nutzen” sollen, versuchen immer mehr Menschen, das Allerbeste aus ihrem Leben zu machen. Dieses größere Bewusstsein bringt viel Gutes mit sich. Mehr Gesundheit und Wohlbefinden, mehr Bestätigung unserer Selbst, weil wir uns bemühen, konsequent und diszipliniert unsere Ziele zu verfolgen. (Vermeintlich) mehr Sicherheit, weil wir einen gewissen Bereich unseres Lebens beeinflussen und kontrollieren können. Mehr Erfolg, weil wir uns selbst sagen “Du schaffst das schon, bemüh dich, halte durch!”

Höher, schneller, weiter?

“Mit Disziplin, Ausdauer und Fokus kannst du alles erreichen”, lautet ein Credo der Leistungsgesellschaft. In vielen Bereichen hat diese Annahme durchaus ihre Berechtigung. Und doch gibt es immer wieder Situationen in unserem Leben, die wir weder durch große Anstrengung noch durch verbissene Ausdauer meistern können. Schlichtweg deshalb, weil im Leben nicht alles machbar ist. Diese Tatsache passt so gar nicht zu unserer “Höher, schneller, weiter”-Mentalität. Wenn wir jedoch verbissen daran festhalten, dass alles so sein soll, wie wir es haben möchten, dass wir alles beeinflussen können, wenn wir uns nur genug bemühen oder ständig denken “das doch nicht so sein kann”, laufen wir Gefahr, an unseren Erwartungen zu verzweifeln.

Kontrollverlust: Die Angst vor der Unsicherheit

Wir leben mit vielen Erwartungen, Projektionen und Verzerrungen, die dazu führen, dass wir mit unangenehmen Herausforderungen nicht zurecht kommen. Die starke Präsenz vom “perfekten Leben” auf den diversen social media-Kanälen verstärkt diese falschen Bilder der Realität noch mehr. Doch wenn wir im “echten Leben” dann einer schwierigen Situation, einer großen Herausforderung oder gar einer Krise begegnen, fühlen wir uns überwältigt und ohnmächtig. Die Unsicherheit darüber, was die nächsten Tage, Wochen und Monate mit sich bringen, macht uns Angst. Wir haben das Gefühl, jegliche Kontrolle zu verlieren. In solchen Zeiten beginnen wir zu schimpfen, zu jammern, zu hadern. Die Empörung, die Ohnmacht, die Angst, die Wut, die Traurigkeit, die Orientierungslosigkeit … sie alle sind normale, ganz menschliche Reaktionen auf diese Herausforderungen. Doch bringen sie uns wirklich weiter?

Die Anleitung für ein erfülltes Leben

Gerade in schwierigen Zeiten lese ich gerne in einem der aus meiner Sicht wertvollsten Bücher: “Das Buch der Freude”. Dieses wunderbare Sammlung an Lebensweisheiten beschreibt den persönlichen Austausch zweier Freunde, die zugleich zu den bedeutendsten Persönlichkeiten unserer Zeit gehören: Der Dalai Lama, das Oberhaupt der Tibeter und des tibetischen Buddhismus, und Desmond Tutu, dem Erzbischhof der Anglikanischen Kirche in Südafrika, neben Nelson Mandela einer der wichtigsten Symbolfiguren im Kampf gegen die Apartheid. Beide wurden für ihren Einsatz mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

In dieser rund 400 Seiten umfassenden Sammlung an persönlichen Geschichten, berührenden Anekdoten und wertvollen Lebensweisheiten beschreiben die beiden “Brüder im Geiste” acht Säulen der Freude. Die vierte Säule ist jene der Akzeptanz.

Akzeptanz als Grundlage der Freude

In der buddhistischen Tradition zielen viele Übungen darauf ab, uns von unseren überzogenen Erwartungen zu befreien. Gerade eine Krise, wie sie durch das Corona-Virus über uns hereingebrochen ist, lässt viele verzweifeln. Doch wenn wir versuchen, klar und distanziert zu denken, erkennen wir: Diese Verzweiflung, diese Wut, dieses Hadern, bringt uns nicht weiter.

“Stattdessen können wir akzeptieren, dass (…) wirklich schwierig ist und wir (…) gern verbessern würden. Wir müssen damit nicht unbedingt Erfolg haben, aber wir können es wenigstens versuchen”, erklärt der Dalai Lama im “Buch der Freude” anhand eines anderen Beispiels. Wir können in schwierigen Situationen also versuchen, eine Verbesserung zu erlangen. Dies geschieht jetzt gerade, indem sich viele Menschen auf die positiven Seiten dieser ungewöhnlichen Zeit fokussieren: Weniger Hektik, mehr Zeit zuhause, mehr Ressourcenschonung. Durch die Veränderung unserer Einstellung können wir also ein Stück besser mit dieser Herausforderung umgehen. Und doch bringt diese Krise Veränderungen mit sich, die keine positiven Nebeneffekte haben: Soziale Vereinsamung, finanzielle Einbußen, Existenzängste, erschwerte Bedingungen in vielen Alltagsbereichen, den Verlust von geliebten Lebensgewohnheiten, schwierige Situationen im neuen Alltag zuhause…

“Mit der Zeit (…) vielleicht weniger schwierig. Vielleicht aber auch nicht. Darüber haben wir keine Kontrolle, doch wir haben unseren geistigen Frieden bewahrt”, so der Dalai Lama weiter.

Akzeptanz ist der einzige Ort, an dem Veränderung beginnen kann. (Dalai Lama)

Trotzdem ja zum Leben sagen

Akzeptanz ist niemals passiv. Sie ist eine aktive, bewusste Entscheidung, das Leben trotz all seiner Schwierigkeiten anzunehmen. Das Leben besteht aus Sonnenstunden und Schattenstunden, auch wenn wir letztere so gerne vergessen, verdrängen, verteufeln. Und doch, oder gerade deshalb, können wir “Trotzdem ja zum Leben sagen”, wie der Titel des weltberühmten Buch des Österreichischen Arztes und Psychotherapeuten Viktor E. Frankl es so treffend beschreibt. Frankl hatte als einziger seiner Familie das KZ überlebt und musste nach seiner Entlassung erfahren, dass sowohl seine Mutter als auch seine geliebte Frau deportiert worden waren. Nach einer intensiven Zeit der Trauer und Verzweiflung gelang es Frankl, das Leben trotzdem, oder gerade deshalb, als sinnvoll zu betrachten.

Die Zukunft planen ohne Erwartungen

Eine andere Weisheit, die mich bestärkt, ist die buddhistische Annahme, dass wir Ziele benötigen, um uns zu motivieren und uns zu entwickeln, und zugleich jedoch nicht zu sehr darauf fokussieren oder gar anhaften sollten. Für unser Leben bedeutet dies: Wir können unsere Ziele verfolgen, uns voll Hingabe und Disziplin darauf freuen, sie zu erreichen, uns die Zukunft nach unseren Vorstellungen ausmalen und unser Bestes geben, um dorthin zu gelangen. Und zugleich dürfen wir uns loslösen von der Erwartung, dass das Leben genau nach unseren Vorstellungen verlaufen wird. Davon, dass die Zukunft so aussehen wird, wie wir sie uns wünschen. Von den Projektionen und Vorstellungen, die unserem Ego entspringen.

Man lernt, wenn etwas passiert

In der Theorie klingt diese Erkenntnis sinnvoll und beinahe banal. In der Praxis erfordert es einiges an Übung, dem Leben mit echter Offenheit und Akzeptanz zu begegnen. Schnell kommen Ungeduld und Selbstvorwürfe auf, wenn ich es nicht schaffe, achtsam zu sein und das Leben mit all seinen Herausforderungen zu akzeptieren. Wenn ich damit hadere, ich wütend werde, traurig bin, mich leid sehe, weil meine Zukunft nicht jene ist, die ich mir ausgemalt hatte. Dann erinnere ich mich an die Worte von Erzbischof Tutu: “Es ist wie mit Muskeln, die man trainieren muss, damit sie stark sind. Manchmal werden wir wütend auf uns selbst, weil wir glauben, wir müssten perfekt sein.” Ja, dieses Gefühl kenne ich nur zu gut. “Aber unsere Zeit auf Erden ist dafür da, dass wir lernen, gut zu sein, mehr liebevoller zu sein, dass wir lernen, mehr Mitgefühl zu haben. Und das lernt man nicht theoretisch. Man lernt, wenn etwas passiert, das einen auf die Probe stellt.”

Das Leben ist immer unvorhersehbar, unkontrollierbar, im positiven wie im schwierigen Sinne. Akzeptanz hilft uns dabei, mit den Herausforderungen bewusst umzugehen und das Leben zu nehmen, so wie es ist: Als wundervolles Geschenk.

Hier findest du die Übung für mehr Akzeptanz.

© Photo by Sead Dedić on Unsplash

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Dein Gehirn denkt dich

Je hektischer dein Alltag, desto eher schaltet dein Gehirn auf Autopilot. Durch Achtsamkeit kannst du lernen, wieder bewusster zu leben.

Weniger Stress, mehr Sport, bewusster leben, mehr genießen... wir alle wissen mittlerweile, was uns gut tut. Vielleicht hast du auch schon das ein oder andere Mal versucht, kleine Veränderungen in deinem Leben zu unternehmen. Dennoch fällt es schwer, nachhaltig aktiver, sportlicher, bewusster zu leben. Warum ist das eigentlich so? Ein Blick ins Gehirn zeigt uns Hinweise darauf, wie wir Menschen funktionieren. Ganz stark vereinfacht verfügen wir über drei unterschiedliche Gehirnbereiche:

  • Das Stammhirn und Kleinhirn (auch Reptilienhirn)

  • Das Säugerhirn (emotionale Gehirn, das limbische System)

  • Das Großhirn (Neokortex = „der neue Kortex“, da es sich um die „jüngste“ Schicht handelt)

Als wir vor über 100 Millionen Jahren die ersten Reptilien zu Säugetieren wurden, entwickelte sich auch ihr Gehirn weiter. Denn bis heute leben Reptilien wie das Krokodil mit einem Gehirn, das vor allem auf Überleben und Fortpflanzung programmiert ist. Hier werden die wichtigsten Basisfunktionen des Lebens gesteuert: Atmung, Herzschlag, das Bedürfnis nach Schlaf, Essen und Fortpflanzung. Mit der Weiterentwicklung der Säugetiere entwickelte sich auch das Gehirn weiter – Gefühle und Empfindungen wurden spürbar. Anders als Reptilien können Säugetiere das ungute Gefühl von Bedrohung, Furcht oder Wut aber auch Freude verspüren. Die Amygdala, ein mandelförmiges Nervenbündel im Limbischen System, Die abermalige Evolution zum Menschenaffen sorgte dafür, dass sich das Gehirn noch weiter ausprägte und wir unser Großhirn entwickelten. Diese oberste Schicht des Gehirns ist für analytisches Denken, Planen, mathematisches und sprachliches Verständnis zuständig und unterscheidet uns damit von den anderen Säugetieren. In einem ausgeglichenen Zustand können wir die „höheren“ Funktionen unseres Gehirns, die im Neokortex angesiedelt sind, optimal nutzen. Wir können vernünftig denken und Pläne schmieden, können uns selbst gut zureden und in Ruhe über eine Sache nachdenken.

Dauerstress führt zu Alarm im Gehirn

Je gestresster wir sind, desto schwieriger wird es für uns, diese wichtigen Gehirnbereiche zu aktivieren. Denn für unser Gehirn bedeutet Dauerstress „Alarm!“ und die höheren Funktionen werden nicht mehr aktiv. Das Gehirn funktioniert dann nur noch in den älteren, tiefer liegenden Schichten, quasi im Überlebensmodus. Wir denken nicht mehr klar, sondern leben sehr emotional (limbisches System), sind permanent schlechte gelaunt oder leicht reizbar. Der alltägliche Stress führt in unserem Organismus zu einem chronisch erhöhten Cortisollevel, wir können nicht mehr richtig abschalten und befinden uns im Ausnahmezustand. In diesem Dauerstress schaltet unser Gehirn auf Überlebensmodus und reagiert nach seinem ältesten Muster: Kampf, Flucht oder Todstellen. Wir erleben unsere täglichen ToDo-Listen, Termine und Verpflichtungen so bedrohlich, wie unsere Vorfahren zu Urzeiten ihre Fressfeinde. Damals wurde das biologische Programm für solche Situationen ausgebildet: Kämpfen, wenn es möglich ist, Flüchten, wenn wir schnell genug sind oder erstarren, wenn gar nichts mehr geht. In einem der drei Muster sind viele von uns gefangen, manche wechseln auch zwischen dem Gefühl, sich ständig durchzukämpfen (zeigt sich unter anderem in hoher Gereiztheit und aggressivem Umgang mit anderen), auf der Flucht zu sein (mit den daraus resultierenden Erschöpfungszuständen) oder einfach im Hamsterrad gefangen zu sein, ohne einen Ausweg zu finden (sie resignieren und funktionieren nur noch).

Wie kann Achtsamkeit helfen?

Neurobiologische Studien haben gezeigt, wie achtsame Übungen auf mehreren Ebenen helfen, wieder ins psychische Gleichgewicht zu kommen. Durch die bewusste, täglich durchgeführte Übung erlebt das Gehirn nachhaltig Entspannung. Stress wird abgebaut. Die Amygdala, die Alarmglocke, wird in ihrer Aktivität verringert, während der Präfrontalcortex (das Stirnhirn), ein wichtiger Bereich des Neokortex, in seiner Aktivität gestärkt wird. Ein aktiver Präfrontalcortex ist auch die Grundlage dafür, vernünftige Entscheidungen zu treffen und das Leben bewusst zu leben. Durch die tägliche Übung der Achtsamkeit gelingt es uns, aus alten Mustern auszusteigen und bewusst zu entscheiden, wie wir im jetzigen Moment handeln möchten.

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Akzeptanz lernen: Die buddhistische Praxis des Dalai Lama

Je gelassener wir mit den Herausforderungen in unserem Leben umgehen können, desto glücklicher sind wir.

Wenn es darum geht, unser Verhalten zu verändern, besser mit Gedanken und Gefühlen umzugehen, müssen wir in unserem Gehirn eine neue Autobahn aufbauen. Die Art und Weise, wie du bisher auf Situationen reagierst, hast du dir ebenfalls in der Vergangenheit angewöhnt – nur ist dieser Prozess ganz unbemerkt passiert, weil du nicht darüber nachgedacht hast. Du hast vielleicht deine Eltern, Geschwister oder Freunde dabei beobachtet, wie sie mit unangenehmen Situationen umgehen. Oder hast im Fernsehen gesehen, was die Gesellschaft so im Allgemeinen vom Leben erwartet und hast diese Werte für dich übernommen. Du hast vielleicht auch unbemerkt die Werte deines Partners übernommen, wie es in Beziehungen so üblich ist.

Gefangen in alten Verhaltensmustern

An all diesen sehr menschlichen Verhaltensweisen ist nichts aus zusetzten, außer dich selbst stören deine Reaktionen: Die Gedanken, die du dir machst, wenn du über globale Entwicklungen nachdenkst. Dieser Widerstand der aufkommt, wenn du dich eigentlich auf den Weg ins Fitnessstudio machen solltest. Die Selbstzweifel die dich innerlich zerreißen, wenn deine Nachricht nicht sofort beantwortet wird. All diese Reaktionen hast du irgendwann einmal gelernt und du kannst von Tag zu Tag lernen anders, für dich und dein Leben besser darauf zu reagieren.

Achtsamkeit und Akzeptanz

Der erste Schritt zur Veränderung ist die Achtsamkeit. Wenn du dir deiner automatischen Muster erst einmal bewusst wirst, kannst du sie verändern. Der zweite Schritt zu einem besseren Umgang mit den Herausforderungen des Lebens ist die Akzeptanz. Denn wenn es dir gelingt, auch schwierige Umstände zu akzeptieren und diese als Teil des menschlichen Lebens anzunehmen, kannst du gestärkt und bewusst leben. Akzeptanz bedeutet: „Das Leben so anzunehmen, wie es ist, ohne zu fordern, dass es anders sein muss.“ Akzeptanz lässt sich trainieren wie ein Muskel. Durch das tägliche Üben baust du in deinem Gehirn quasi eine Akzeptanzautobahn – eine offene, bewusste und akzeptierende Haltung wird Teil deiner Persönlichkeit. Vorausgesetzt, du übst regelmäßig über einen Zeitraum von zumindest drei Wochen. Wie beim Muskeltraining gilt auch für alle Bewusstseinsübungen: Je länger und öfter du übst, desto besser.

Diese Übung entstammt der Buddhistischen Tradition und zählt zu den Meditationen, die auch der Dalai Lama regelmäßig praktiziert.

Übung für mehr Akzeptanz: „Es ist, wie es ist“

1. Setze dich bequem hin und schließe die Augen.

2. Atme drei Mal tief durch die Nase ein, lasse den Atem bis in den Bauch hinab reichen und atme wieder vollständig durch Mund aus.

3. Achte darauf, was du rund um dich herum hörst. Nimm alle Geräusche einfach zur Kenntnis. Die Welt ist mit Geräuschen belebt, es ist, wie es ist. Wenn Gedanken, Gefühle oder Bewertungen gegen diese Geräusche auftauchen, dann lasse diese einfach weiterziehen. Wie Wolken am Himmel, wie Wellen, die kommen und gehen.

4. Konzentriere dich nun auf deinen Atem und beobachte, welche Gedanken und Gefühle auftauchen. Vielleicht spürst du etwas Unangenehmes in deinem Körper, vielleicht zwickt es an einer Stelle oder drückt es an einer anderen. Vielleicht kommen auch Gedanken daran, was du da überhaupt tust, was du stattdessen alles zu tun hättest und an das, was du heute noch erreichen musst.

5. Wenn diese oder ähnliche Gedanken auftauchen, lasse sie einfach weiterziehen. Wie Wolken am Himmel, wie Wellen, die kommen und gehen.

6. Beginne, diese Gedanken zu beobachten, ohne sie zu beurteilen.

7. Denke nun ganz bewusst an eine Situation aus deinem Leben, die zu akzeptieren dir schwerfällt. Es kann sich um Schwierigkeiten mit deinem Partner, Konflikte mit den Kindern, Erkrankungen von dir wichtigen Menschen, Probleme in der Arbeit, eigene Verhaltensweisen oder globale Entwicklungen handeln.

8. Denke daran: So ist die Wirklichkeit. Diese schmerzlichen Herausforderungen passieren, die schweren Zeiten gehören zum Leben so wie die schönen. Schmerzliche Realitäten passieren uns und den Menschen, die wir lieben.

9. Stelle dich der Tatsache, dass du nicht alle Faktoren beeinflussen kannst, die zu dieser Situation geführt haben.

10. Akzeptiere nun ganz bewusst, dass das, was passiert ist, passiert ist. Du kannst nichts mehr tun, um die Vergangenheit ungeschehen zu machen.

11. Sage dir: „Um das beste aus einer Situation machen zu können, muss ich erst einmal ihre Realität akzeptieren. Es ist, wie es ist.“

12. Nimm dann noch drei tiefe Atemzüge: Atme durch die Nase ein, vollständig bis in den Bauch hinunter. Und durch den Mund wieder aus.

13. Öffne die Augen und spüre nach, wie diese kurze Übung deine Haltung innerhalb von wenigen Minuten verändert hat.

14. Durch das tägliche Üben verinnerlichst du dieses gute Gefühl zu einem echten Teil deiner Persönlichkeit, in deinem Gehirn wird eine neue Autobahn ausgebildet, die alte, zweifelnde, kritische Autobahn verkümmert nach und nach.

Diese Übung habe ich aus dem “Buch der Freude” von Dalai Lama und Desmond Tutu, entnommen.

(© The Dalai Lama Trust, Desmond Tutu & Douglas Abrams. Das Buch der Freude. München: Heyne)

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Steinzeitmenschen im Designeranzug: Warum wir sind, wie wir sind

Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: Unser Gehirn funktioniert heute noch wie in der Steinzeit. Das moderne Leben versetzt uns in Dauerstress und Alarmbereitschaft.

Wie viel Prozent von dem, was du täglich erlebst, was du denkst und fühlst läuft bewusst ab? Die meisten Menschen glauben, dass sie ihr Leben aktiv steuern und wissen, warum sie sich wie verhalten. Meist spüren wir in besonders herausfordernden Situationen – das nervige Telefonat im Büro, die quengelen Kinder am Nachmittag, der Streit mit dem Partner, Die Forschungsergebnisse der Neurobiologie zeigen, dass wir heute noch zu einem großen Teil genau so funktionieren, wie unsere Vorfahren – der Homo Sapiens Sapiens. Wir besitzen schicke Desingerkleidung, leben in tollen Wohnungen und fahren moderne Automobile – doch im tiefen Inneren unseres Gehirns sitzt eine uralte Struktur, die unser Leben zum großen Teil bestimmt. Dieses Zusammenspiel erklärt, warum wir tun, was wir tun, auch wenn wir uns später darüber wundern. Die innere Struktur in unserem Gehirn hat sich seit Jahrtausenden nicht verändert. Das Stammhirn ist der Sitz unserer Aufmerksamkeit. Dieser uralte Bereich dient unter anderem unserer Aufmerksamkeitssteuerung und war somit zu Urzeiten eine der wichtigsten Funktionen, um nicht gefressen zu werden oder eine Beute zu verpassen. Bis heute ist das Stammhirn eine sehr wichtige Struktur, die genau filtert, was uns im Alltag bewusst wird und welche Informationen wir einfach vorbei ziehen lassen. Je gestresster wir sind, desto aktiver wird diese Aufmerksamkeitszentrale. Denn Stress bedeutet für das Gehirn: Alarm! Sei aufmerksam! Pass auf! Gleich kommt das Mammut oder der Säbelzahntiger! Über dem Stammhirn liegt das Limbische System, das für die emotionale Verarbeitung unserer Sinnesreize zuständig ist. Sehen unsere Augen beispielsweise eine Schlange, schrillen in der Amygdala (einer Struktur im Limbischen System, die auch als „Fear center“ bekannt ist) alle Alarmglocken. Erleben Menschen einen schlimmen Unfall mit, werden sie Zeugen einer Katstrophe oder erleiden einen Missbrauch, ist die Amygdala im Dauereinsatz. Das Limbische System funktioniert nach dem WIE-Prinzip: Wir sehen eine „Schlange“ auf dem Boden liegen und erfassen unbewusst innerhalb von Millisekunden, dass wir in Gefahr sind und entweder Fliehen, Kämpfen oder uns ruhig verhalten sollen (die 3F: Fight, Flight, Freezing sind die drei automatischen Reaktionsmöglichkeiten unseres Unbewusstseins). Stresshormone wie Cortisol werden ausgeschüttet, unser Nervensystem wird aktiviert, das Herz arbeitet schneller, der Puls steigt, der Magen verkrampft sich, die Muskeln spannen sich an – der Körper bereitet sich innerhalb von wenigen Augenblicken darauf vor, mit der Gefahr umzugehen. Das Stammhirn und das Limbische System sind sehr alte Strukturen, die in Urzeiten dem Überleben dienten. Sie stammen aus einer Zeit, in der wir noch keine Sprache zur Verfügung hatten und uns - weit weg von Smartphones und Tablets – ganz auf unser Gefühl verlassen mussten. Je mehr sich der Mensch vom Affen weiterentwickelte, umso größer wurde sein Gehirn – neue Gehirnstrukturen entstanden. Dazu gehört auch der Neocortex. Diese „jüngere“ Gehirnstruktur liegen eine Schicht über dem Limbischen System und ist unter anderem für Sprachproduktion (Broca-Areal) und Sprachverständnis (Werknicke-Areal), bewusstes Denken, Planung und Handlung (Präfrontalcortex) zuständig. Hier finden wir die Antwort auf die WAS-Frage: Was sehen wir (wirklich) vor uns? Bei näherem Hinsehen entpuppt sich die „Schlange“ als Ast, der am Boden liegt. Unser Gehirn sendet „Entwarnung“ an den Körper – die Stressreaktion lässt nach, langsam kommt das Herz wieder zur Ruhe, die Muskeln entspannen sich. Alles nicht so schlimm. Heute sind es nicht mehr die Mamuts, Säbelzahntiger und Schlagen, die uns alle paar Tage stressen. Vielmehr ist es die Dauerbelastung für all unsere Sinnesorgane: Das Smartphone, die permanente Erreichbarkeit, die Lärmbelastung des Stadtlebens, die Forderungen der Familienmitglieder, der nervige Chef, die unzufriedenen Kunden, der erwartungsvolle Partner, der eigne unerbitterliche Antreiber... wir sind gefangen in einem Hamsterrad voller Stressoren. Wenn Stressreaktionen mehrmals täglich aktiviert werden, kommt unser Körper nicht mehr zur Ruhe. Der Cortisolspiegel bleibt chronisch erhöht und schwächt somit auf Dauer das Immunsystem. Entzündungen können sich im Körper ausbreiten. Außerdem schlägt der Dauerstress auf die Stimmung – Angststörungen und Depressionen können die Folge sein.

Wie reduziere ich Stress?

Die meisten von uns wissen, wie ihre individuellen Stressfaktoren aussehen. Wenn nicht, dann lohnt es sich, in den nächsten drei Tagen genau zu notieren, wann man sich wieder genervt, gestresst, aufgebracht oder erschöpft fühlt und die Situationen davor genau zu beobachten. Wer seine Stressfaktoren kennt, kann versuchen, diese zu reduzieren. Klar, ein Jahr Weltreise ist immer eine gute Idee, nur leider nicht für jeden umsetzbar.  Bis dahin ist es hilfreich, Stressoren zu vermindern – stets im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten:

  • Stresst mich der Haushalt – vielleicht kann ich mir eine Haushalthilfe anschaffen, zumindest für die nächste Zeit.

  • Habe ich nie Zeit für mich? Vielleicht kann ich mir Unterstützung in der Kinderbetreuung suchen, wenn auch nur für eine Stunde pro Woche.

  • Nervt mich mein innerer Antreiber mit seinem Perfektion und seiner ständigen Kritik? Mit diesen Übungen kann ich diese inneren Muster verändern.

Zwei kostenlose und sehr hilfreiche Tipps gegen Stress

Bewegung: Wie Spazieren, Walken, Laufen oder Schwimmen. Zu den vielen Vorteilen der Bewegung (am allerbesten in der Natur) zählt der beschleunigte Abbau von Stresshormonen, die ohne Bewegung für lange Zeit im Körper verbleiben und nur sehr langsam abgebaut werden. Außerdem werden Glückshormone ausgeschüttet – die Stimmung steigt! Und die monotone  Bewegung verbindet die Gehirnstrukturen miteinander – das Bewusste und Unbewusste, das WIE und WAS, das Kreative und das Rationale können miteinander kommunizieren.

Meditation oder Bewusstseinsübungen: Wenn wir einerseits zur Ruhe kommen, uns zugleich aber ganz bewusst fokussieren, trainieren wir unsere Aufmerksamkeit und Konzentration. So gelingt es uns auch, in stressigen Situationen bewusster zu sein und einen kühlen Kopf zu bewahren, um nicht gleich wieder ins Stress-Hamsterrad einzusteigen.

 

 

 

 

 

 

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Positive Affirmationen: Wie du dein Gehirn umprogrammierst

Mit diesen einfachen Tricks gelingt es dir, deine Gedanken auf Erfolg und Zufriedenheit zu lenken.

Hast du das Gefühl, dein Leben selbst in der Hand zu haben? An manchen Tagen verfalle ich dieser Illusion. Ich folge brav meiner Routine, ich erledige meine ToDo`s, ich plane und arbeite wie ein Uhrwerk und dann stellt sich dieses Gefühl ein: Alles läuft perfekt. Ha, da ist sie schon, die Illusion. Denn im menschlichen Leben gibt es keine Perfektion. Die gibt es vielleicht in der Kunst, in der Mode, in der Haubengastronomie, im Spitzensport oder bei Tätigkeiten, die wir mit viel Liebe zum Detail ausführen. Sie sind Inseln in einem Alltag zwischen Normalität und Chaos. Umso schöner, dass wir uns an diesen kleinen, perfekten Momenten erfreuen können. Mir selbst gelingt dies durch positive Affirmationen. Sie zeigen mir, wie ich meinen Alltag positiver, lebensfroher und schöner gestalten kann.

Innere Antreiber: Sei perfekt, sei beliebt, sei die Beste!

Oft spüren wir erst, dass wir in einem negativen Sog gefangen sind, wenn wir total erschöpft sind, wenn wir uns mit Medien (suchtähnliches Scrollen durch social media...) betäuben oder körperlich spüren, dass wir vollkommen überfordert sind. Passiert es also so plötzlich, dass uns alles zu viel wird? Nein! Wenn wir genauer hinschauen, können wir die einzelnen Situationen erkennen, die zum Super-Gau geführt haben. Du kannst dich selbst einmal im Alltag beobachten. Vielleicht ist dein größtes Problem, dass deine Arbeit dich nervt. Das geht ganz vielen so. Aber die Arbeit an sich ist ja relativ neutral – mal mehr, mal weniger anstrengend. Was sie für dich so besonders kräfteraubend macht, sind deine inneren Antreiber. Wage das Experiment und beobachte einmal, was dir durch den Kopf geht, wenn du deine Arbeit verrichtest. Oft sind es Gedanken und Glaubenssätze wie „Du musst perfekt sein“ – der Garant für Überforderung. Oder „Du musst beliebt sein“ – ein Glaubenssatz, der uns zum beliebten Mitarbeiter und Kollegen macht, aber auf Dauer zur Erschöpfung führt. Wenn du diese Antreiber erkennst, kannst du dich bewusst beobachten. Kein Wunder, dass du dich abends kraftlos vom Schreibtisch nach Hause schleppst, wenn du den ganzen Tag versuchst, es allen Recht zu machen oder die Allerbeste sein möchtest. Diese Antreiber funktionieren wie negative Affirmationen für unser Gehirn und unser Unterbewusstsein. Sie kosten permanent Kraft, ohne uns langfristig zu dienen.

Einbildung oder Realität? Egal!

Unserem Gehirn ist es dabei (relativ) egal, ob wir tatsächlich perfekt sein müssen oder es uns über die Jahre hinweg „eingebläut“ haben. Dieses Phänomen funkitoniert auch verkehrt herum: Es kann nicht unterscheiden, ob wir einen schönen Moment tatsächlich so erleben oder ob er gerade nur in unserer Vorstellung abläuft. Ich mache mir dieses Phänomen gerne zu nutze. In meinen täglichen Meditationen baue ich also diese positiven Affirmationen ein. Welche Affirmationen zu dir passen? Am besten jene, die das Gegenteil von deinen inneren Antreibern sagen.

  • Sei perfekt – ich gebe mein Bestes und das reicht

  • Sei beliebt – es gibt Menschen die mich mögen und andere, die das eben nicht tun

  • Sei die Beste – Ich tue, was ich kann und das ist genug

  • Sei schneller – Ich arbeite in meinem Tempo so gut ich kann

Probiere ein bisschen herum, welcher Satz sich für dich gut anhört. Der wichtige erste Schritt besteht darin, diese innere kritische Stimme zu ertappen und genau hinzuhören, was sie sagt. Dann verfasse einen Satz mit Ich-Botschaft, der das Gegenteil besagt und der sich für dich gut anfühlt. Schreibe diesen Satz auf, in dein Journal, auf Post-Ist und gerne als deinen Smartphone-Hintergrund. Es ist wie beim Lernen von schwierigen Vokabeln: Je öfter am Tag du diese neuen, positiven Sätze siehst, desto besser werden sie in deinem Unterbewusstsein verankert.

Selbstwert und Körperbild verbessern mit Affirmationen

Die Technik der positiven Affirmationen ist im Yoga schon seit Jahrtausenden bekannt, dort werden sie Mantras genannt. Heute finden diese einfachen und doch so effektiven Techniken in vielen Therapien und Coachings immer mehr Zuspruch. Sie sind individuell und können an die jeweiligen Themen, die uns gerade beschäftigen, angepasst werden. Ich habe eine Zeit lang positive Affirmationen zum Thema Körperbild und Selbstwert verfasst und mir zb täglich aufgeschrieben: Ich liebe meinen Körper (bzw. eine bestimmte Stelle, dich ich eigentlich nicht so toll fand oder sogar hasste). Ich bin dankbar für all meine gesunden Zellen, die sich täglich erneuern und so gut zusammen arbeiten. Ich behandle meinen Körper wie einen Tempel. Diese positiven Affirmationen hatten (neben regelmäßiger Bewegung und Asanas) zur Folge, dass ich heute ein sehr gutes Körperbild habe und meinen Körper liebe und achte, so wie er ist. Du kannst die Affirmationen zusammenstellen und ausprobieren. Wichtig ist dabei nur, dass sie in Ich-Botschaften verfasst werden und du dich mit ihnen wirklich wohl fühlst. Dann kannst du dir täglich zu einer bestimmten Tageszeit ein zwei Minuten (oder mehr, das geht natürlich immer, muss aber nicht sein) nimmst, um dich mit diesen neuen, wohltuenden Worten zu beschäftigen. Schreib sie noch einmal in dein Journal – vielleicht sogar besonders schön, in verschiedenen Farben – unser Gehirn lernt durch die intensive und vielseitige Beschäftigung mit Neuem. Wenn du diese positiven Worte zusätzlich auf einem Postit am Spiegel hängen hast oder sie immer wieder auf deinem Smartphone siehst, wirst du umso öfter daran erinnert und die neuen Glaubenssätze „brennen“ sich als neue Muster in deine Gedanken und Gefühle ein. Falls du eine enge Freundin oder einen lieben Freund hast, kann dir dieser deine (und dir seine?) positive Affirmation ja vielleicht immer wieder per WhatsApp schicken? Das kann ein schönes gegenseitiges Zeichen der Freundschaft und Aufmerksamkeit sein.

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