Warum mache ich mir ständig Sorgen?

In diesem Beitrag erzähle ich dir davon, wie mich meine eigenen Ängste und Sorgen zu meiner Berufung geführt haben.

Warum denke ich ständig an die Zukunft? Warum grüble ich ständig? Warum kann ich den Moment nicht einfach genießen?

Wenn du auf diesen Artikel gestoßen bist, dann hast du dir diese Fragen bestimmt schon oft gestellt. Und es geht dir damit wie so vielen Menschen! Ich selbst erinnere mich noch zu gut an die Zeit, in der ich permanent im Gedankenrad gefangen war. Morgens, schon bevor ich meine Augen geöffnet hatte, begann sich das Rad zu drehen… Und bei allen Alltagsaktivitäten, in der Schule, während dem netten Gespräch mit der besten Freundin, bei der Laufrunde… meine Gedanken kamen einfach nicht zur Ruhe. Für mich war es damals schon zur Normalität geworden, ständig zu denken. An das, was kommen würde, an das, was alles schief gehen könnte, an die nächste große oder kleine Katastrophe. Erst ein Gespräch mit meinem Mann (damals noch Freund ;)… ist ja beinahe zwanzig Jahre her…!) hat mir die Augen geöffnet. Ganz beiläufig erwähnte er, wie sehr er das Laufen genieße, weil er dabei einfach mal “den Kopf ausschalten” konnte. Ich war komplett erstaunt! Bis dahin hatte ich nicht darüber nachgedacht, dass so ein Zustand möglich sei. Ein Zustand des Nicht-Denkens, des Nicht-Sorgens, eine Zeit, in der endlich Ruhe im Kopf herrschte. Ja, ich hatte mich schon Jahre davor mit Yoga und Meditationen beschäftigt und wenn ich mich nach den Yogaübungen entspannte, gab es diese ruhigen Momente in meinem Kopf. Doch dazwischen? Im Alltag? Nein, da drehte sich das Rad und kostete mir zunehmend Kraft. Dieses Gespräch motivierte mich - ich war fest dazu entschlossen, auch an diesen Punkt zu kommen. Und begann, mich sehr intensiv mit dem Thema Psychologie, Gedankenkontrolle und dem richtigen Umgang mit Ängsten und Sorgen zu beschäftigen. Ich lernte, woher die Tendenz kommt, sich ständig in Gedanken zu verstricken. Ich las von den Vorgängen in unserem Gehirn, die dazu führten, dass wir ständig in diesem alten, negativen Muster gefangen waren und dass wir mit jedem Mal noch “besser” (im negativen Sinn!) darin wurden, ganz tief in diese Muster zu kommen. Mit jedem Buch, das ich zu diesem Thema las, mit jedem Vortrag, den ich mir anschaute, wuchs meine Begeisterung und meine Motivation. Ich spürte: Ja, ich kann es schaffen, endlich Ruhe im Kopf zu finden! Dann würde ich endlich mehr Energie im Alltag haben, anstatt mich ständig gegen diese kräftezehrenden Gedankenmuster stemmen zu müssen.

Warum leiden wir Menschen unter unseren Gedanken?

Die wohl wichtigste Erkenntnis war damals: Wir alle leiden hin und wieder unter unserem unruhigen Geist. Die Buddhisten sprechen vom “Monkey Mind” und zeichnen das schöne Sinnbild vom “besoffenen Affen, der von Baum zu Baum springt.” Ja, genau so einen Affen (oder eine ganze Affenbande) hatte ich in meinem Kopf sitzen! Ich erkannte also, dass wir Menschen von Natur aus dazu neigen, uns das Leben von unseren Gedanken schwer machen zu lassen. Aber warum ist das eigentlich so?

Angst vor Feinden, Hunger und Tod

Die Evolutionspsychologie geht davon aus, dass wir heute noch genau so funktionieren wie unsere Vorfahren in der Steinzeit. Umgeben von Fressfeinden, drohendem Hungertod und kriegerischen Feinden war es unerlässlich, ständig auf der Hut zu sein. Wenn die Forscher recht haben (und zahlreiche Befunde sprechen dafür), dass leiden wir heute unser dem evolutionären Erbe der damaligen Zeit. Wir scannen quasi ständig unsere Umgebung nach potenziellen Gefahren ab. Und weil wir diese nur ganz selten entdecken, gehen die Gedanken auf die Reise in die Zukunft und finden schon mögliche Gefahren, vor denen wir uns fürchten können.

Die Angst aus längst vergangenen Tagen

Ein weiterer großer Einflussfaktor auf unsere Sorgen und Ängste sind unsere Gene. Wenn du so wie ich in Mitteleuropa lebst, dann bist du sehr wahrscheinlich in zweiter oder dritter Generation mit jemandem verwandt, der einen Krieg miterlebt hat. Für unser Urgroßeltern oder Ururgroßeltern bestand tatsächlich die Gefahr, von Feinden getötet zu werden, an einer Krankheit zu versterben, zu verhungern, zu verdursten… Kurzum, es war bestimmt keine einfache Zeit, in der man sich gemütlich auf die Dachterrasse gelegt hat und mit einem Cocktail in der Hand über die schönen Seiten des Lebens nachgedacht hat. Ich denke dabei immer an ein Experiment, das im Psychologiestudium gerne als Beispiel für den starken Einfluss der Gene auf unser Leben erzählt wird: Wenn man Ratten im Labor immer dann einen Stromschlag verpasst, wenn sie die Farbe Gelb sehen, speichern sie die Farbe Gelb als gefährlich ab. So weit, so logisch. Das Spannende an diesem Experiment zeigt sich jedoch in der nächsten Generation: Die Nachkommen dieser armen Tiere fürchten sich vor der Farbe Gelb, ohne jemals die Erfahrung gemacht zu haben, dass Gelb eine “gefährliche” Farbe ist. Die Natur versucht, uns durch solche vererbten Muster vor Gefahren zu schützen. Wir Menschen leiden oft unter solchen transgenerational weitergegebenen negativen Erinnerungen.

Unsere Vergangenheit bestimmt unsere Zukunft (mit!)

Zu diesen beiden Faktoren spielt natürlich auch unsere eigene Lebenserfahrung eine große Rolle. Ich selbst hatte bis zum damaligen Zeitpunkt mehrere schwierige Phasen miterlebt: Schmerzhafte Trennungserfahrungen, finanzielle Ausnahmesituationen, Erwachsene, die mit ihrem Leben selbst überfordert waren… Als Kinder kommen wir in eine Welt, von der wir noch nichts wissen. Wir beobachten die Menschen um uns herum dabei - allen vor an unsere Eltern und Geschwister - wie sie das Leben leben. Wir lernen durch ihre Reaktion auf schwierige Situationen, wie wir damit umgehen können. Wenn wir Glück haben, machen wir viele positive Erfahrungen. Diese erleichtern es uns, eine positive Sichtweise auf das Leben auszuprägen. Beobachten wir sie jedoch immer wieder dabei, wie sie voll Furcht und Sorge aus Herausforderungen reagieren, ist es wahrscheinlich, dass wir ähnliche Muster abspeichern.

Aaaaber: Die Resilienzforschung zeigt uns, dass wir auch trotz schwierigen Lebensbedingungen (oder gerade durch diese) zu starken Persönlichkeiten werden können. Die Kindheit alleine ist als nicht an allem Schuld ;) Mehr über das Thema findest du unter der Kategorie “Resilienz” und in meinem Online-Kurs “Resilienz & Zuversicht”.

Für mich selbst war diese Erkenntnis extrem wertvoll. Ich begann, mich selbst zu beobachten und erkannte, wie oft ich in “alten Mustern” reagierte, wenn ich voll Sorgen war. Ich spürte, dass manche Gefühle, die sich in meiner Magengegend bemerkbar machten, bereits vor vielen Jahren eingespeichert wurden und jetzt wie ein automatisches Muster aktiv wurden, sobald etwas ungewiss oder bedrohlich für mich war. Diese Selbsterfahrung war so hilfreich für mich und ich bemerkte schon bald, wie viel leichter es mir fiel, aus diesen alten Mustern auszusteigen und ruhiger, gelassener, besser auf schwierige Situationen zu reagieren. Ich spürte auch, wie stark mein persönlicher Stresslevel dazu beitrug, dass ich mich überfordert und ängstlich fühlte. Je mehr ich mich mit mir selbst und “meinen Themen” beschäftigte, desto mehr Freiheit und Kontrolle erhielt ich über meine Gedanken, desto besser konnte ich mit meinen Gefühlen umgehen.


Selbsterfahrung: Stark durch Krisen

Ich bin davon überzeugt, dass alles im Leben, sei es noch so schmerzhaft, seinen Grund hat. Ob dies nun eine allmächtige Gottheit, das Universum, Karma öde das Schicksal (oder alle zusammen?!) steuern, darüber kann ich mir (noch) kein Bild machen. Doch ich für mich finde es so befreiende und zugleich stärkend, auch in schwierigen Situationen darauf zu achten, was ich daraus lernen kann. Im Nachhinein gibt es viele Momente, die zwar eine große Herausforderung waren, mich aber gestärkt haben. Wenn ich etwas ändern könnte, würde ich es nicht tun. So ist das Leben. Da geht es auf und ab. Manches können wir aktiv beeinflussen, ganz oft sind wir jedoch Passagier.

Wir alle erleben Situationen, die uns an den Rand der Verzweiflung bringen. Wir können damit hadern, dagegen ankämpfen, uns ärgern. Doch wenn wir erkennen, was uns diese Aufgabe lehrt, dann können wir gestärkt daraus hervor gehen. Für mich hat diese Zeit genau das bewirkt: Ich habe vieles gelernt: Über uns Menschen, über mich, über meinen Muster. Und ich habe erkannt, wo meine Berufung liegt: In der Psychologie! Ich bin so fasziniert von der Möglichkeit, die eigenen Muster zu erkennen und diese zu verändern, dass ich dieses Wissen und die Techniken dazu voll Freude meinen Klientinnen weitergebe - ob in meiner Praxis oder digital, als Coach, Vortragende oder Psychotherapeutin - ich liebe, was ich tun darf. Jeden Tag!


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ÜBUNG: Selbstmitgefühl trainieren 

Gerade in schwierigen Phasen kann es gut tun, uns selbst beizustehen. Jeder von uns trägt diese Fähigkeit in sich. Wir können sie trainieren wie einen Muskel. So gelingt es leichter, aus alten, ungeliebten Mustern auszusteigen.

Unser Selbstmitgefühl können wir trainieren wie einen Muskel. Alle Säugetiere - auch der Mensch - verfügen im Gehirn über ein so genanntes Fürsorgesystem. Die Fähigkeit für andere und uns zu sorgen, ist in uns angelegt. Unser Fürsorgesystem sorgt dafür, dass wir mit belastenden Gefühlen aller Art umgehen können. Dazu gehören Stress, Angst, Traurigkeit, Wut oder andere Belastungen. Wir können uns dank dieses Systems selbst beruhigen und regulieren. Wir Menschen sind vermutlich die einzige Spezies, die über sich selbst nachdenken kann und somit auch lernen kann, mit diesem System gut umzugehen. 

Trösten gegen Stress

Kinder entdecken die Welt rund um sich voll Neugierde und Mut. Wenn ein Kind sich bei seiner Erkundungstour verletzt, möchte es von einer Bezugsperson getröstet werden. Kommt die Mutter angelaufen und tröstet das Kleine, passiert im Gehirn folgendes: Das automatische Fürsorgesystem beginnt zu arbeiten. Die Stresshormone Adrenalin und Cortisol, die durch den Sturz ausgeschüttet wurden, werden durch das Hormon Oxytocin (auch als „Kuschelhormon“ bekannt) und durch Endorphine gegenreguliert. Sobald sich das Kind wieder beruhigt hat, ist auch sein Körper wieder ausgeglichen - der kleine Mensch ist bereit für das nächste Abenteuer. Als Erwachsene übergehen wir diesen Schritt oft - wir nehmen uns nicht die Zeit, uns selbst zu regulieren und zu erholen. Wir bleiben ständig in der Anspannung - ein chronisch erhöhter Cortisolspiegel kann ein Anzeichen dafür sein. 

Selbstmitgefühl üben: Kristin Neff und Chris Germer

Experten für achtsames Selbstmitgefühl wie die Psychologen Kristin Neff und der Chris Germer zeigen ihren Klienten, wie man Selbstmitgefühl trainieren kann - wie einen Muskel. Dazu gibt es hilfreiche Übungen. Eine davon möchte ich dir heute vorstellen: “Der selbstmitfühlende Bodyscan”.

Die meisten von uns kennen bestimmte ungeliebte Muster, die uns immer wieder in den Teufelskreis aus negativen Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen geraten lassen. Wenn du etwa immer wieder Stress mit hastigem Essen und danach schlechtem Gewissen kennst, dann geht es dir wie so vielen Menschen. Durch Achtsamkeit und Selbstmitgefühl kannst du dieses Muster durchbrechen. Über zumindest drei Wochen lang den Bodyscan, am besten täglich zur gleichen Zeit. Durch diese Achtsamkeitsübung erhältst du mehr Gespür für dich und deinen Körper. Am besten gelingt dir der Bodyscan mithilfe einer Anleitung. Versuche, in jede Körperregion auch dein Selbstmitgefühl fließen zu lassen. Stelle dir genau vor, wie du dich durch deinen ganzen Körper “scannst” und dabei liebevoll und achtsam auf deinen Körper schaust.

Alte Muster erkennen und ändern

Wenn du den Bodyscan über mehrere Wochen lang täglich geübt hast, wirst du dieses Wunderwerk der Natur besser kennengelernt haben. Sobald du wieder in alte Muster zu fallen drohst, kannst du dich auf deinen Körper konzentrieren, die Liebe und das Selbstmitgefühl achtsam spüren und dich bewusst fragen: Falle ich jetzt ins alte Muster aus Stress, unausgewogenem Essen und Schuldgefühlen? Oder gehe ich einen neuen Weg?

Hier findest du eine Anleitung zum Bodyscan in der Kurzversion.

Je öfter dir das gelingt, desto stärker wird dein neues Muster. Ich wünsche dir viel Freude beim Üben!

Unsere Gesellschaft fördert das Selbstmitgefühl kaum. „Alles beginnt mit Sicherheit und Vertrauen ins uns selbst und andere.“ 

Ich kann mich fragen: Auf wen kann ich vertrauen? Auf wen kann ich mich stützen? Wenn uns niemand einfällt, auf den wir uns verlassen können, dann können wir selbst uns dieses Vertrauen und diesen Schutz schenken. Die meisten Menschen tun sich leichter, anderen Menschen Liebe und Zuwendung zu schenken, als sich selbst. Etwa unseren Kindern, einem Partner oder einem Freund. 

Durch Achtsamkeit können wir lernen, besser mit unseren Gefühlen und unseren Gedanken umzugehen. Wir können uns fragen: „Was brauche ich jetzt wirklich?“

Der Bodyscan ist aus der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion bekannt. Gemeinsam mit dem Fokus auf die Selbstmitgefühl können wir nach und nach unsere Empfindungen erkennen und gut zu uns selbst sein. 

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Dein Gehirn denkt dich

Je hektischer dein Alltag, desto eher schaltet dein Gehirn auf Autopilot. Durch Achtsamkeit kannst du lernen, wieder bewusster zu leben.

Weniger Stress, mehr Sport, bewusster leben, mehr genießen... wir alle wissen mittlerweile, was uns gut tut. Vielleicht hast du auch schon das ein oder andere Mal versucht, kleine Veränderungen in deinem Leben zu unternehmen. Dennoch fällt es schwer, nachhaltig aktiver, sportlicher, bewusster zu leben. Warum ist das eigentlich so? Ein Blick ins Gehirn zeigt uns Hinweise darauf, wie wir Menschen funktionieren. Ganz stark vereinfacht verfügen wir über drei unterschiedliche Gehirnbereiche:

  • Das Stammhirn und Kleinhirn (auch Reptilienhirn)

  • Das Säugerhirn (emotionale Gehirn, das limbische System)

  • Das Großhirn (Neokortex = „der neue Kortex“, da es sich um die „jüngste“ Schicht handelt)

Als wir vor über 100 Millionen Jahren die ersten Reptilien zu Säugetieren wurden, entwickelte sich auch ihr Gehirn weiter. Denn bis heute leben Reptilien wie das Krokodil mit einem Gehirn, das vor allem auf Überleben und Fortpflanzung programmiert ist. Hier werden die wichtigsten Basisfunktionen des Lebens gesteuert: Atmung, Herzschlag, das Bedürfnis nach Schlaf, Essen und Fortpflanzung. Mit der Weiterentwicklung der Säugetiere entwickelte sich auch das Gehirn weiter – Gefühle und Empfindungen wurden spürbar. Anders als Reptilien können Säugetiere das ungute Gefühl von Bedrohung, Furcht oder Wut aber auch Freude verspüren. Die Amygdala, ein mandelförmiges Nervenbündel im Limbischen System, Die abermalige Evolution zum Menschenaffen sorgte dafür, dass sich das Gehirn noch weiter ausprägte und wir unser Großhirn entwickelten. Diese oberste Schicht des Gehirns ist für analytisches Denken, Planen, mathematisches und sprachliches Verständnis zuständig und unterscheidet uns damit von den anderen Säugetieren. In einem ausgeglichenen Zustand können wir die „höheren“ Funktionen unseres Gehirns, die im Neokortex angesiedelt sind, optimal nutzen. Wir können vernünftig denken und Pläne schmieden, können uns selbst gut zureden und in Ruhe über eine Sache nachdenken.

Dauerstress führt zu Alarm im Gehirn

Je gestresster wir sind, desto schwieriger wird es für uns, diese wichtigen Gehirnbereiche zu aktivieren. Denn für unser Gehirn bedeutet Dauerstress „Alarm!“ und die höheren Funktionen werden nicht mehr aktiv. Das Gehirn funktioniert dann nur noch in den älteren, tiefer liegenden Schichten, quasi im Überlebensmodus. Wir denken nicht mehr klar, sondern leben sehr emotional (limbisches System), sind permanent schlechte gelaunt oder leicht reizbar. Der alltägliche Stress führt in unserem Organismus zu einem chronisch erhöhten Cortisollevel, wir können nicht mehr richtig abschalten und befinden uns im Ausnahmezustand. In diesem Dauerstress schaltet unser Gehirn auf Überlebensmodus und reagiert nach seinem ältesten Muster: Kampf, Flucht oder Todstellen. Wir erleben unsere täglichen ToDo-Listen, Termine und Verpflichtungen so bedrohlich, wie unsere Vorfahren zu Urzeiten ihre Fressfeinde. Damals wurde das biologische Programm für solche Situationen ausgebildet: Kämpfen, wenn es möglich ist, Flüchten, wenn wir schnell genug sind oder erstarren, wenn gar nichts mehr geht. In einem der drei Muster sind viele von uns gefangen, manche wechseln auch zwischen dem Gefühl, sich ständig durchzukämpfen (zeigt sich unter anderem in hoher Gereiztheit und aggressivem Umgang mit anderen), auf der Flucht zu sein (mit den daraus resultierenden Erschöpfungszuständen) oder einfach im Hamsterrad gefangen zu sein, ohne einen Ausweg zu finden (sie resignieren und funktionieren nur noch).

Wie kann Achtsamkeit helfen?

Neurobiologische Studien haben gezeigt, wie achtsame Übungen auf mehreren Ebenen helfen, wieder ins psychische Gleichgewicht zu kommen. Durch die bewusste, täglich durchgeführte Übung erlebt das Gehirn nachhaltig Entspannung. Stress wird abgebaut. Die Amygdala, die Alarmglocke, wird in ihrer Aktivität verringert, während der Präfrontalcortex (das Stirnhirn), ein wichtiger Bereich des Neokortex, in seiner Aktivität gestärkt wird. Ein aktiver Präfrontalcortex ist auch die Grundlage dafür, vernünftige Entscheidungen zu treffen und das Leben bewusst zu leben. Durch die tägliche Übung der Achtsamkeit gelingt es uns, aus alten Mustern auszusteigen und bewusst zu entscheiden, wie wir im jetzigen Moment handeln möchten.

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Steinzeitmenschen im Designeranzug: Warum wir sind, wie wir sind

Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: Unser Gehirn funktioniert heute noch wie in der Steinzeit. Das moderne Leben versetzt uns in Dauerstress und Alarmbereitschaft.

Wie viel Prozent von dem, was du täglich erlebst, was du denkst und fühlst läuft bewusst ab? Die meisten Menschen glauben, dass sie ihr Leben aktiv steuern und wissen, warum sie sich wie verhalten. Meist spüren wir in besonders herausfordernden Situationen – das nervige Telefonat im Büro, die quengelen Kinder am Nachmittag, der Streit mit dem Partner, Die Forschungsergebnisse der Neurobiologie zeigen, dass wir heute noch zu einem großen Teil genau so funktionieren, wie unsere Vorfahren – der Homo Sapiens Sapiens. Wir besitzen schicke Desingerkleidung, leben in tollen Wohnungen und fahren moderne Automobile – doch im tiefen Inneren unseres Gehirns sitzt eine uralte Struktur, die unser Leben zum großen Teil bestimmt. Dieses Zusammenspiel erklärt, warum wir tun, was wir tun, auch wenn wir uns später darüber wundern. Die innere Struktur in unserem Gehirn hat sich seit Jahrtausenden nicht verändert. Das Stammhirn ist der Sitz unserer Aufmerksamkeit. Dieser uralte Bereich dient unter anderem unserer Aufmerksamkeitssteuerung und war somit zu Urzeiten eine der wichtigsten Funktionen, um nicht gefressen zu werden oder eine Beute zu verpassen. Bis heute ist das Stammhirn eine sehr wichtige Struktur, die genau filtert, was uns im Alltag bewusst wird und welche Informationen wir einfach vorbei ziehen lassen. Je gestresster wir sind, desto aktiver wird diese Aufmerksamkeitszentrale. Denn Stress bedeutet für das Gehirn: Alarm! Sei aufmerksam! Pass auf! Gleich kommt das Mammut oder der Säbelzahntiger! Über dem Stammhirn liegt das Limbische System, das für die emotionale Verarbeitung unserer Sinnesreize zuständig ist. Sehen unsere Augen beispielsweise eine Schlange, schrillen in der Amygdala (einer Struktur im Limbischen System, die auch als „Fear center“ bekannt ist) alle Alarmglocken. Erleben Menschen einen schlimmen Unfall mit, werden sie Zeugen einer Katstrophe oder erleiden einen Missbrauch, ist die Amygdala im Dauereinsatz. Das Limbische System funktioniert nach dem WIE-Prinzip: Wir sehen eine „Schlange“ auf dem Boden liegen und erfassen unbewusst innerhalb von Millisekunden, dass wir in Gefahr sind und entweder Fliehen, Kämpfen oder uns ruhig verhalten sollen (die 3F: Fight, Flight, Freezing sind die drei automatischen Reaktionsmöglichkeiten unseres Unbewusstseins). Stresshormone wie Cortisol werden ausgeschüttet, unser Nervensystem wird aktiviert, das Herz arbeitet schneller, der Puls steigt, der Magen verkrampft sich, die Muskeln spannen sich an – der Körper bereitet sich innerhalb von wenigen Augenblicken darauf vor, mit der Gefahr umzugehen. Das Stammhirn und das Limbische System sind sehr alte Strukturen, die in Urzeiten dem Überleben dienten. Sie stammen aus einer Zeit, in der wir noch keine Sprache zur Verfügung hatten und uns - weit weg von Smartphones und Tablets – ganz auf unser Gefühl verlassen mussten. Je mehr sich der Mensch vom Affen weiterentwickelte, umso größer wurde sein Gehirn – neue Gehirnstrukturen entstanden. Dazu gehört auch der Neocortex. Diese „jüngere“ Gehirnstruktur liegen eine Schicht über dem Limbischen System und ist unter anderem für Sprachproduktion (Broca-Areal) und Sprachverständnis (Werknicke-Areal), bewusstes Denken, Planung und Handlung (Präfrontalcortex) zuständig. Hier finden wir die Antwort auf die WAS-Frage: Was sehen wir (wirklich) vor uns? Bei näherem Hinsehen entpuppt sich die „Schlange“ als Ast, der am Boden liegt. Unser Gehirn sendet „Entwarnung“ an den Körper – die Stressreaktion lässt nach, langsam kommt das Herz wieder zur Ruhe, die Muskeln entspannen sich. Alles nicht so schlimm. Heute sind es nicht mehr die Mamuts, Säbelzahntiger und Schlagen, die uns alle paar Tage stressen. Vielmehr ist es die Dauerbelastung für all unsere Sinnesorgane: Das Smartphone, die permanente Erreichbarkeit, die Lärmbelastung des Stadtlebens, die Forderungen der Familienmitglieder, der nervige Chef, die unzufriedenen Kunden, der erwartungsvolle Partner, der eigne unerbitterliche Antreiber... wir sind gefangen in einem Hamsterrad voller Stressoren. Wenn Stressreaktionen mehrmals täglich aktiviert werden, kommt unser Körper nicht mehr zur Ruhe. Der Cortisolspiegel bleibt chronisch erhöht und schwächt somit auf Dauer das Immunsystem. Entzündungen können sich im Körper ausbreiten. Außerdem schlägt der Dauerstress auf die Stimmung – Angststörungen und Depressionen können die Folge sein.

Wie reduziere ich Stress?

Die meisten von uns wissen, wie ihre individuellen Stressfaktoren aussehen. Wenn nicht, dann lohnt es sich, in den nächsten drei Tagen genau zu notieren, wann man sich wieder genervt, gestresst, aufgebracht oder erschöpft fühlt und die Situationen davor genau zu beobachten. Wer seine Stressfaktoren kennt, kann versuchen, diese zu reduzieren. Klar, ein Jahr Weltreise ist immer eine gute Idee, nur leider nicht für jeden umsetzbar.  Bis dahin ist es hilfreich, Stressoren zu vermindern – stets im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten:

  • Stresst mich der Haushalt – vielleicht kann ich mir eine Haushalthilfe anschaffen, zumindest für die nächste Zeit.

  • Habe ich nie Zeit für mich? Vielleicht kann ich mir Unterstützung in der Kinderbetreuung suchen, wenn auch nur für eine Stunde pro Woche.

  • Nervt mich mein innerer Antreiber mit seinem Perfektion und seiner ständigen Kritik? Mit diesen Übungen kann ich diese inneren Muster verändern.

Zwei kostenlose und sehr hilfreiche Tipps gegen Stress

Bewegung: Wie Spazieren, Walken, Laufen oder Schwimmen. Zu den vielen Vorteilen der Bewegung (am allerbesten in der Natur) zählt der beschleunigte Abbau von Stresshormonen, die ohne Bewegung für lange Zeit im Körper verbleiben und nur sehr langsam abgebaut werden. Außerdem werden Glückshormone ausgeschüttet – die Stimmung steigt! Und die monotone  Bewegung verbindet die Gehirnstrukturen miteinander – das Bewusste und Unbewusste, das WIE und WAS, das Kreative und das Rationale können miteinander kommunizieren.

Meditation oder Bewusstseinsübungen: Wenn wir einerseits zur Ruhe kommen, uns zugleich aber ganz bewusst fokussieren, trainieren wir unsere Aufmerksamkeit und Konzentration. So gelingt es uns auch, in stressigen Situationen bewusster zu sein und einen kühlen Kopf zu bewahren, um nicht gleich wieder ins Stress-Hamsterrad einzusteigen.

 

 

 

 

 

 

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Positive Affirmationen: Wie du dein Gehirn umprogrammierst

Mit diesen einfachen Tricks gelingt es dir, deine Gedanken auf Erfolg und Zufriedenheit zu lenken.

Hast du das Gefühl, dein Leben selbst in der Hand zu haben? An manchen Tagen verfalle ich dieser Illusion. Ich folge brav meiner Routine, ich erledige meine ToDo`s, ich plane und arbeite wie ein Uhrwerk und dann stellt sich dieses Gefühl ein: Alles läuft perfekt. Ha, da ist sie schon, die Illusion. Denn im menschlichen Leben gibt es keine Perfektion. Die gibt es vielleicht in der Kunst, in der Mode, in der Haubengastronomie, im Spitzensport oder bei Tätigkeiten, die wir mit viel Liebe zum Detail ausführen. Sie sind Inseln in einem Alltag zwischen Normalität und Chaos. Umso schöner, dass wir uns an diesen kleinen, perfekten Momenten erfreuen können. Mir selbst gelingt dies durch positive Affirmationen. Sie zeigen mir, wie ich meinen Alltag positiver, lebensfroher und schöner gestalten kann.

Innere Antreiber: Sei perfekt, sei beliebt, sei die Beste!

Oft spüren wir erst, dass wir in einem negativen Sog gefangen sind, wenn wir total erschöpft sind, wenn wir uns mit Medien (suchtähnliches Scrollen durch social media...) betäuben oder körperlich spüren, dass wir vollkommen überfordert sind. Passiert es also so plötzlich, dass uns alles zu viel wird? Nein! Wenn wir genauer hinschauen, können wir die einzelnen Situationen erkennen, die zum Super-Gau geführt haben. Du kannst dich selbst einmal im Alltag beobachten. Vielleicht ist dein größtes Problem, dass deine Arbeit dich nervt. Das geht ganz vielen so. Aber die Arbeit an sich ist ja relativ neutral – mal mehr, mal weniger anstrengend. Was sie für dich so besonders kräfteraubend macht, sind deine inneren Antreiber. Wage das Experiment und beobachte einmal, was dir durch den Kopf geht, wenn du deine Arbeit verrichtest. Oft sind es Gedanken und Glaubenssätze wie „Du musst perfekt sein“ – der Garant für Überforderung. Oder „Du musst beliebt sein“ – ein Glaubenssatz, der uns zum beliebten Mitarbeiter und Kollegen macht, aber auf Dauer zur Erschöpfung führt. Wenn du diese Antreiber erkennst, kannst du dich bewusst beobachten. Kein Wunder, dass du dich abends kraftlos vom Schreibtisch nach Hause schleppst, wenn du den ganzen Tag versuchst, es allen Recht zu machen oder die Allerbeste sein möchtest. Diese Antreiber funktionieren wie negative Affirmationen für unser Gehirn und unser Unterbewusstsein. Sie kosten permanent Kraft, ohne uns langfristig zu dienen.

Einbildung oder Realität? Egal!

Unserem Gehirn ist es dabei (relativ) egal, ob wir tatsächlich perfekt sein müssen oder es uns über die Jahre hinweg „eingebläut“ haben. Dieses Phänomen funkitoniert auch verkehrt herum: Es kann nicht unterscheiden, ob wir einen schönen Moment tatsächlich so erleben oder ob er gerade nur in unserer Vorstellung abläuft. Ich mache mir dieses Phänomen gerne zu nutze. In meinen täglichen Meditationen baue ich also diese positiven Affirmationen ein. Welche Affirmationen zu dir passen? Am besten jene, die das Gegenteil von deinen inneren Antreibern sagen.

  • Sei perfekt – ich gebe mein Bestes und das reicht

  • Sei beliebt – es gibt Menschen die mich mögen und andere, die das eben nicht tun

  • Sei die Beste – Ich tue, was ich kann und das ist genug

  • Sei schneller – Ich arbeite in meinem Tempo so gut ich kann

Probiere ein bisschen herum, welcher Satz sich für dich gut anhört. Der wichtige erste Schritt besteht darin, diese innere kritische Stimme zu ertappen und genau hinzuhören, was sie sagt. Dann verfasse einen Satz mit Ich-Botschaft, der das Gegenteil besagt und der sich für dich gut anfühlt. Schreibe diesen Satz auf, in dein Journal, auf Post-Ist und gerne als deinen Smartphone-Hintergrund. Es ist wie beim Lernen von schwierigen Vokabeln: Je öfter am Tag du diese neuen, positiven Sätze siehst, desto besser werden sie in deinem Unterbewusstsein verankert.

Selbstwert und Körperbild verbessern mit Affirmationen

Die Technik der positiven Affirmationen ist im Yoga schon seit Jahrtausenden bekannt, dort werden sie Mantras genannt. Heute finden diese einfachen und doch so effektiven Techniken in vielen Therapien und Coachings immer mehr Zuspruch. Sie sind individuell und können an die jeweiligen Themen, die uns gerade beschäftigen, angepasst werden. Ich habe eine Zeit lang positive Affirmationen zum Thema Körperbild und Selbstwert verfasst und mir zb täglich aufgeschrieben: Ich liebe meinen Körper (bzw. eine bestimmte Stelle, dich ich eigentlich nicht so toll fand oder sogar hasste). Ich bin dankbar für all meine gesunden Zellen, die sich täglich erneuern und so gut zusammen arbeiten. Ich behandle meinen Körper wie einen Tempel. Diese positiven Affirmationen hatten (neben regelmäßiger Bewegung und Asanas) zur Folge, dass ich heute ein sehr gutes Körperbild habe und meinen Körper liebe und achte, so wie er ist. Du kannst die Affirmationen zusammenstellen und ausprobieren. Wichtig ist dabei nur, dass sie in Ich-Botschaften verfasst werden und du dich mit ihnen wirklich wohl fühlst. Dann kannst du dir täglich zu einer bestimmten Tageszeit ein zwei Minuten (oder mehr, das geht natürlich immer, muss aber nicht sein) nimmst, um dich mit diesen neuen, wohltuenden Worten zu beschäftigen. Schreib sie noch einmal in dein Journal – vielleicht sogar besonders schön, in verschiedenen Farben – unser Gehirn lernt durch die intensive und vielseitige Beschäftigung mit Neuem. Wenn du diese positiven Worte zusätzlich auf einem Postit am Spiegel hängen hast oder sie immer wieder auf deinem Smartphone siehst, wirst du umso öfter daran erinnert und die neuen Glaubenssätze „brennen“ sich als neue Muster in deine Gedanken und Gefühle ein. Falls du eine enge Freundin oder einen lieben Freund hast, kann dir dieser deine (und dir seine?) positive Affirmation ja vielleicht immer wieder per WhatsApp schicken? Das kann ein schönes gegenseitiges Zeichen der Freundschaft und Aufmerksamkeit sein.

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Kurzschluss im Gehirn: Wieso Diäten uns blöd machen

Auch wenn wir es nicht gerne wahrhaben, unser Denken, Handeln und Fühlen wird zu einem großen Teil von unserem Gehirn gesteuert. Umso wichtiger ist es, auf einen Lebensstil zu achten, der dein Gehirn optimal reagieren lässt. Dazu gehört ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und der richtige Umgang mit Stress.

Auch wenn wir es nicht gerne wahrhaben, unser Denken, Handeln und Fühlen wird zu einem großen Teil von unserem Gehirn gesteuert. Umso wichtiger ist es, auf einen Lebensstil zu achten, der dein Gehirn optimal reagieren lässt. Dazu gehört ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und der richtige Umgang mit Stress.

Wenn du etwa hungrig bist, weil du mal wieder das Frühstück ausgelassen hast oder die Mittagspause über durchgearbeitet hast, kommt es in deinem Gehirn quasi zur Kurzschlussreaktion. Denn dann übernimmt das limbische System die Kontrolle. Ähnlich verhält es sich überigens, wenn du nicht ausgeschlafen bist. Dies erklärt mitunter die ständige Gereiztheit und daraus resultierende Ungeduld von jungen Eltern - wer die halbe Nacht auf ist, um den Nachwuchs zu beruhigen, hat am nächsten Tag kaum mehr Ressourcen, um ruhig und gelassen rationale Entscheidungen zu treffen. Ganz im Gegenteil: Wir reagieren impulsiv und ungehalten auf Situationen, die - in einem ruhigeren Moment betrachtet - so dramatisch gar nicht sind.

Um gelassen auf eine brenzlige Situation zu reagieren, haben wir in unserem Gehirn eine verbindende Struktur - den mittleren Präfrontalcortex. Dieser “Dolmetscher” sorgt dafür, dass die Informationen aus dem Stammhirn (Reptiliengehirn), dem limbischen System (Emotionales Gehirn) und dem Präfrontalcortex sinnvoll entschlüsselt werden und wir angemessen reagieren können. Dies gelingt jedoch nur dann, wenn wir genügend Energie zur Verfügung haben. Unter anderen Umständen - wie etwas Hunger, Schlafmangel oder auch Dauerstress - kann unser Gehirn nicht optimal funktionieren.

Wie wichtig eine ausgewogene Ernährung für dich ist, erkennst du, wenn du dich “hangry” (hungry and angry) fühlst. Du kannst nicht mehr klar denken, sonder verhältst dich wie ein hungriger Wolf - bist gereizt, ungehalten und oft auch unvernünftig. Während einer einseitigen oder zu stark kalorienreduzierten Diät kann es in deinem Gehirn zu einer Unterversorgung kommen und deine Steuerzentrale kann nicht mehr optimal funktionieren.

Der Präfrontalcortex braucht für seine Funktion viel Glukose, also nicht anderes als Energie in Form von (umgewandeltem) Zucker. Dies zeigt sich auch im Verlangen nach kalorienhaltigen, süßen, junkigen Nahrungsmitteln in stressigen Zeiten. Dieser Hirnbereich ist für folgende wichtigen Aufgaben zuständig:

  • Körperregulation: Atmung, Herzfrequenz, die beiden Nervensystem Sympathikus und Parasympathikus, der aktivierende Nerv und der Ruhenerv unseres Organismus.

  • Empathische Kommunikation: Erst wenn wir uns in unser Gegenüber einfühlen, können wir überlegt kommunizieren und agieren

  • Emotionale Ausgeglichenheit: Erst wenn wir uns emotional in Balance fühlen, geht es uns wirklich gut. Unsere Gefühle sind dabei weder zu wenig vorhanden, noch überaktiv, das Gleichgewicht zwischen Veränderung und Stabilität tut spürbar gut. Kurz gesagt bedeutet emotionale Ausgeglichenheit einfach Gelassenheit.

  • Reaktionsflexibilität: Durch diese wichtige Fähigkeit gelingt es uns, in einer Situation ruhig und reflektiert zu handeln, anstatt automatisch zu reagieren

  • Angstmodulation: Im Limbischen System liegt unsere Alarmzentrale - die Amygdala. Dieses kleine Nervenbündel (!!) reagiert innerhalb von Millisekunden, wenn es eine vermeintliche Bedrohung wahrnimmt. Die Amygdala aktiviert über das Stammhirn die Alarmbereitschaft des Körpers - Herzfrequenz geht nach oben, die Atmung wird flach, die Pupillen weiten sich. Ein funktionsbereiter Präfrontalcortex kann durch bewusstes Denken diese Alarmsignale relativeren und sich selbst wieder beruhigen. Dadurch können wir unsere Ängste überwinden. Aus neurobiologischer Sicht wird dabei im Präfrontalcortex der Neurotransmitter GABA (Gamma Amino Butter Acid = Säure) ausgeschüttet. Dieser reizhemmende Botenstoff wirkt unter anderem beruhigend auf die Amygdala. Kein Wunder, dass GABA auch in Psychopharmaka verabreicht wird, um Angststörungen entgegen zu wirken. Übrigens: Dauerstress senkt den GABA-Gehalt im Gehirn.

  • Empathie: Die Fähigkeit, “Du-Landkarten” in unserem Gehirn entstehen zu lassen.

  • Einsicht: Die grundlegende Bereitschaft, uns selbst zu hinterfragen und nicht sogleich unseren Impulsen entsprechend zu reagieren

  • Moralisches Bewusstsein: Um uns bewusst für das moralisch richtige Verhalten zu entscheiden, muss unser medialer Präfrontalcortex intakt sein.

  • Intuition: Der Zugang zur Weisheit unsere Körpers, unser Bauchgefühl und unserer inneren Stimme gelingt ebenso über diesen Bereich unseres Gehirnes. Auch wenn den moderne Mensch sie heute nicht mehr so deutlich spüren kann wie noch unsere Vorfahren - die Intuition ist ein wichtiger Berater, wenn es darum geht, im Leben richtige Entscheidungen zu treffen.

Statt dem vernünftigen, reflektierten, längeren Weg durch den Präfrontalcortex, der unser Handeln selbstbestimmt und bewusst macht, nimmt die Information die Abkürzung: Von Stammhirn und limbischen System direkt, unreflektiert, blitzschnell - wir verlieren die Kontrolle und reagieren nur noch. In diesen Ausnahmesituationen gehen uns wichtige Fähigkeiten verloren :

  • Wir können uns nicht mehr emphatisch in unser Gegenüber einfühlen, sondern sehen nur noch schwarz-weiß und sind auf unsere eigene Verteidigung aus

  • Die Perspektivenübernahme wird unmöglich

  • Alte Muster, die wir in unserer Vergangenheit gelernt haben, laufen wie automatisch ab und bestimmen uns Denken, Fühlen und Handeln

  • Wir reagieren, statt zu agieren

Ein Beispiel aus dem Alltag: Ich komme nach einem langen Praxistag nach Hause und sehe die Jeans meines Mannes unachtsam am Boden liegen. Mein erster Gedanke “Ich fasse es nicht, wie kann man nur so schlampig sein?” Je nachdem, wie ich heute auf mein inneres Gleichgewicht geachtet habe, kann ich unterschiedlich mit dieser Situation umgehen:

  • Bin ich müde, erschöpft, hungrig und genervt, wählt mein Gehirn den kürzeren, direkteren Weg. Die Informationen aus dem Limbischen System (das Gefühl von Genervtsein, Ungeduld, Ärger) und dem Stammhirn (ich fühle mich schon müde vom langen Tag, möchte nicht noch mehr tun) führen direkt zu meiner Reaktion: Ich packe die Hose, werfe sie genervt in den Kasten meines Mannes, schnauze ihn noch an, ob er “nicht einmal im Leben mitdenken kann?!” und beginne so eine Diskussion. Wir beide verbringen den Abend schmollend vorm Fernseher.

  • Bin ich ausgeglichen, satt, habe ich noch genügend Energie, kann ich den vernünftigen Weg wählen - mein Gehirn integriert im medialen Präfrontalcortex die Informationen aus dem Limbischen System (das Gefühl von Genervtsein, Ungeduld, Ärger) und dem Stammhirn (ich fühle mich schon müde vom langen Tag, möchte nicht noch mehr tun) analysieren, bevor aus dem Präfrontalcortex die rationale Botschaft kommt: “Ist ja nicht so schlimm. Ich kann ihm in Ruhe sagen, dass er die Jeans selbst wegräumen soll. Danach machen wir uns einen gemütlichen Abend zu zweit.”

Dieses Beispiel zeigt, wieso es so wichtig ist, regelmäßig und ausgewogen zu Essen. Denn nur, wenn dein Gehirn ausreichend Energie zur Verfügung hat, kann es sein Bewusstsein einsetzen, um mit den Herausforderungen des Alltags bestmöglich umgehen zu können.


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