Achtsamkeit: Wie du deine Gefühle in den Griff bekommst
Ertappst du dich auch immer wieder dabei, in deinen alten Mustern gefangen zu sein? Durch diese ganz einfache Übung kannst du lernen, besser mit deinem Gefühlschaos umzugehen und gelassener zu bleiben.
© sasint: Achtsamkeitsübungen haben ihren Ursprung im Buddhismus. Sie ermöglichen uns, das "monkeymind" zu beruhigen und mehr Freiheit zwischen Reiz und Reaktion zu erlangen.
Vielleicht kennst du diese Situationen: Dein (Gesprächs-)Partner sagt etwas und trifft damit einen deiner wunden Punkte. Die Kinder quengeln und du bist am Limit. Der Chef nervt dich schon wieder mit einem neuen ToDo, obwohl die Liste ohnehin schon voll ist. Vollkommen automatisch reagierst du mit einem der drei Muster - fight, flight, freezing. Also entweder wird du ungehalten und ausfällig, du verlässt das Gespräch, etwa indem du das Thema wechselst oder du ziehst dich (innerlich) in dich zurück. Diese Reaktionen laufen innerhalb von Millisekunden ab und meist kannst du erst danach erkennen, dass du wieder in ein altes, wenig hilfreiches Muster gefallen sind: Du konterst mit einer provokativen Antwort, dein innerer Kritiker wird aktiv und beginnt sofort, dich niederzumachen, du schottest dich ab… Diese “alten Autobahnen”, um es mit einer stark vereinfachten neurobiologischen Erklärung zu verdeutlichen, lassen sich nicht aus deiner erlernten und so verinnerlichten Gewohnheit ausbrechen. Was kannst du also tun, um besser mit diesen “Triggern” umzugehen?
„Bist du dem Unbewussten bewusst wirst, wird es dein Leben bestimmen und du wirst es Schicksal nennen. “
Akzeptanz hilft dir im Umgang mit deinen Gefühlen
Egal ob du verbal ausfällig wirst oder dich innerlich zurück ziehst - deine automatischen Reaktionen sind abgespeicherte Reaktionen auf bestimmte Situationen. Irgendwann im Laufe deiner Lerngeschichte hast du begonnen, in einer bestimmten Weise auf bestimmte Reize zu reagieren. In deinem Gehirn haben sich damals erste Nervenverbindungen ausgebildet, die zu beginn noch locker miteinander verbunden waren und sich verfestigt haben, je öfter du in einer bestimmten Situation dann auf eine gewisse Art und Weise reagiert hast. Hast du etwa bereits in jungen Jahren gelernt, bei Kritik deines Gegenübers gleich (verbal) zurück zu schlagen, wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit auch heute noch ähnlich reagieren. Es sei denn, du hast gelernt, dich anders zu verhalten. Das passiert ganz oft automatisch, wenn wir etwas haben, wofür sich die Veränderung lohnt: Eine neue Beziehung, zum Beispiel, in der wir mit unserem alten Verhalten nicht weit kommen. Oder ein Job-Angebot, das uns dazu motiviert, uns anders zu verhalten als bisher. Wenn du in bestimmten Verhaltens- und Gefühlsmustern gefangen bist und dies ändern möchtest, kann dir Achtsamkeit und Akzeptanz nachhaltig behilflich sein.
Was bedeutet Achtsamkeit?
Achtsamkeit bedeutet vollkommen im gegenwärtigen Moment zu sein. Die Buddhisten wussten schon vor Jahrtausenden, dass dem Menschen der Fokus auf die Gegenwart sehr schwer fällt. Sie prägten das Bild vom “monkeymind”, als sie feststellten: “Wie ein besoffener Affe springt der Geist von Baum zu Baum.” Aus evolutionsbiologischer Sicht ist dieses ständige Umherspringen der Gedanken durchaus sinnvoll: Hätten sich unsere Vorfahren nur auf den gegenwärtigen Moment fokussiert, hätten sie in einer Welt voll Unsicherheit und Gefahren wohl nicht lange überlebt. Heute leiden wir jedoch oft unter diesem “Erbe” aus längst vergangenen Zeiten. Durch das aktive “Training” unseres Bewusstseins können wir es schaffen, das monkeymind zu beruhigen und unser Leben bewusster zu leben. Wenn du bestimmte Achtsamkeitsübungen regelmäßig, das bedeutet täglich für ein paar Minuten, durchführst, dann wirst du merken: Du kannst dich besser auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Und genau um diese Fähigkeit geht es, wenn du raus aus deinen automatischen Mustern möchtest.
Einfache Achtsamkeitsübung: Der Atemraum
Eine sehr einfache Achtsamkeitsübung ist der so genannte Atemraum. Deine Atmung ist das beste Werkzeug, um dich selbst wieder in den gegenwärtigen Moment zurück zu holen. Du hast ihn bis an dein Lebensende immer bei dir und du kannst (unter normalen Umständen) jederzeit dein Bewusstsein darauf lenken. Mit dieser Übung gelingt es dir in wenigen Sekunden, dich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren:
Nimm drei tiefe Atemzüge. Wenn du möchtest, schließe die Augen dabei, das muss aber nicht sein. Spüre, wie der Atmen durch deine Nase hineinströmt bis in deine Brust und hinunter in deinen Bauch (deine Bauchdecke sollte sich dabei etwas heben). Dann beobachte, wie der Atmen auch wieder hinausströmt. Nach den drei bewussten Atemzügen spüre in dich hinein: Wie geht`s dir? Wie fühlst du dich? Spürst du deinen Körper an einer bestimmten Stelle? Fühlt es sich gut an? Tut dir etwas weh? Wie sieht es mit deinen Gefühlen aus? Bist du entspannt, angespannt, müde, genervt, hungrig, satt?
Diese sehr einfache Übung ermöglicht dir, dich jederzeit und überall in den gegenwärtigen Moment zu holen. Jetzt mache dir bewusst, was du als nächstes tun wirst: Die Kaffeemaschine bedienen, dein Smartphone zur Hand nehmen, einen Schluck Wasser trinken… Der Alltag bietet dir täglich unzählige Möglichkeiten, um deine automatischen Muster kurz zu unterbrechen, dir den Augenblick bewusst zu machen und dann voll Selbstbestimmung zu entscheiden: Was tue ich wie als nächstes?
Je öfter du diese bewusste Entscheidung triffst, desto stärker baut sich ein neues Netzwerk in deinem Gehirn auf. Eines, das dir bewusstes Nachdenken, Entscheiden und Handeln ermöglicht. Wenn du es in “entspannten” Situationen immer wieder trainierst, kann es dir dann auch gelingen, im “Ernstfall” gelassen zu bleiben, erst einmal drei Atemzüge zu nehmen und bewusst zu entscheiden: Wie möchte ich auf diese Situation reagieren? Was sage ich, ohne das Gegenüber zu verletzen? Wie komme ich aus meinem Gefühlschaos, ohne mir selbst Vorwürfe zu machen?
Bei dieser Achtsamkeitsübung gilt: Viel hilft viel. Du solltest sie über mindestens drei Wochen lang täglich anwenden, um neue Netzwerke in deinem Gehirn aufzubauen. Am besten du übst in ganz gewöhnlichen Alltagssituationen nach dem Muster: 3 bewusste Atemzüge, der Blick nach Innen, die bewusste Entscheidung, was du danach tust/ sagst/ sein lässt.
Ich wünsche dir viel Freude beim Ausprobieren und Entdecken!
Ist Selbstliebe nur was für Narzissten?
Wende dich dem wichtigsten Menschen in deinem Leben zu – dir selbst.
“Liebe deinen nächsten, wie dich selbst”, steht es in der Bibel. “Liebe dich selbst”, sagt Buddha. Wir übersehen so leicht, dass wir für uns selbst die wichtigste Person im Leben sind. Klar, wir lieben unsere Familie, unseren Partner, unsere Freunde… doch uns selbst vergessen wir allzu oft. Doch die Liebe zu allem anderen müssen wir erst uns selbst schenken. Sonst werden wir nicht dauerhaft glücklich und zufrieden sein können. Jeder Mensch braucht diese Liebe, um das Gefühl zu haben: Ich bin es mir selbst wert, ein gutes Leben zu führen. Der Dalai Lama sieht sogar das Streben nach persönlichem Glück als eines der höchsten Ziele im Leben und betont, dass dieser Weg mit der bedingungslosen Liebe zu uns selbst beginnt.
Mach jeden Tag einen Menschen glücklich!
Selbst – wenn dieser Mensch du selbst bist.
Vor allem – wenn dieser Mensch du selbst bist.
(Aus dem Zen-Buddhismus).
Nur was für Egomanen?
Wenn wir ganz genau in uns hinein spüren, dass wissen wir, wie gut es uns tut, uns selbst zu lieben, auf unsere Wünsche und Bedürfnisse zu achten, unserer inneren Stimme zu folgen. Doch wir trauen uns zu selten, dieser Intuition nachzugehen. Warum fällt es uns so schwer, uns selbst mindestens genau so wichtig zu nehmen wie unsere Mitmenschen?
Angst vor Ausgrenzung
Ein Grund dafür ist die Angst vor sozialer Ausgrenzung. Wir Menschen sind seit jeher soziale Wesen. Bereits unsere Vorfahren in der Steinzeit leben in Sippen zusammen und das sozial angepasste Verhalten war die einzige Möglichkeit, in dieser unsicheren Welt der damaligen Zeit zu überleben. Wir tun uns also schwer damit, andere Menschen zu verletzten, auch wenn wir dadurch uns selbst zurück nehmen und auf unsere Bedürfnisse verzichten. Dieses Harmoniebedürfnis ist also in uns angelegt.
Harmoniebedürfnis: Alles tun, um Streit zu vermeiden
Umso stärker kann sich dieser Wunsch nach ausgeglichenem Miteinander ausprägen, wenn wir in einer Familie aufwachsen, der diese Harmonie fehlt. Ein Kind, das seine Eltern permanent beim Streiten beobachtet, kann ein “Harmonie-Muster” entwickeln und später alles versuchen, um diese schwierigen Situationen nicht wieder durchleben zu müssen. Aber auch Familien, in denen Diskussionen und Streitigkeiten gar keinen Raum haben, können ein starkes Harmoniebedürfnis ausprägen.
Ich liebe mich selbst… wie schräg.
Ein weiterer Punkt, warum wir uns lieber nicht so sehr um unsere eigenen Bedürfnisse kümmern, ist die gesellschaftliche Sichtweise: Wer sich zu sehr an sich selbst denkt, ist ein Narzisst, ein Egoist, ein eingebildeter Mensch. Es kommt uns komisch und überheblich vor, wenn jemand aus tiefer Überzeugung sagt: “Ich liebe mich selbst, so wie ich bin.” Sogleich steigen Gefühle wie Neid, Empörung und Misstrauen in uns auf. Wir haben auch nie gelernt, uns selbst aufrichtig und ernst zu lieben, denn in der Gesellschaft der vergangenen Jahrzehnte hatte dies keinen Sinn.
Sich für andere aufopfern
Viel mehr galt es als Tuend, sich um andere zu kümmern, ja gar sich für andere aufzuopfern, am besten ohne sich zu beschweren. Kein Wunder: Unsere Großeltern haben den zweiten Weltkrieg noch erlebt, unsere Urgroßeltern den ersten Weltkrieg. Vor knapp 100 Jahren ging es ums bloße Überleben, da hatte die Zuwendung zu sich selbst kaum Platz. Und doch wissen wir heute, dass gerade in schwierigen Zeiten die liebevolle Zuwendung zu uns selbst so wohltuend sein kann, damit wir besser mit den Aufgaben in unserem Leben umgehen können. Denn ganz gleich ob wir eine schlechte Nachricht erhalten, ob wir in einer schwierigen Lebensphase stecken oder uns in einer ausweglosen Situation befinden - durch die bewusste Selbstliebe und das damit verbundene Selbstmitgefühl geben wir uns selbst Kraft und spenden uns Trost.
Mit dem Leben besser zurecht kommen
Selbstliebe hat also nichts damit zu tun, sich selbst besser zu fühlen als andere. Es geht auch nicht darum, sich vor den Herausforderungen des Lebens zu verstecken oder gar nur das zu tun, was uns gerade gefällt. Vielmehr ist die positive Zuwendung zu uns selbst die Grundlage für ein liebevolles Leben, in dem wir mit der wichtigsten Person in unserem Leben - nämlich uns selbst - gut auskommen, ihr gut zureden, wenn es einmal schwierig ist und sie loben, wenn etwas gut gelingt. Allen voran ist echte Selbstliebe die Voraussetzung dafür, dass wir auch andere -unseren Partner, unsere Freunde, unsere Kinder - authentisch und aufrichtig lieben können. Denn wenn wir uns selbst diese bedingungslose Liebe nicht schenken, suchen wir sie unser Leben lang im Außen. Diese hohen Erwartungen an unsere Mitmenschen kann eine große Belastung für eine Beziehung sein. Gerade darum ist es so hilfreich und wohltuend, uns selbst die Liebe zu schenken, dir wir alle verdienen.
Coronavirus: COVID-19 als Chance
Wie wir die unerwartete Auszeit nützen können, um uns wieder auf das Wesentliche zu konzertieren.
Kaum etwas macht uns Menschen so viel Angst wie Veränderungen. Wir lieben es, wenn alles in gewohnten Bahnen verläuft, wenn das Leben (scheinbar) vorhersehbar und strukturiert vor sich hin plätschert und wir “nur” in unserem Hamsterrad des Alltags zwischen Job, Beziehungen, Familie und Hobbies bleiben müssen, um das Gefühl zu haben “alles ist gut”. Dabei gibt es viele, die mit dieser Art zu leben unzufrieden sind, sie spüren, dass die Geschwindigkeit ihres Lebens sie immer wieder einholt, ja gar überholt. Wir haben das Gefühl, zu viel zu tun und zu wenig Zeit zu haben. Permanente Erreichbarkeit, verschwommene Grenzen zwischen Beruf und Freizeit, scheinbar ständiger sozialer Austausch auf den digitalen Kanälen… kein Wunder, dass wir davon überfordert werden. Für viele bringt eine Ausnahmesituation, wie sie soeben weltweit durch COVID-19 ausgelöst wird, die nötige Bremse von Außen. Von einem Moment auf den anderen hat dieser Virus und die Angst vor seiner Ausbreitung die Geschwindigkeit unseres Alltags stark gedrosselt. Die teils drastischen Maßnahmen, die unsere Regierung hierfür setzt, verändern unser Leben.
Angst, Humor, Lächerlichkeit, Ignoranz
Wenn ich um mich herum blicke, beobachte ich, wie jeder Mensch anders mit dieser nur schwer einschätzbaren Herausforderung umgeht. Eine ganz typische Reaktion ist die Angst vor dem Zu-Wenig: Zu wenig Nahrungsmittel, zu wenig Medikamente, zu wenig Klopapier… Die Unsicherheit bringt viele dazu, die Angst vor globalen Katastrophen, die vielleicht schon länger schlummert, zum Ausdruck zu bringen. Hysterische Hamsterkäufe sind ein Versuch, mit dieser Unsicherheit umzugehen. Der ständige Drang, sich über die neusten Entwicklungen via social media, Fernsehen oder Zeitung zu informieren, ist ein weiterer Versuch, mit der Unsicherheit zurecht zu kommen. Dieses natürliche Verhalten ist nachvollziehbar, doch auf Dauer schaden wir uns mit diesem zwanghaften Nachrichtenkonsum selbst. Zwischen verantwortungsbewusstem Informieren über aktuelle Ereignisse und selbstschädigendem Zwang, sich ständig mit Schlagzeilen erneut in das Gefühl von Unsicherheit und Anspannung zu bringen, wandeln wir auf einem schmalen Grad. Bewusster Selbstschutz tut dir gut, damit du nicht ständig von neuen Schreckensbotschaften beeinflusst wirst. Vielleicht gelingt es dir, für bestimmte Zeiten offline zu gehen? Oder nur zB zwei oder drei Mal täglich Nachrichten zu schauen?
Andere Menschen nehmen die Situation mit Humor, wie durch lustige Memes und Comics in den sozialen Netzwerken zu sehen ist. Die Taktik, Schwierigkeiten mit Humor zu begegnen, reduziert Stresshormone und führt zu Entspannung. Ein gewisses Maß an Vorsicht und eine gute Portion Humor sind bestimmt die besten Zutaten, um möglichst verantwortungsbewusst und zugleich gesundheitsschonend durch die Corona-Zeit zu kommen. Dabei stellt die Verantwortung für unsere Mitmenschen nicht nur eine moralische Verpflichtung dar, vielmehr tut es uns als soziale Wesen auch nachweislich gut, für andere zu sorgen - und sei es in diesen Zeiten nur dadurch, dass wir den persönlichen Kontakt in den nächsten Wochen bewusst vermeiden.
Eine weiter Art, mit dieser unsicheren Situation umzugehen, ist die Tendenz, alles ins Lächerliche zu ziehen: Die Maßnahmen der Regierung seien überzogen, von einem Virus, der “nicht einmal so schlimm wie Grippe” sei, lassen sich manche nicht abschrecken. Diese ignorante Reaktion gleicht einer verdeckten Angstreaktion - nach dem Motto “was ich nicht sehe, kann mir nicht schaden”. Gerade jetzt ist es jedoch wichtig, sich auf Experten zu verlassen. “Der Mensch ist an lineare Prozesse gewöhnt, die kann er begreifen. Beim linearen Wachstum kommt in festen Zeitabständen eine feste Anzahl an Fällen hinzu, beispielsweise tausend pro Woche. Beim exponentiellen Wachstum dagegen findet in einem festen Zeitraum jeweils eine Verdopplung der Fallzahl statt“, schreibt die Süddeutsche Zeitung in ihrem Beitrag “Die Wucht der großen Zahlen” (Link siehe unten). Wir können aus dem Verlauf des Corona-Virus in China und unserem unmittelbaren Nachbarland Italien lernen: Je früher wir die sozialen Einschränkungen aktiv umsetzen, desto besser kann es gelingen, die Ausbreitung der Infektionen so gering wie möglich zu halten. Jeder vermiedene Kontakt zählt, wie diese mittlerweile viral gegangene Grafik der TU Wien deutlich veranschaulicht:
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: TU Wien/dwh
Soziale Isolation als Chance
Geschäfte und Gaststätten schließen, wo immer möglich werden Mitarbeiter ins Teleoffice geschickt, Kindergärten und Schulen reduzieren ihr Betreuungsangebot auf jene Kinder, die nicht anderweitig betreut werden können. Schüler und Lehrer müssen sich mit dem Online-Lernen anfreunden. Viele Selbstständige spüren Existenzsorgen, wenn sie an die nahe Zukunft denken. Auch in der Psychotherapie gibt es eine Übergangslösung: Die Online-Therapie wird temporär ermöglicht, nachdem sie jahrelang nicht als ernstzunehmende Option galt. Die meisten Familien und Paare werden in den nächsten Wochen so viel Zeit auf engem Raum miteinander verbringen, wie lange nicht mehr (oder nie zuvor?). Diese unerwartete Veränderung stellt für viele eine weitere Herausforderung dar.
Endlich nicht mehr funktionieren
Unter all diese für uns vollkommen neuen Situationen und die Unsicherheit über den Verlauf der nächsten Wochen mischt sich leise Erleichterung: Endlich müssen wir einmal nicht funktionieren. Endlich kann der Tag einmal ein bisschen ruhiger beginnen, drängt nicht die Uhr, weil die Kinder zum Bus, man selbst zur Arbeit muss. Endlich bleibt einmal etwas mehr Zeit für die Dinge, die im normalen Alltagswahnsinn “nebenbei” erledigt werden. Gemeinsames Kochen und Essen geben uns schon beinahe ein Gefühl von Urlaub (zu Hause). Für alle, die noch nach Draußen können, bleibt wieder genug Zeit für ausgiebige Spaziergänge oder sportliche Aktivitäten in der Natur - auch mal ganz alleine. Weil der morgige Tag nicht randvoll mit Meetings und To-Do`s ist, bleibt auch mal Zeit für lange Telefonate, die schon längst überfällig sind. Oder Gespräche mit dem Partner, die in der Hektik des Alltags bisher keinen Platz gefunden haben. Damit wir uns auch in diesem ungewöhnlichen Zeitraum wohl fühlen können, tun uns fixe Strukturen gut, die im “normalen” Alltag von Job und anderen Verpflichtungen geschaffen werden. Ohne diese vorgegebenen Zeitfenster fühlen wir uns schnell verloren - uns fehlt der Halt in unserem Tag. Fixe Zeiten für ein gemeinsames Frühstück, ein gemütliches Mittagessen oder den entspannten Spieleabend geben uns Vertrautheit und Sicherheit. Anstatt wie sonst diese Qualitytime zwischen die Pflichttermine zu “quetschen” bleibt nun ausreichend Zeit und Ruhe für diese so wohltuenden Dinge, die unserem Leben wirklichen Sinn geben.
#selfcare first
Das Mehr an Zeit lässt sich auch wunderbar nutzen, um sich selbst etwas Gutes zu tun. Idealerweise gewöhnen wir uns in den nächsten Tagen und Wochen eine simple #selfcare-Routine an, die wir dann auch zurück im “normalen” Alltag nach Corona beibehalten können. So eine Routine mit ausgewählten Ritualen, die uns gut tun, sorgt dafür, auch in stressigen Zeiten kleine Inseln der Erholung für uns selbst zu schaffen. Um diese Rituale auch täglich beibehalten zu können, sollten sie einfach umzusetzen und kurzweilig sein. Für mich haben sich jeweils 15 Minuten am Morgen und 15 Minuten am Abends bewährt. Aus folgenden Ritualen lässt sich die #selfcare-Routine ganz einfach nach individuellen Vorlieben und Empfinden zusammen stellen. Die Zeit des sozialen Rückzugs ist ideal, um ein bisschen auszuprobieren, was gut tut und Spaß macht. Hier findest du ein paar Inspirationen für deine tägliche #selfcare-Routine. Sie nehmen maximal 5 Minuten in Anspruch:
1 Glas Zitronenwasser: Gleich morgens nach dem Aufstehen trinke ich ein großes Glas (warmes) Wasser mit einem Spritzer Zitronenwasser und einer Prise Salz. Dieses natürliche Elektrolyt-Getränk versorgt unsere Zellen gleich morgens
8 Gläser Wasser: Über den Tag verteilt sorgt diese Routine dafür, dass du ausreichend Flüssigkeit zu dir nimmst
Journaling: Tagebuch führen, ganz frei oder als Übung wie zB “Drei gute Dinge” - notiere morgens drei Dinge, auf die du dich heute freust und abends drei Dinge, für die du heute dankbar bist
Yoga: Eine kurze Sequenz, sorgt morgens für mehr Elan und abends für Entspannung
Meditation: In unserem Inneren finden wir alles, was wir für schwierige Situationen brauchen. Die Stille, die wir durch regelmäßig Meditationen in uns spüren können, tut unheimlich gut
Achtsamkeit im Alltag: Zwischendurch inne halten und mit allen Sinnen fühlen, was gerade in diesem Moment da ist. Eine Sammlung meiner liebsten Übungen für mehr Achtsamkeit findest du hier.
Supplements: Fülle deine Nährstoffreservern auf! Dauerstress betreibt Raubbau an deinem Magnesiumsspeicher, unsere Ernährung bringt meist zu wenig Nährstoffe mit sich… informiere dich bei deinem Arzt oder Nährstoffberater darüber, welche Nahrungsergänzungen dir gut tun, um (wieder) fit und leistungsfähig zu werden
Wellness für Zuhause: Trockenbürsten-Massage von Kopf bis Fuß regt den Stoffwechsel und die Entgiftung an, Gesichtsmasken tun gestresster Haut gut, eine Nackenmassage entspannt
Positive News: Suche dir einen Blog, der sich den schönen Dingen des Lebens widmet, der dich durch seine ansprechenden Bilder oder Worte in eine gute Stimmung bringt und gewöhne dir an, täglich zu einer bestimmten Zeit einen Blick auf diesen Content zu werfen.
Dies sind nur einige Tipps, die zu einer #selfcare-Routine gehören können. Ich wünsche dir viel Freude beim Ausprobieren und Zusammenstellen deiner eigenen Routine.
Mehr zum Thema Corona:
Zum Artikel: Die Wucht der großen Zahlen (Süddeutsche Zeitung.de)
Aktuelle Meldungen, Entwicklungen und Empfehlungen: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
Dein Gehirn denkt dich
Je hektischer dein Alltag, desto eher schaltet dein Gehirn auf Autopilot. Durch Achtsamkeit kannst du lernen, wieder bewusster zu leben.
Weniger Stress, mehr Sport, bewusster leben, mehr genießen... wir alle wissen mittlerweile, was uns gut tut. Vielleicht hast du auch schon das ein oder andere Mal versucht, kleine Veränderungen in deinem Leben zu unternehmen. Dennoch fällt es schwer, nachhaltig aktiver, sportlicher, bewusster zu leben. Warum ist das eigentlich so? Ein Blick ins Gehirn zeigt uns Hinweise darauf, wie wir Menschen funktionieren. Ganz stark vereinfacht verfügen wir über drei unterschiedliche Gehirnbereiche:
Das Stammhirn und Kleinhirn (auch Reptilienhirn)
Das Säugerhirn (emotionale Gehirn, das limbische System)
Das Großhirn (Neokortex = „der neue Kortex“, da es sich um die „jüngste“ Schicht handelt)
Als wir vor über 100 Millionen Jahren die ersten Reptilien zu Säugetieren wurden, entwickelte sich auch ihr Gehirn weiter. Denn bis heute leben Reptilien wie das Krokodil mit einem Gehirn, das vor allem auf Überleben und Fortpflanzung programmiert ist. Hier werden die wichtigsten Basisfunktionen des Lebens gesteuert: Atmung, Herzschlag, das Bedürfnis nach Schlaf, Essen und Fortpflanzung. Mit der Weiterentwicklung der Säugetiere entwickelte sich auch das Gehirn weiter – Gefühle und Empfindungen wurden spürbar. Anders als Reptilien können Säugetiere das ungute Gefühl von Bedrohung, Furcht oder Wut aber auch Freude verspüren. Die Amygdala, ein mandelförmiges Nervenbündel im Limbischen System, Die abermalige Evolution zum Menschenaffen sorgte dafür, dass sich das Gehirn noch weiter ausprägte und wir unser Großhirn entwickelten. Diese oberste Schicht des Gehirns ist für analytisches Denken, Planen, mathematisches und sprachliches Verständnis zuständig und unterscheidet uns damit von den anderen Säugetieren. In einem ausgeglichenen Zustand können wir die „höheren“ Funktionen unseres Gehirns, die im Neokortex angesiedelt sind, optimal nutzen. Wir können vernünftig denken und Pläne schmieden, können uns selbst gut zureden und in Ruhe über eine Sache nachdenken.
Dauerstress führt zu Alarm im Gehirn
Je gestresster wir sind, desto schwieriger wird es für uns, diese wichtigen Gehirnbereiche zu aktivieren. Denn für unser Gehirn bedeutet Dauerstress „Alarm!“ und die höheren Funktionen werden nicht mehr aktiv. Das Gehirn funktioniert dann nur noch in den älteren, tiefer liegenden Schichten, quasi im Überlebensmodus. Wir denken nicht mehr klar, sondern leben sehr emotional (limbisches System), sind permanent schlechte gelaunt oder leicht reizbar. Der alltägliche Stress führt in unserem Organismus zu einem chronisch erhöhten Cortisollevel, wir können nicht mehr richtig abschalten und befinden uns im Ausnahmezustand. In diesem Dauerstress schaltet unser Gehirn auf Überlebensmodus und reagiert nach seinem ältesten Muster: Kampf, Flucht oder Todstellen. Wir erleben unsere täglichen ToDo-Listen, Termine und Verpflichtungen so bedrohlich, wie unsere Vorfahren zu Urzeiten ihre Fressfeinde. Damals wurde das biologische Programm für solche Situationen ausgebildet: Kämpfen, wenn es möglich ist, Flüchten, wenn wir schnell genug sind oder erstarren, wenn gar nichts mehr geht. In einem der drei Muster sind viele von uns gefangen, manche wechseln auch zwischen dem Gefühl, sich ständig durchzukämpfen (zeigt sich unter anderem in hoher Gereiztheit und aggressivem Umgang mit anderen), auf der Flucht zu sein (mit den daraus resultierenden Erschöpfungszuständen) oder einfach im Hamsterrad gefangen zu sein, ohne einen Ausweg zu finden (sie resignieren und funktionieren nur noch).
Wie kann Achtsamkeit helfen?
Neurobiologische Studien haben gezeigt, wie achtsame Übungen auf mehreren Ebenen helfen, wieder ins psychische Gleichgewicht zu kommen. Durch die bewusste, täglich durchgeführte Übung erlebt das Gehirn nachhaltig Entspannung. Stress wird abgebaut. Die Amygdala, die Alarmglocke, wird in ihrer Aktivität verringert, während der Präfrontalcortex (das Stirnhirn), ein wichtiger Bereich des Neokortex, in seiner Aktivität gestärkt wird. Ein aktiver Präfrontalcortex ist auch die Grundlage dafür, vernünftige Entscheidungen zu treffen und das Leben bewusst zu leben. Durch die tägliche Übung der Achtsamkeit gelingt es uns, aus alten Mustern auszusteigen und bewusst zu entscheiden, wie wir im jetzigen Moment handeln möchten.
Akzeptanz lernen: Die buddhistische Praxis des Dalai Lama
Je gelassener wir mit den Herausforderungen in unserem Leben umgehen können, desto glücklicher sind wir.
Wenn es darum geht, unser Verhalten zu verändern, besser mit Gedanken und Gefühlen umzugehen, müssen wir in unserem Gehirn eine neue Autobahn aufbauen. Die Art und Weise, wie du bisher auf Situationen reagierst, hast du dir ebenfalls in der Vergangenheit angewöhnt – nur ist dieser Prozess ganz unbemerkt passiert, weil du nicht darüber nachgedacht hast. Du hast vielleicht deine Eltern, Geschwister oder Freunde dabei beobachtet, wie sie mit unangenehmen Situationen umgehen. Oder hast im Fernsehen gesehen, was die Gesellschaft so im Allgemeinen vom Leben erwartet und hast diese Werte für dich übernommen. Du hast vielleicht auch unbemerkt die Werte deines Partners übernommen, wie es in Beziehungen so üblich ist.
Gefangen in alten Verhaltensmustern
An all diesen sehr menschlichen Verhaltensweisen ist nichts aus zusetzten, außer dich selbst stören deine Reaktionen: Die Gedanken, die du dir machst, wenn du über globale Entwicklungen nachdenkst. Dieser Widerstand der aufkommt, wenn du dich eigentlich auf den Weg ins Fitnessstudio machen solltest. Die Selbstzweifel die dich innerlich zerreißen, wenn deine Nachricht nicht sofort beantwortet wird. All diese Reaktionen hast du irgendwann einmal gelernt und du kannst von Tag zu Tag lernen anders, für dich und dein Leben besser darauf zu reagieren.
Achtsamkeit und Akzeptanz
Der erste Schritt zur Veränderung ist die Achtsamkeit. Wenn du dir deiner automatischen Muster erst einmal bewusst wirst, kannst du sie verändern. Der zweite Schritt zu einem besseren Umgang mit den Herausforderungen des Lebens ist die Akzeptanz. Denn wenn es dir gelingt, auch schwierige Umstände zu akzeptieren und diese als Teil des menschlichen Lebens anzunehmen, kannst du gestärkt und bewusst leben. Akzeptanz bedeutet: „Das Leben so anzunehmen, wie es ist, ohne zu fordern, dass es anders sein muss.“ Akzeptanz lässt sich trainieren wie ein Muskel. Durch das tägliche Üben baust du in deinem Gehirn quasi eine Akzeptanzautobahn – eine offene, bewusste und akzeptierende Haltung wird Teil deiner Persönlichkeit. Vorausgesetzt, du übst regelmäßig über einen Zeitraum von zumindest drei Wochen. Wie beim Muskeltraining gilt auch für alle Bewusstseinsübungen: Je länger und öfter du übst, desto besser.
Diese Übung entstammt der Buddhistischen Tradition und zählt zu den Meditationen, die auch der Dalai Lama regelmäßig praktiziert.
Übung für mehr Akzeptanz: „Es ist, wie es ist“
1. Setze dich bequem hin und schließe die Augen.
2. Atme drei Mal tief durch die Nase ein, lasse den Atem bis in den Bauch hinab reichen und atme wieder vollständig durch Mund aus.
3. Achte darauf, was du rund um dich herum hörst. Nimm alle Geräusche einfach zur Kenntnis. Die Welt ist mit Geräuschen belebt, es ist, wie es ist. Wenn Gedanken, Gefühle oder Bewertungen gegen diese Geräusche auftauchen, dann lasse diese einfach weiterziehen. Wie Wolken am Himmel, wie Wellen, die kommen und gehen.
4. Konzentriere dich nun auf deinen Atem und beobachte, welche Gedanken und Gefühle auftauchen. Vielleicht spürst du etwas Unangenehmes in deinem Körper, vielleicht zwickt es an einer Stelle oder drückt es an einer anderen. Vielleicht kommen auch Gedanken daran, was du da überhaupt tust, was du stattdessen alles zu tun hättest und an das, was du heute noch erreichen musst.
5. Wenn diese oder ähnliche Gedanken auftauchen, lasse sie einfach weiterziehen. Wie Wolken am Himmel, wie Wellen, die kommen und gehen.
6. Beginne, diese Gedanken zu beobachten, ohne sie zu beurteilen.
7. Denke nun ganz bewusst an eine Situation aus deinem Leben, die zu akzeptieren dir schwerfällt. Es kann sich um Schwierigkeiten mit deinem Partner, Konflikte mit den Kindern, Erkrankungen von dir wichtigen Menschen, Probleme in der Arbeit, eigene Verhaltensweisen oder globale Entwicklungen handeln.
8. Denke daran: So ist die Wirklichkeit. Diese schmerzlichen Herausforderungen passieren, die schweren Zeiten gehören zum Leben so wie die schönen. Schmerzliche Realitäten passieren uns und den Menschen, die wir lieben.
9. Stelle dich der Tatsache, dass du nicht alle Faktoren beeinflussen kannst, die zu dieser Situation geführt haben.
10. Akzeptiere nun ganz bewusst, dass das, was passiert ist, passiert ist. Du kannst nichts mehr tun, um die Vergangenheit ungeschehen zu machen.
11. Sage dir: „Um das beste aus einer Situation machen zu können, muss ich erst einmal ihre Realität akzeptieren. Es ist, wie es ist.“
12. Nimm dann noch drei tiefe Atemzüge: Atme durch die Nase ein, vollständig bis in den Bauch hinunter. Und durch den Mund wieder aus.
13. Öffne die Augen und spüre nach, wie diese kurze Übung deine Haltung innerhalb von wenigen Minuten verändert hat.
14. Durch das tägliche Üben verinnerlichst du dieses gute Gefühl zu einem echten Teil deiner Persönlichkeit, in deinem Gehirn wird eine neue Autobahn ausgebildet, die alte, zweifelnde, kritische Autobahn verkümmert nach und nach.
Diese Übung habe ich aus dem “Buch der Freude” von Dalai Lama und Desmond Tutu, entnommen.
(© The Dalai Lama Trust, Desmond Tutu & Douglas Abrams. Das Buch der Freude. München: Heyne)
Die Realität annehmen
Wie schwierig eine Situation auch sein mag, wie sehr wir uns wünschen mögen, dass das Leben doch anders sein soll – manchmal stoßen wir auf Herausforderungen, denen wir nicht ausweichen können. Vielmehr sind sie ein Anstoß, unsere Sichtweise zu verändern und an ihnen zu wachsen.
Akzeptanz öffnet einen Raum. Dieser Satz wirkt banal, vielleicht ungreifbar, und doch hat er so viel Wahres in sich. Wie schwierig eine Situation auch sein mag, wie sehr wir uns wünschen mögen, dass das Leben doch anders sein soll – manchmal stoßen wir auf Herausforderungen, denen wir nicht ausweichen können. Vielmehr sind sie ein Anstoß, unsere Sichtweise zu verändern und an ihnen zu wachsen. „Wenn sich eine Situation ändern lässt, warum dann niedergeschlagen sein? Und wenn sich nicht daran ändern lässt, was nutzt es dann, wenn man niedergeschlagen ist?“ (Dalai Lama) Wenn wir beginnen, unser Leben in einem größeren Zusammenhang sehen, gelingt es uns leichter, schwierige Gegebenheiten zu akzeptieren. Leiden und unangenehme Situationen gehören zu unserem menschlichen Sein einfach dazu. Echte Zufriedenheit erlangen wir dann, wenn wir akzeptieren können, dass Schmerz, Unvollkommenheit und Schwierigkeiten ebenso Teil unseres Lebens sind wie Freude und Glücksmomente.
Alles sinnlos?
Bedeutet Akzeptanz also, dass du alles hinnehmen sollst? Hat das Leben eh keinen wirklichen Sinn, besteht es nur aus leiden und erdulden? Keinesfalls! Akzeptanz hat nicht mit passivem Aushalten und leidvollem Erdulden zu tun. Vielmehr ist eine akzeptierende Haltung kraftvoll und mutig. Sie bringt uns dazu, Herausforderungen ins Auge zu sehen, zu tun, was möglich ist und zu akzeptieren, was wir nicht ändern können. Akzeptanz gleicht dabei einem Krieger, der erhobenen Hauptes in den Krieg zieht, auch wenn er von Feinden umzingelt ist. Wir können dem Leben mit all seinen Sonnenstunden und Schattenseiten bewusst begegnen und akzeptieren dabei, dass das Leben ist, wie es ist, ohne an den Herausforderungen und Umwegen zu verzweifeln.
Wie hilft Akzeptanz in schwierigen Zeiten?
Wenn es uns nicht gut geht, dann leiden wir nicht wegen einer Tatsache, sondern wegen unserer ganz persönlichen Einstellung und Erwartung an die äußeren Umstände. Wir schimpfen, jammern, klagen, verzweifeln. Wenn dieses Verhalten nichts an den Umständen ändert, vergiften wir uns durch diese negativen Denkweisen und den daraus resultierenden Gefühle selbst. Außerdem sorgen wir dafür, dass unser Gehirn sich permanent damit beschäftigt und eine immer stärkere Autobahn des Grolls baut. Zugleich fällt es uns immer schwerer, Freude zu empfinden und Glückmomente zu entdecken. Durch eine bewusste, akzeptierende Haltung können wir diesen Teufelskreis durchbrechen. Warum fällt uns Akzeptanz so schwer? Akzeptanz ist eine Fähigkeit, die wir Menschen durch tägliche Übung trainieren können wie einen Muskel. Haben wir eine akzeptierende Haltung erlangt, können wir bewusster und zufriedener durchs Leben gehen. Im ersten Moment schrillen jedoch alle Alarmglocken, wenn wir diese ungewohnte Haltung einüben. Denn wenn wir beginnen, die Dinge so akzeptieren, wie sie eben sind, verhalten wir uns plötzlich ganz anders, als wir es bisher immer getan haben. Scheinbar automatisch klammern wir uns an Erwartungen und Werten fest, an unseren Überzeugungen, wie das Leben und die Welt in der wir leben, sein sollten. Doch erst wenn wir diese Vorstellungen loslassen, entsteht ein neuer Raum. Dann beginnen wir, dem Leben zu vertrauen und es mit all seinen Chancen und Herausforderungen zu akzeptieren. Das, was uns passiert, hängt oft von so vielen Faktoren ab, die wir nicht direkt beeinflussen können. Mit einer tiefen Akzeptanz schaffen wir die richtige vertrauensvolle Basis, um uns den Aufgaben des Lebens zu stellen.
Akzeptanz ist ein Prozess
So wie jedes neue Hobby und jede Fremdsprache muss auch Akzeptanz erst einmal eingeübt werden, bis wir sie als Teil unserer Selbst erleben. Das bedeutet: Üben, üben, üben.
Warum fallen uns Veränderungen so verdammt schwer?
…und warum wir sie trotzdem wagen sollten!
Das Leben steckt voller Überraschungen. Da sind die guten Momente, die uns Freude bereiten und uns glücklich machen. Und da sind die unerwarteten, die schwierigen, die uns fordern, gewohnte Wege zu verlassen. So schmerzhaft sie auch sein mögen, diese Herausforderungen gehören zu unserem Menschsein dazu. Denn sie zwingen uns, aus alten Mustern auszusteigen und neue Lösungen zu finden, anstatt weiterhin in den festgefahrenen Bahnen unserer Alltagsroutine zu funktionieren.
Leben bedeutet Veränderung. Auch wenn wir als von Natur aus auf Sicherheit geprägte Wesen alles tun, um Unsicherheit zu vermeiden und so gerne an allbekannten Mustern festhalten – auf Dauer macht uns dieses Verharren und Festhalten unglücklich. Wenn es uns gelingt, unsere alte Lebensweise loszulassen und wir offen gegenüber neuen Situationen werden können, gelingt das Leben leichter. Denn erst wenn wir unsere altbekannten Wege verlassen, können wir neue Wege gehen.
Angst vor der Veränderung
Viele Menschen wehren sich beinahe automatisch gegenüber allem Neuen. Selbst wenn das Gewohnte unangenehme Seiten hat – den Partner, den man eigentlich nicht mehr liebt, der Job, in dem man nur die Stunden bis zum nächsten Wochenende zählt – doch die vertrauter Sicherheit hält uns fest in unseren alten Strukturen. Um trotz aller Herausforderungen glücklich durchs Leben zu gehen, müssen wir die Tatsache akzeptieren, dass Leben Veränderung bedeutet. Erst dann können wir uns umsehen und erkennen, dass diese neuen Wege uns auch neue Möglichkeiten zeigen und unseren persönlichen Horizont erweitern. Manche Veränderung bringt etwas Gutes mit sich, andere Veränderungen sind schmerzhaft und schwierig, doch in jedem Fall bedeutet sie individuelles Wachstum unserer Selbst. In der Komfortzone findet keine Entwicklung statt.
Im ersten Moment reagieren wir jedoch unsicher, ängstlich, vielleicht sogar wütend auf die Aufgaben, die uns das Leben stellt. Sei es der neue Job, das Ende einer Beziehung, technische Veränderungen oder Umbrüche in der Gesellschaft - wir sind von Natur aus darauf programmiert, lieber in sicheren Bahnen zu leben, als uns der Veränderung zu öffnen. Und doch tragen wir eine wundervolle Fähigkeit in uns, die diese unvermeidbaren Änderungen überhaupt erst ermöglicht: Unsere Kreativität.
Unsere Glaubenssätze schlagen Alarm
“…schwere Zweifel befallen uns, wenn wir der menschlichen Entwicklung der Persönlichkeit nachgehen wollen… und uns freie Entwicklung gewähren wollen.”.
(Carl Gustav Jung)
Der Gründervater der Analytischen Psychologie ist das Bewusstsein als “Danaegeschenk der Kultur”. Wir haben uns als Menschen aus dem Tierreich weiter entwickelt, können planen, analysieren, uns Gedanken über unsere Vergangenheit und unsere Zukunft machen. Dabei sind wir zwischen unseren biologischen Ursprüngen und unserem hoch entwickelten Menschsein hin- und hergerissen. Während (die meisten) Tiere sich rein auf ihren Instinkt verlassen können, haben wir zwar auch dieses unbewusste “Bauchgefühl”, doch schaltet sich sofort unsere rationale Stimme dazu: “Pass auf! Sei vorsichtig!”. Hinzu kommen noch unsere Glaubenssätze, die wir vor früher Kindheit an aufgesogen haben “Ich bin nicht gut genug”, “ich muss das erst perfekt machen”, “ich schaffe das niemals” und andere negative Sätze, die in Dauerschleife laufen und uns daran hindern, unser Potenzial voll auszuschöpfen. Wir hören zwar, dass wir uns auf unser Bauchgefühl verlassen sollen, doch es fällt uns schwer, zu erkennen, was genau das eigentlich ist.
Wie Veränderung gelingt
Wir können darauf vertrauen, dass wir das Potenzial in uns tragen, das wir benötigen, um die Herausforderungen des Leben zu meistern. Müssen wir also nur positiv denken und alles gelingt? Manchmal, ja. Können wir immer eine Lösung finden? In manchen Situationen ja - unsere Kreativität ist uns dabei behilflich, unerwartete Lösungswege zu finden. Doch da sind auch die Momente, die wir nicht “meistern” oder schaffen können. Es sind die unerwarteten Enttäuschungen, die traurigen Verluste, die schmerzhaften Abschiede, die schweren Diagnosen, die uns den Boden unter den Füßen wegziehen. Wie können wir mit solchen Situationen umgehen? Gerade diese außergewöhnlichen Aufgaben benötigen Akzeptanz und Vertrauen. Das Leben geht weiter, in neuen Bahnen, auf neuen Wegen. Wir tragen alles in uns, um diese Wege zu beschreiten. Mal in kleinen Schritten, mal in größeren. Mal einen vor und zwei zurück. Dafür gibt es keine Trainingseinheit, keinen Kurs, der uns darauf vorbereitet. Nur das Leben, pur und echt, ohne Umschweife, ganz direkt.
Steinzeitmenschen im Designeranzug: Warum wir sind, wie wir sind
Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: Unser Gehirn funktioniert heute noch wie in der Steinzeit. Das moderne Leben versetzt uns in Dauerstress und Alarmbereitschaft.
Wie viel Prozent von dem, was du täglich erlebst, was du denkst und fühlst läuft bewusst ab? Die meisten Menschen glauben, dass sie ihr Leben aktiv steuern und wissen, warum sie sich wie verhalten. Meist spüren wir in besonders herausfordernden Situationen – das nervige Telefonat im Büro, die quengelen Kinder am Nachmittag, der Streit mit dem Partner, Die Forschungsergebnisse der Neurobiologie zeigen, dass wir heute noch zu einem großen Teil genau so funktionieren, wie unsere Vorfahren – der Homo Sapiens Sapiens. Wir besitzen schicke Desingerkleidung, leben in tollen Wohnungen und fahren moderne Automobile – doch im tiefen Inneren unseres Gehirns sitzt eine uralte Struktur, die unser Leben zum großen Teil bestimmt. Dieses Zusammenspiel erklärt, warum wir tun, was wir tun, auch wenn wir uns später darüber wundern. Die innere Struktur in unserem Gehirn hat sich seit Jahrtausenden nicht verändert. Das Stammhirn ist der Sitz unserer Aufmerksamkeit. Dieser uralte Bereich dient unter anderem unserer Aufmerksamkeitssteuerung und war somit zu Urzeiten eine der wichtigsten Funktionen, um nicht gefressen zu werden oder eine Beute zu verpassen. Bis heute ist das Stammhirn eine sehr wichtige Struktur, die genau filtert, was uns im Alltag bewusst wird und welche Informationen wir einfach vorbei ziehen lassen. Je gestresster wir sind, desto aktiver wird diese Aufmerksamkeitszentrale. Denn Stress bedeutet für das Gehirn: Alarm! Sei aufmerksam! Pass auf! Gleich kommt das Mammut oder der Säbelzahntiger! Über dem Stammhirn liegt das Limbische System, das für die emotionale Verarbeitung unserer Sinnesreize zuständig ist. Sehen unsere Augen beispielsweise eine Schlange, schrillen in der Amygdala (einer Struktur im Limbischen System, die auch als „Fear center“ bekannt ist) alle Alarmglocken. Erleben Menschen einen schlimmen Unfall mit, werden sie Zeugen einer Katstrophe oder erleiden einen Missbrauch, ist die Amygdala im Dauereinsatz. Das Limbische System funktioniert nach dem WIE-Prinzip: Wir sehen eine „Schlange“ auf dem Boden liegen und erfassen unbewusst innerhalb von Millisekunden, dass wir in Gefahr sind und entweder Fliehen, Kämpfen oder uns ruhig verhalten sollen (die 3F: Fight, Flight, Freezing sind die drei automatischen Reaktionsmöglichkeiten unseres Unbewusstseins). Stresshormone wie Cortisol werden ausgeschüttet, unser Nervensystem wird aktiviert, das Herz arbeitet schneller, der Puls steigt, der Magen verkrampft sich, die Muskeln spannen sich an – der Körper bereitet sich innerhalb von wenigen Augenblicken darauf vor, mit der Gefahr umzugehen. Das Stammhirn und das Limbische System sind sehr alte Strukturen, die in Urzeiten dem Überleben dienten. Sie stammen aus einer Zeit, in der wir noch keine Sprache zur Verfügung hatten und uns - weit weg von Smartphones und Tablets – ganz auf unser Gefühl verlassen mussten. Je mehr sich der Mensch vom Affen weiterentwickelte, umso größer wurde sein Gehirn – neue Gehirnstrukturen entstanden. Dazu gehört auch der Neocortex. Diese „jüngere“ Gehirnstruktur liegen eine Schicht über dem Limbischen System und ist unter anderem für Sprachproduktion (Broca-Areal) und Sprachverständnis (Werknicke-Areal), bewusstes Denken, Planung und Handlung (Präfrontalcortex) zuständig. Hier finden wir die Antwort auf die WAS-Frage: Was sehen wir (wirklich) vor uns? Bei näherem Hinsehen entpuppt sich die „Schlange“ als Ast, der am Boden liegt. Unser Gehirn sendet „Entwarnung“ an den Körper – die Stressreaktion lässt nach, langsam kommt das Herz wieder zur Ruhe, die Muskeln entspannen sich. Alles nicht so schlimm. Heute sind es nicht mehr die Mamuts, Säbelzahntiger und Schlagen, die uns alle paar Tage stressen. Vielmehr ist es die Dauerbelastung für all unsere Sinnesorgane: Das Smartphone, die permanente Erreichbarkeit, die Lärmbelastung des Stadtlebens, die Forderungen der Familienmitglieder, der nervige Chef, die unzufriedenen Kunden, der erwartungsvolle Partner, der eigne unerbitterliche Antreiber... wir sind gefangen in einem Hamsterrad voller Stressoren. Wenn Stressreaktionen mehrmals täglich aktiviert werden, kommt unser Körper nicht mehr zur Ruhe. Der Cortisolspiegel bleibt chronisch erhöht und schwächt somit auf Dauer das Immunsystem. Entzündungen können sich im Körper ausbreiten. Außerdem schlägt der Dauerstress auf die Stimmung – Angststörungen und Depressionen können die Folge sein.
Wie reduziere ich Stress?
Die meisten von uns wissen, wie ihre individuellen Stressfaktoren aussehen. Wenn nicht, dann lohnt es sich, in den nächsten drei Tagen genau zu notieren, wann man sich wieder genervt, gestresst, aufgebracht oder erschöpft fühlt und die Situationen davor genau zu beobachten. Wer seine Stressfaktoren kennt, kann versuchen, diese zu reduzieren. Klar, ein Jahr Weltreise ist immer eine gute Idee, nur leider nicht für jeden umsetzbar. Bis dahin ist es hilfreich, Stressoren zu vermindern – stets im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten:
Stresst mich der Haushalt – vielleicht kann ich mir eine Haushalthilfe anschaffen, zumindest für die nächste Zeit.
Habe ich nie Zeit für mich? Vielleicht kann ich mir Unterstützung in der Kinderbetreuung suchen, wenn auch nur für eine Stunde pro Woche.
Nervt mich mein innerer Antreiber mit seinem Perfektion und seiner ständigen Kritik? Mit diesen Übungen kann ich diese inneren Muster verändern.
Zwei kostenlose und sehr hilfreiche Tipps gegen Stress
Bewegung: Wie Spazieren, Walken, Laufen oder Schwimmen. Zu den vielen Vorteilen der Bewegung (am allerbesten in der Natur) zählt der beschleunigte Abbau von Stresshormonen, die ohne Bewegung für lange Zeit im Körper verbleiben und nur sehr langsam abgebaut werden. Außerdem werden Glückshormone ausgeschüttet – die Stimmung steigt! Und die monotone Bewegung verbindet die Gehirnstrukturen miteinander – das Bewusste und Unbewusste, das WIE und WAS, das Kreative und das Rationale können miteinander kommunizieren.
Meditation oder Bewusstseinsübungen: Wenn wir einerseits zur Ruhe kommen, uns zugleich aber ganz bewusst fokussieren, trainieren wir unsere Aufmerksamkeit und Konzentration. So gelingt es uns auch, in stressigen Situationen bewusster zu sein und einen kühlen Kopf zu bewahren, um nicht gleich wieder ins Stress-Hamsterrad einzusteigen.
Wie das Leben gelingt
Sicherheit, Freiheit, Bindung, Genuss … wir alle haben menschliche Grundbedürfnisse. Je mehr wir sie im Alltag leben, umso glücklicher sind wir.
Jeder von uns stellt sich früher oder später die Frage: Bin ich glücklich? Lebe ich mein Leben so, wie ich es mir wünsche? Passt der Job, für den ich den Großteil meiner (Lebens-)Zeit investiere, zu meinen Vorstellungen? Bin ich einer Partnerschaft, die meinen Vorstellungen entspricht? Fragen wie diese sind alles andere als leicht zu beantworten und da die einzige Konstante im Leben die Veränderung ist, unterliegen die Antworten auf diese fundamentalen Fragen auch dem Wandel der Lebenszeit. Psychologen, Pädagogen und Sozialforscher beschäftigen sich schon seit vielen Jahren mit der Frage, was das passende Leben ausmacht. Gibt es eine Faustregel? Einen pauschalen Vorschlag, das Leben zu leben? Nein, definitiv nicht. Kann es überhautp gelingen, glücklich zu sein? Ja, das ganz bestimmt. Wichtig bei der Frage, was uns glücklich macht, ist das Wissen: Jeder und jede von uns ist einzigartig. Was für den einen das Leben perfekt macht, ist für den anderen die reinste Horrorvorstellung. Während sich manche Paare nichts sehnlicher wünschen als ein Häuschen im Grünen, ist es für andere unvorstellbar, die Großstadt zu verlassen. Müssen sich die einen tagtäglich sehen, um sich als glückliches Paar zu erleben, ist für die anderen die Fernbeziehung der Schlüssel zum gemeinsamen Glück. Ganz deutlich werden die individuellen Unterschiede auch in der Kindererziehung: Für manche Mütter und ihre Kinder ist es ganz wichtig, viel Zeit miteinander zu verbringen. Die Mutter geht voll in ihrer Rolle auf und freut sich, ihre idyllischen Fotos auf Instagram mit #stayathomemom zu bezeichnen. Für eine andere Frau mag es unvorstellbar sein, länger als einige Wochen bei ihrem Säugling zuhause zu bleiben. Sie denkt schon während des Mutterschutzes voll Sehnsucht an die Zeit ihrer geliebten Autonomie, und wenn es nur für wenige Stunden ist.
Unsere Grundbedürfnisse
Bei aller Individualität sind wir doch alle Menschen. Und als solche haben wir bestimmte Grundbedürfnisse, die uns angeboren sind und die durch unser Aufwachsen geprägt werden. Ein gelingendes Leben ist jenes, in dem wir unsere individuellen Grundbedürfnisse im Alltag befriedigen können. Zu unseren Grundbedürfnissen gehören:
1. Sicherheit und Orientierung: Von klein auf sind wir mit der Ungewissheit der Zukunft konfrontiert. Letzten Endes wissen wir nur eines ganz sicher: Unsere Zeit auf dieser Welt ist begrenzt. Dieses einzige wirklich sichere Wissen macht uns wiederum Angst. Kein Wunder also, dass wir uns nach Orientierung, Struktur und Sicherheit sehnen.
2. Bindung und Zugehörigkeit: Wir Menschen sind seit jeher soziale Wesen. Unsere Vorfahren waren stets in Familienverbänden und Gruppen unterwegs, weil dies das Leben erleichterte und das Überleben sicherte. Ein Menschenkind könnte ohne die Betreuung und Zuneigung seiner Mitmenschen nicht überleben. Bis ins hohe Alter tun wir uns schwer, wenn wir ganz alleine durch Leben gehen müssen.
3. Autonomie: Trotz dem Wunsch, mit anderen Menschen verbunden zu sein, eine Beziehung zu führen, zu einer Familie zu gehören oder Teil einer Gruppe von Menschen mit ähnlichen Interessen zu sein, spüren wir in uns auch das Bedürfnis nach Autonomie. In unserer Entwicklung als Kleinkinder erfahren wir diesen Wunsch nach Autonomie erstmals, wenn wir zu Krabbeln beginnen. In dieser Phase spüren wir zugleich Angst, von unseren Bezugspersonen getrennt zu sein. Der innere Konflikt zwischen Bindung und Autonomie führt zu einem Phänomen, das alle Eltern kennen: Das Kleinkind fremdelt. Je mehr wir uns entwickeln, desto mehr entwickeln wir auch unsere Autonomie und Unabhängigkeit. Der erste Tag im Kindergarten, der Schuleintritt, die erste eigene Wohnung... all diese wichtigen Entwicklungsschritte werden vom Streben nach Autonomie unterstützt. Sie sind aber auch immer wieder mit Ängsten verbunden, eben weil der Wunsch nach Bindung ebenso in uns angelegt ist.
4. Selbstwerterhöhung & Selbstwertschutz: Wir Menschen sind keine Inseln. Wir entwickeln das Bild, das wir von selbst haben, also unseren Selbstwert, in engem Austausch mit den Menschen rund um uns. Wenn wir als Kleinkind oft gelobt werden, bilden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit ein positives Selbstbild und einen gesunden Selbstwert aus. Lob tut uns allen gut – die Dosis macht`s. Werden wir in unserem Selbstwert angegriffen oder gekränkt, fühlen wir uns verletzt. Je nach Persönlichkeit reagieren wir mit Wut, Trauer oder Rückzug.
5. Das Streben nach Lust = Lebensfreude und das Vermeiden von Unangenehmen: Sigmund Freud wusste es schon vor mehr als 100 Jahren – der Mensch lebt (auch) nach dem Lustprinzip. Unsere Vorfahren waren Tiere und auch wir gelten bis heute als Säugetiere. Auch wenn wir uns in vielen Bereichen sehr weit entwickelt haben, handeln wir in zahlreichen Lebenslagen noch genau so wie unsere Vorfahren. Säugetiere sind Energiesparer, das bedeutet, sie tun, was getan werden muss, vermeiden darüber hinaus aber die Anstrengung so gut es geht. Außer, sie macht Spaß, wie zum Beispiel das gemeinsame Spielen mit Artgenossen. So ähnlich geht es uns, wenn wir das Grundbedürfnis nach Lustgewinn oder Unlustvermeidung spüren: Was wir gerne tun und was uns Spaß macht oder gut schmeckt, fällt uns sehr leicht und bereitet uns Freude. Was anstrengend ist, vermeiden wir – so wie das mühselige Aufräumen zuhause oder das lästige Telefonat. Wir brauchen große Anstrengung und Motivation, um uns dazu zu überwinden.
So findest du deinen Weg
Das Geheimnis des gelingenden Lebens liegt darin, die jeweilige Ausprägung der eigenen Grundbedürfnisse zu kennen und die eigenen Stärken zu entdecken. Wenn wir in unserem Alltag einerseits die für uns wichtigen Grundbedürfnisse abdecken und zugleich unsere Stärken leben können, fühlen wir uns ausgeglichen und zufrieden. Das klingt nach einer einfachen Anleitung. Doch ohne das individuelle Erkennen, wie stark das jeweilige Bedürfnis ausgeprägt ist, fällt es uns schwer zu erkennen, welche Bereiche bereits toll funktionieren und welche vielleicht noch Raum für Veränderung mit sich bringen. Der Schweizer Arzt Remo Largo hat dazu eine Technik entwickelt, um das eigene Leben zu analysieren. So gelingt es uns zu erkennen: Was passt? Was können wir noch verändern? Dazu kannst du dir auf ein Blatt Papier einen Kreis aufmalen, diesen in 5 “Tortenstücke” teilen und die 5 Grundbedürfnisse notieren.
Überlege dir dann, wie wichtig dir die jeweiligen Bereiche sind: Wie wichtig ist es dir, frei und autonom in deinem Leben zu sein? Wie schlimm ist es für dich, ohne Struktur zurecht kommen zu müssen? Gehe dabei die Liste der 5 Grundbedürfnisse weiter oben noch einmal durch und nimm dir Zeit, deine jeweiligen Ausprägungen herauszufinden. Notiere pro “Tortenstück” einen Zahl in der Höhe von 1 - 10.
Nun denke an deinen Alltag, dein Leben in einer durchschnittlichen Woche mit deinem Beruf, deiner Familienkonstellation, deinen Fähigkeiten, deinen Hobbies, deinem Tagesablauf. Wirf wieder einen Blick auf deine Tortenstücke, in dem nun jeweils eine Zahl steht. Dann vergleiche, wie sehr die Ausprägung deines Grundbedürfnisses mit deinem Alltag zusammenpasst.
ein Beispiel:
In meiner Übersicht ist die Ausprägung des Bedürfnisses nach Sicherheit eine 7 von 10, mein Bedürfnis nach Autonomie eine 8. In meinem Alltag als selbstständige Therapeutin und Bloggerin wird mein Bedürfnis nach Sicherheit mit 5 Punkten erfüllt - ich habe einen relativ sicheren Job, weil ich aufgrund meiner Erfahrung und Referenzen immer Anfragen für meine Privatpraxis habe. Dennoch wäre es für mich sicherer, in einer Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Das habe ich auch einmal für eine Zeit lang gemacht und die Sicherheit des fixen Einkommens sehr genossen. Warum ich mich dennoch für die Selbstständigkeit entschieden habe? Für die Erklärung dieser persönlichen Veränderung hilft ein Blick auf mein stark ausgeprägtes Bedürfnis nach Autonomie: Die Freiheit, mir meine Arbeitszeiten nach meinen Vorstellungen einzuteilen und sie an den Rhythmus meiner Familie anzupassen, bedeutet mir unglaublich viel. Auch wenn ich immer wieder von Existenzängsten heimgesucht werde, weil ich nie weiß, welcher Betrag am Monatsende auf meinem Konto aufscheinen wird, ist mir meine freie Zeiteinteilung viel mehr wert - im Endeffekt macht mich diese Art zu Leben am glücklichsten. Um meinem Bedürfnis nach Sicherheit dennoch nachzukommen, habe ich begonnen, mich um meine Finanzen zu kümmern und habe mir ein Minimum gesetzt, das ich auf meinem Sparkonto haben muss, um relaxt durchs Leben zu gehen.
Erfüllt dein tägliches Leben deine Grundbedürfnisse? Nimm dir immer wieder Zeit, um dir diese Frage zu stellen. Je nach aktuellen Lebensumständen, Alter, Entwicklung und Erfahrung verändert sich die Ausprägung unserer Grundbedürfnisse und es kann sinnvoll sein, regelmäßig darüber nachzudenken, wie wir ihnen in unserem Alltag am besten nachkommen können.
Morgen-Routine: Mit Selfcare besser in den Tag starten
Viele erfolgreiche Menschen beginnen ihren Tag mit einer bestimmten Morgenroutine. Ob Morgensport, Atemübungen, Yoga oder Journaling (dt.: ins Notizheft schreiben – klingt ja weniger fancy) – es gibt viele Möglichkeiten, den Tag für sich zu gewinnen. Ich persönlich bin schon seit meinem 12. Lebensjahr begeistert von der positiven Wirkung, die dieses einfache Ritual auf den gesamten Tag hat. Damals begann alles mit einem Bericht über Yoga und Tai Chi, in dem die positiven Auswirkungen dieser Übungen beschrieben wurden. Später las ich von der Macht der Affirmationen und erkannte während meines Psychologiestudiums den Zusammenhang zwischen dem Niederschreiben von persönlichen Zielen und Visionen und der dadurch erreichten Aktivierung in unserem Gehirn. Heute sieht meine Morgenroutine so aus – ich passe sie immer wieder an meine jeweilige Lebenssituation an:
05:45 Uhr Wake up & Yoga
Körper und Geist sanft aufwecken Meine Yogamatte und mein Mediationskissen liegen direkt neben meinem Bett. Sobald der Wecker läutet (manchmal auch schon kurz davor), gleite ich aus dem Bett direkt auf die Matte, zünde meine feine Bienenwachskerze an und beginne meinen Tag mit einer kurzen Übungssequenz. Vor einigen Jahren habe ich mir einen großen Traum erfüllt und eine Yogalehrer-Ausbildung absolviert. Damals lernte ich, dass es gar nicht so sehr um die genau Abfolge der Übungen geht, als mehr darum, die Übungen zu finden, die uns persönlich gut tun. Ich beginne meist mit einem ausgiebigen Dehnen und Räkeln, kreise locker mit den Hüften und den Gelenken an Händen, Schultern und Beinen, bevor ich mit einem Sonnengruß starte. Danach baue ich noch zwei, drei Asanas ein. Manchmal führe ich die Übungen auch im Zeitlupentempo aus, eine besondere Form der Achtsamkeit. Das wichtigste am Yoga ist für mich die Atmung: Die bewussten Atemzüge bringen die „Schlafenergie“ aus meinem Körper und frische Energie hinein.
06:00 Uhr Sawasana: Neue Energie fließt durch den Körper
Abschließend praktiziere ich Sawasana im Liegen oder Sitzen und spüre die Wärme, die durch meinen Körper fließt. Besonders in der kalten Jahreszeit verwende ich beim Sawasana eine dünne Decke.
06:05 Uhr Journaling: Ich verankere meine Ziele im Bewusstsein
Nach den Asanas nehme ich mein Journal zur Hand und schreibe, was mir gerade einfällt. Ob es eine Erinnerung an einen Traum ist, ein Moment, auf den ich mich am heutigen Tage besonders freie oder eine positive Affirmation – ich nehme mir ein paar Minuten, um mich gedanklich auf den Tag vorzubereiten. Dadurch passiert in meinem Gehirn folgendes: Das ARAS (aufsteigendes Retikuläres System im Gehirn) wird auf die positiven Bilder fokussiert, die ich mir morgens notiere und somit verankere.
06:10 Uhr Perfect start: Meine absolute Lieblingsübung
Ich staune immer wieder über die Kraft dieser Bewusstseinsübung. Seit rund einem Jahr praktiziere ich sie nun und ich bin begeistert, wie ich durch sie in rund fünf Minuten voller Wärme, Empathie, Kraft und Motivation bin. Hier findest du eine Anleitung zur “Langversion”, die rund 15 Minuten in Anspruch nimmt: www.selbst-management.com
6:15 Uhr Hot lemon water: Good morning drink
Ein absoluter Boost danach ist der halbe Liter hot lemon water mit einer Prise Salz. Dieses selbst gemachte isotonische Getränk füllt die Nährstofflager auf, die über Nacht durch das Schwitzen geleert wurden. Außerdem schwören Fitnessexperten und Wellnessgurus auf der ganzen Welt auf die reinigende und aktivierende Wirkung des Zitronenwassers. Und es schmeckt köstlich!
6:20 Uhr Ölziehen: Ayurvedisches Reinigungsritual
Während ich in der Küche das Frühstück und das Mittagessen für meine Lieben zubereite, reinige ich meinen Mund durch traditionelles Ölziehen. Dafür nehme ich einen großen Esslöffel Kokosöl oder Sesamöl (in Bio-Qualität) in den Mund und beginne, die Flüssigkeit zwischen meinen Zähnen hin und her zu spülen. Für rund 5 bis 10 Minuten spüle ich fröhlich vor mich hin, während ich unsere Green Smoothies zubereite, Gemüse schnippsle und Lunchboxen fülle. Das Öl (Sesamöl sollte milchig-weiß geworden sein) spucke ich direkt in den Mistkübel, bevor`s an Zähneputzen geht.
6:30 Uhr: Frühstück ist fertig – und ich starte voll Energie in den Tag
Mein Smartphone schalte ich übrigens erst danach ein. Für mich ist diese Zeit die wertvollste des Tages. Neben all meinen ToDo-Punkten auf meiner Liste hat die selfcare-Zeit die oberste Priorität! Wenn ich es wieder geschafft habe, mir diese Zeit zu schenken, habe ich schon die allerwichtigsten Aufgaben des Tages erledigt. Alles andere ist zweitrangig. Das mag egoistisch klingen, doch ich habe über die Jahre gelernt, dass ich nur dann langfristig erfolgreich, motiviert und glücklich sein kann, wenn es mir selbst gut geht. Dann kann ich auch meinen Kindern eine gute Mutter sein und meinem Mann eine liebevolle Partnerin. Je nachdem, wie deine Tagesstruktur aussieht, kannst du die Zeiten, Dauer und Inhalte selbstverständlich ganz individuell verändern. Wichtig ist für dein Unterbewusstsein, dass es täglich (oder mehrmals pro Woche) diese wertvolle Zeit für dich gibt, ganz ohne Hektik, ganz ohne Smartphone, ganz ohne Leistungsgedanken.
Qualitytime für dich selbst
Ich hoffe, du findest Zeit, um die deine ganz persönliche Morgenroutine zusammen zu stellen. Sei kreativ und probiere verschiedene Übungen, Bewegungen und Atemtechniken aus. Dabei gibt es kein richtig oder falsch. Es geht gar nicht so sehr um das WAS, sondern vielmehr um das WIE: Als bewusste selfcare-qualitytime.
Gossip kostet Lebensenergie: Hast du das wirklich nötig?
Sich über andere Menschen zu ärgern bringt meistens wenig. Doch es kostet unheimlich viel Lebensenergie. Ist es das wert?
Wenn du dich über andere Menschen ärgerst, aber ihnen nicht direkt sagst, was dich an ihnen stört, ist es so, verletzt du in Wahrheit nur dich selbst. Denn durch das permanente Grübeln und die negativen Gedanken verändert sich nichts am Verhalten des anderen, doch du leidest darunter. Ich lade dich zu einem kleinen Gedankenexperiment ein:
Stell dir bitte den Menschen, über den du dich am meisten ärgerst, der dich immer wieder richtig an deine Grenzen bringt, vor. In welcher Situation hat er sich zuletzt total unmöglich verhalten? Hast du ein Bild dieser Situation vor Augen? Begib dich so intensiv wie möglich in diese Situation und versuche, dich hinein zu fühlen: Was hat er dabei gesagt? Wie hat er sich dabei verhalten? Wie war seine Mimik und Gestik? Und nun bitte ich dich, zu beobachten, welches Gefühl in dir hochsteigt. Ist da Ärger? Wut? Ekel? Empörung? Wo spürst du dieses Gefühl in deinem Körper? Zieht sich dein Magen zusammen, wenn du du daran denkst? Oder verkrampfen sich deine Muskeln? Hat sich vielleicht unbewusst deine Stirn gerunzelt? Beobachte dich und deine Gedanken und Empfindungen. Wie geht es dir jetzt?
Wahrscheinlich fühlst du dich so, als wäre die Person gerade neben dir und du hättest die Situation wieder erlebt. Das bedeutet jedoch: Alleine durch deine Gedanken hast du dich wieder in die ungute Situation versetzt, die dich nervt, dich aufreibt, sogar in deinem Körper spürbar ist und dir so wertvolle Lebensenergie kostet. In diesem Moment war das ganz bewusst so, weil ich dir zeigen wollte, wie schnell das geht und wie du quasi nebenbei deine Energie verschwendest. Wenn es einen Menschen in deinem Leben gibt, der dich maßlos aufregt, dann passiert dir so etwas wahrscheinlich regelmäßig. Vielleicht sogar täglich!
Dein Gehirn versucht durch das permanente Durchspielen und Durchdenken der Situation (oder ähnlicher Situationen mit diesem Menschen) eine Lösung zu finden. Denn sein Verhalten bringt dich aus deinem persönlichen Gleichgewicht und ein sehr starker psychischer Mechanismus, die bereits von Sigmund Freud beschriebene Homöostase, versucht alles mögliche, um dich wieder zu zentrieren. Vereinfacht heißt das: Da ist ein Problem, das mich stört (das Verhalten des anderen, das nicht zu deinen Werten und Vorstellungen passt). Aus bestimmten Gründen begegnest du diesem Menschen immer wieder – vielleicht handelt es sich um ein Familienmitglied oder um den Partner deiner besten Freundin – und du kommst immer wieder in diese herausfordernde Situation. Der Wunsch nach psychischem Gleichgewicht versucht also nun, eine Lösung zu finden. Dein Gehirn bedient sich dabei deinen Vorstellungen, Erfahrungen, deiner Art, das Leben zu leben. Vielleicht kennst du auch dieses „das kann doch nicht sein, wieso benimmt sich der so daneben“-Gefühl? Oder das „die Lösung ist doch sonnenklar, der braucht doch nur XY zu machen“-Denken? Egal welche Lösungsvorschläge du hast, wenn du auch in Zukunft immer wieder mit diesem Menschen zu tun hast, gibt es nur wenige Möglichkeiten, mit ihm zurecht zu kommen. Der einfachste und zugleich anstrengendste Weg ist jener, den die meisten von uns ganz unbewusst wählen: Wir verschwenden Gedanken und viel Lebensenergie daran, uns über das Gegenüber zu ärgern, wir regen uns auf, schimpfen vielleicht noch bei anderen über diesen unmöglichen Menschen und verändern damit nichts außer unsere positive Energiebilanz. Die andere Möglichkeit besteht darin, sich bewusst zu entscheiden: Gibt es Dinge, die ich direkt ansprechen möchte? Kann ich meiner besten Freundin sagen, dass ihr Freund ein Arsch ist? Darf ich meine Arbeitskollegin darauf hinweisen, dass sie einfach viel zu laut telefoniert? Die Antwort auf diese Fragen kannst du nur individuell finden. Dafür brauchst du aber Ruhe und Distanz sowie ein bisschen Gespür dafür, was sich im Bezug auf diese Situation und diese Person richtig anfühlt. Außerdem kann es sinnvoll sein, die Konsequenzen abzuwägen: Bricht deine beste Freundin sofort jeden Kontakt zu dir ab, wenn du ihren Traumprinzen kritisierst? Dann kann es ratsamer sein, dich zurück zu halten und ihr als Verbündete zur Seite zu stehen, als sie alleine bei ihm zu lassen. Stört die Kollegin mit ihrer lauten Telefoniererei alle anderen, ist es wohl für alle besser, sie ihr (wahrscheinlich unbewusstes) Verhalten anzusprechen. Häufig ist es jedoch so, dass wir gar nicht viel ändern können, gerade wenn es sich um Charakterzüge des Gegenübers handelt, oder die gänzlich andere Art, sein Leben zu leben. In diesem Fall kannst du dich selbst fragen: Was bringt es mir, wenn ich mich permanent über den anderen aufrege? Hat er sich dadurch schon geändert? Wohl kaum. Dein Gehirn versucht, durch das gedankliche Verharren in der Situation eine Verbesserung zu erzielen. Dies gelingt natürlich nicht. Daher ist es besser, dir bewusst zu machen: Du kannst deine Gedanken lenken, oder es zumindest lernen und damit entscheiden, ob du sie für so etwas Sinnloses verschwenden möchtest.
Um dir selbst etwas Gutes zu tun ist es also ratsam, deinen Ärger sein zu lassen und deine Lebensenergie in etwas zu investieren, das dir gut tut. Wohltuende Achtsamkeitsübungen, zum Beispiel.
Positive Affirmationen: Wie du dein Gehirn umprogrammierst
Mit diesen einfachen Tricks gelingt es dir, deine Gedanken auf Erfolg und Zufriedenheit zu lenken.
Hast du das Gefühl, dein Leben selbst in der Hand zu haben? An manchen Tagen verfalle ich dieser Illusion. Ich folge brav meiner Routine, ich erledige meine ToDo`s, ich plane und arbeite wie ein Uhrwerk und dann stellt sich dieses Gefühl ein: Alles läuft perfekt. Ha, da ist sie schon, die Illusion. Denn im menschlichen Leben gibt es keine Perfektion. Die gibt es vielleicht in der Kunst, in der Mode, in der Haubengastronomie, im Spitzensport oder bei Tätigkeiten, die wir mit viel Liebe zum Detail ausführen. Sie sind Inseln in einem Alltag zwischen Normalität und Chaos. Umso schöner, dass wir uns an diesen kleinen, perfekten Momenten erfreuen können. Mir selbst gelingt dies durch positive Affirmationen. Sie zeigen mir, wie ich meinen Alltag positiver, lebensfroher und schöner gestalten kann.
Innere Antreiber: Sei perfekt, sei beliebt, sei die Beste!
Oft spüren wir erst, dass wir in einem negativen Sog gefangen sind, wenn wir total erschöpft sind, wenn wir uns mit Medien (suchtähnliches Scrollen durch social media...) betäuben oder körperlich spüren, dass wir vollkommen überfordert sind. Passiert es also so plötzlich, dass uns alles zu viel wird? Nein! Wenn wir genauer hinschauen, können wir die einzelnen Situationen erkennen, die zum Super-Gau geführt haben. Du kannst dich selbst einmal im Alltag beobachten. Vielleicht ist dein größtes Problem, dass deine Arbeit dich nervt. Das geht ganz vielen so. Aber die Arbeit an sich ist ja relativ neutral – mal mehr, mal weniger anstrengend. Was sie für dich so besonders kräfteraubend macht, sind deine inneren Antreiber. Wage das Experiment und beobachte einmal, was dir durch den Kopf geht, wenn du deine Arbeit verrichtest. Oft sind es Gedanken und Glaubenssätze wie „Du musst perfekt sein“ – der Garant für Überforderung. Oder „Du musst beliebt sein“ – ein Glaubenssatz, der uns zum beliebten Mitarbeiter und Kollegen macht, aber auf Dauer zur Erschöpfung führt. Wenn du diese Antreiber erkennst, kannst du dich bewusst beobachten. Kein Wunder, dass du dich abends kraftlos vom Schreibtisch nach Hause schleppst, wenn du den ganzen Tag versuchst, es allen Recht zu machen oder die Allerbeste sein möchtest. Diese Antreiber funktionieren wie negative Affirmationen für unser Gehirn und unser Unterbewusstsein. Sie kosten permanent Kraft, ohne uns langfristig zu dienen.
Einbildung oder Realität? Egal!
Unserem Gehirn ist es dabei (relativ) egal, ob wir tatsächlich perfekt sein müssen oder es uns über die Jahre hinweg „eingebläut“ haben. Dieses Phänomen funkitoniert auch verkehrt herum: Es kann nicht unterscheiden, ob wir einen schönen Moment tatsächlich so erleben oder ob er gerade nur in unserer Vorstellung abläuft. Ich mache mir dieses Phänomen gerne zu nutze. In meinen täglichen Meditationen baue ich also diese positiven Affirmationen ein. Welche Affirmationen zu dir passen? Am besten jene, die das Gegenteil von deinen inneren Antreibern sagen.
Sei perfekt – ich gebe mein Bestes und das reicht
Sei beliebt – es gibt Menschen die mich mögen und andere, die das eben nicht tun
Sei die Beste – Ich tue, was ich kann und das ist genug
Sei schneller – Ich arbeite in meinem Tempo so gut ich kann
Probiere ein bisschen herum, welcher Satz sich für dich gut anhört. Der wichtige erste Schritt besteht darin, diese innere kritische Stimme zu ertappen und genau hinzuhören, was sie sagt. Dann verfasse einen Satz mit Ich-Botschaft, der das Gegenteil besagt und der sich für dich gut anfühlt. Schreibe diesen Satz auf, in dein Journal, auf Post-Ist und gerne als deinen Smartphone-Hintergrund. Es ist wie beim Lernen von schwierigen Vokabeln: Je öfter am Tag du diese neuen, positiven Sätze siehst, desto besser werden sie in deinem Unterbewusstsein verankert.
Selbstwert und Körperbild verbessern mit Affirmationen
Die Technik der positiven Affirmationen ist im Yoga schon seit Jahrtausenden bekannt, dort werden sie Mantras genannt. Heute finden diese einfachen und doch so effektiven Techniken in vielen Therapien und Coachings immer mehr Zuspruch. Sie sind individuell und können an die jeweiligen Themen, die uns gerade beschäftigen, angepasst werden. Ich habe eine Zeit lang positive Affirmationen zum Thema Körperbild und Selbstwert verfasst und mir zb täglich aufgeschrieben: Ich liebe meinen Körper (bzw. eine bestimmte Stelle, dich ich eigentlich nicht so toll fand oder sogar hasste). Ich bin dankbar für all meine gesunden Zellen, die sich täglich erneuern und so gut zusammen arbeiten. Ich behandle meinen Körper wie einen Tempel. Diese positiven Affirmationen hatten (neben regelmäßiger Bewegung und Asanas) zur Folge, dass ich heute ein sehr gutes Körperbild habe und meinen Körper liebe und achte, so wie er ist. Du kannst die Affirmationen zusammenstellen und ausprobieren. Wichtig ist dabei nur, dass sie in Ich-Botschaften verfasst werden und du dich mit ihnen wirklich wohl fühlst. Dann kannst du dir täglich zu einer bestimmten Tageszeit ein zwei Minuten (oder mehr, das geht natürlich immer, muss aber nicht sein) nimmst, um dich mit diesen neuen, wohltuenden Worten zu beschäftigen. Schreib sie noch einmal in dein Journal – vielleicht sogar besonders schön, in verschiedenen Farben – unser Gehirn lernt durch die intensive und vielseitige Beschäftigung mit Neuem. Wenn du diese positiven Worte zusätzlich auf einem Postit am Spiegel hängen hast oder sie immer wieder auf deinem Smartphone siehst, wirst du umso öfter daran erinnert und die neuen Glaubenssätze „brennen“ sich als neue Muster in deine Gedanken und Gefühle ein. Falls du eine enge Freundin oder einen lieben Freund hast, kann dir dieser deine (und dir seine?) positive Affirmation ja vielleicht immer wieder per WhatsApp schicken? Das kann ein schönes gegenseitiges Zeichen der Freundschaft und Aufmerksamkeit sein.
Kurzschluss im Gehirn: Wieso Diäten uns blöd machen
Auch wenn wir es nicht gerne wahrhaben, unser Denken, Handeln und Fühlen wird zu einem großen Teil von unserem Gehirn gesteuert. Umso wichtiger ist es, auf einen Lebensstil zu achten, der dein Gehirn optimal reagieren lässt. Dazu gehört ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und der richtige Umgang mit Stress.
Auch wenn wir es nicht gerne wahrhaben, unser Denken, Handeln und Fühlen wird zu einem großen Teil von unserem Gehirn gesteuert. Umso wichtiger ist es, auf einen Lebensstil zu achten, der dein Gehirn optimal reagieren lässt. Dazu gehört ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und der richtige Umgang mit Stress.
Wenn du etwa hungrig bist, weil du mal wieder das Frühstück ausgelassen hast oder die Mittagspause über durchgearbeitet hast, kommt es in deinem Gehirn quasi zur Kurzschlussreaktion. Denn dann übernimmt das limbische System die Kontrolle. Ähnlich verhält es sich überigens, wenn du nicht ausgeschlafen bist. Dies erklärt mitunter die ständige Gereiztheit und daraus resultierende Ungeduld von jungen Eltern - wer die halbe Nacht auf ist, um den Nachwuchs zu beruhigen, hat am nächsten Tag kaum mehr Ressourcen, um ruhig und gelassen rationale Entscheidungen zu treffen. Ganz im Gegenteil: Wir reagieren impulsiv und ungehalten auf Situationen, die - in einem ruhigeren Moment betrachtet - so dramatisch gar nicht sind.
Um gelassen auf eine brenzlige Situation zu reagieren, haben wir in unserem Gehirn eine verbindende Struktur - den mittleren Präfrontalcortex. Dieser “Dolmetscher” sorgt dafür, dass die Informationen aus dem Stammhirn (Reptiliengehirn), dem limbischen System (Emotionales Gehirn) und dem Präfrontalcortex sinnvoll entschlüsselt werden und wir angemessen reagieren können. Dies gelingt jedoch nur dann, wenn wir genügend Energie zur Verfügung haben. Unter anderen Umständen - wie etwas Hunger, Schlafmangel oder auch Dauerstress - kann unser Gehirn nicht optimal funktionieren.
Wie wichtig eine ausgewogene Ernährung für dich ist, erkennst du, wenn du dich “hangry” (hungry and angry) fühlst. Du kannst nicht mehr klar denken, sonder verhältst dich wie ein hungriger Wolf - bist gereizt, ungehalten und oft auch unvernünftig. Während einer einseitigen oder zu stark kalorienreduzierten Diät kann es in deinem Gehirn zu einer Unterversorgung kommen und deine Steuerzentrale kann nicht mehr optimal funktionieren.
Der Präfrontalcortex braucht für seine Funktion viel Glukose, also nicht anderes als Energie in Form von (umgewandeltem) Zucker. Dies zeigt sich auch im Verlangen nach kalorienhaltigen, süßen, junkigen Nahrungsmitteln in stressigen Zeiten. Dieser Hirnbereich ist für folgende wichtigen Aufgaben zuständig:
Körperregulation: Atmung, Herzfrequenz, die beiden Nervensystem Sympathikus und Parasympathikus, der aktivierende Nerv und der Ruhenerv unseres Organismus.
Empathische Kommunikation: Erst wenn wir uns in unser Gegenüber einfühlen, können wir überlegt kommunizieren und agieren
Emotionale Ausgeglichenheit: Erst wenn wir uns emotional in Balance fühlen, geht es uns wirklich gut. Unsere Gefühle sind dabei weder zu wenig vorhanden, noch überaktiv, das Gleichgewicht zwischen Veränderung und Stabilität tut spürbar gut. Kurz gesagt bedeutet emotionale Ausgeglichenheit einfach Gelassenheit.
Reaktionsflexibilität: Durch diese wichtige Fähigkeit gelingt es uns, in einer Situation ruhig und reflektiert zu handeln, anstatt automatisch zu reagieren
Angstmodulation: Im Limbischen System liegt unsere Alarmzentrale - die Amygdala. Dieses kleine Nervenbündel (!!) reagiert innerhalb von Millisekunden, wenn es eine vermeintliche Bedrohung wahrnimmt. Die Amygdala aktiviert über das Stammhirn die Alarmbereitschaft des Körpers - Herzfrequenz geht nach oben, die Atmung wird flach, die Pupillen weiten sich. Ein funktionsbereiter Präfrontalcortex kann durch bewusstes Denken diese Alarmsignale relativeren und sich selbst wieder beruhigen. Dadurch können wir unsere Ängste überwinden. Aus neurobiologischer Sicht wird dabei im Präfrontalcortex der Neurotransmitter GABA (Gamma Amino Butter Acid = Säure) ausgeschüttet. Dieser reizhemmende Botenstoff wirkt unter anderem beruhigend auf die Amygdala. Kein Wunder, dass GABA auch in Psychopharmaka verabreicht wird, um Angststörungen entgegen zu wirken. Übrigens: Dauerstress senkt den GABA-Gehalt im Gehirn.
Mehr über die Wirkung von GABA auf die Amygdala steht in diesen Fachartikel: https://bit.ly/345sOwm; https://bit.ly/32LGQ6a.
Empathie: Die Fähigkeit, “Du-Landkarten” in unserem Gehirn entstehen zu lassen.
Einsicht: Die grundlegende Bereitschaft, uns selbst zu hinterfragen und nicht sogleich unseren Impulsen entsprechend zu reagieren
Moralisches Bewusstsein: Um uns bewusst für das moralisch richtige Verhalten zu entscheiden, muss unser medialer Präfrontalcortex intakt sein.
Intuition: Der Zugang zur Weisheit unsere Körpers, unser Bauchgefühl und unserer inneren Stimme gelingt ebenso über diesen Bereich unseres Gehirnes. Auch wenn den moderne Mensch sie heute nicht mehr so deutlich spüren kann wie noch unsere Vorfahren - die Intuition ist ein wichtiger Berater, wenn es darum geht, im Leben richtige Entscheidungen zu treffen.
Statt dem vernünftigen, reflektierten, längeren Weg durch den Präfrontalcortex, der unser Handeln selbstbestimmt und bewusst macht, nimmt die Information die Abkürzung: Von Stammhirn und limbischen System direkt, unreflektiert, blitzschnell - wir verlieren die Kontrolle und reagieren nur noch. In diesen Ausnahmesituationen gehen uns wichtige Fähigkeiten verloren :
Wir können uns nicht mehr emphatisch in unser Gegenüber einfühlen, sondern sehen nur noch schwarz-weiß und sind auf unsere eigene Verteidigung aus
Die Perspektivenübernahme wird unmöglich
Alte Muster, die wir in unserer Vergangenheit gelernt haben, laufen wie automatisch ab und bestimmen uns Denken, Fühlen und Handeln
Wir reagieren, statt zu agieren
Ein Beispiel aus dem Alltag: Ich komme nach einem langen Praxistag nach Hause und sehe die Jeans meines Mannes unachtsam am Boden liegen. Mein erster Gedanke “Ich fasse es nicht, wie kann man nur so schlampig sein?” Je nachdem, wie ich heute auf mein inneres Gleichgewicht geachtet habe, kann ich unterschiedlich mit dieser Situation umgehen:
Bin ich müde, erschöpft, hungrig und genervt, wählt mein Gehirn den kürzeren, direkteren Weg. Die Informationen aus dem Limbischen System (das Gefühl von Genervtsein, Ungeduld, Ärger) und dem Stammhirn (ich fühle mich schon müde vom langen Tag, möchte nicht noch mehr tun) führen direkt zu meiner Reaktion: Ich packe die Hose, werfe sie genervt in den Kasten meines Mannes, schnauze ihn noch an, ob er “nicht einmal im Leben mitdenken kann?!” und beginne so eine Diskussion. Wir beide verbringen den Abend schmollend vorm Fernseher.
Bin ich ausgeglichen, satt, habe ich noch genügend Energie, kann ich den vernünftigen Weg wählen - mein Gehirn integriert im medialen Präfrontalcortex die Informationen aus dem Limbischen System (das Gefühl von Genervtsein, Ungeduld, Ärger) und dem Stammhirn (ich fühle mich schon müde vom langen Tag, möchte nicht noch mehr tun) analysieren, bevor aus dem Präfrontalcortex die rationale Botschaft kommt: “Ist ja nicht so schlimm. Ich kann ihm in Ruhe sagen, dass er die Jeans selbst wegräumen soll. Danach machen wir uns einen gemütlichen Abend zu zweit.”
Dieses Beispiel zeigt, wieso es so wichtig ist, regelmäßig und ausgewogen zu Essen. Denn nur, wenn dein Gehirn ausreichend Energie zur Verfügung hat, kann es sein Bewusstsein einsetzen, um mit den Herausforderungen des Alltags bestmöglich umgehen zu können.
Vulnerabilität: Über unsere Verletzlichkeit
Wir alle streben nach Glück. Doch gibt es das “perfect life” überhaupt?
Meist geht es mir gut, sehr gut, um genau zu sein. Im Vergleich zur Durchschnittsösterreicherin sehr sehr gut, würde ich sagen. Denn ich sehe die positiven Dinge im Leben viel eher als die Negativen. Ich habe kein Problem mit schlechtem Wetter (ganz im Gegenteil, ich mag die Ruhe an verregneten Sonntag-Nachmittagen). Ich kann in beinahe jeder Herausforderung eine Chance entdecken. Und ich achte darauf, in meiner Balance zu bleiben: Morgenrituale, die mich für den Tag stärken, mood food, das meine Stimmung hebt, ToDo-Listen, die meine Zeit bestmöglich einteilen... Ja ich spüre immer wieder, wie sehr ich an Strukturen und Plänen hänge, um mein Bedürfnis nach Sicherheit zu befriedigen. Ich habe mehr als 100 Stunden psychotherapeutische Selbsterfahrung und unzählige Stunden ganz persönliche Selbsterfahrung hinter mir und glaube, meine sensiblen Seiten ebenso gut zu kennen wie meine Stärken und Ressourcen. Man könnte sagen: Ich hab mein Leben im Griff. Wäre theoretisch auch so. Wenn ich eine Maschine wäre.
Just think happy? Not!
Denn so einfach, wie ich mir das wünsche, ist es schlichtweg nicht. Viele Jahre bin ich der Illusion hinterhergelaufen, das Leben irgendwann vollständig verstehen und kontrollieren zu können. Ich habe viel Zeit darin investiert, unglaublich viele Bücher (von Yoga über Spiritualität bis hin zu psychologischer und medizinischer Fachliteratur) und Biografien gelesen, stets auf der Suche nach meinem „Stein der Weisen“. Dieses Ziel trieb mich viele Jahre an, ja vor sich her. Ich war wie besessen davon, herauszufinden, was Menschen (allen voran mich selbst) dauerhaft glücklich macht. Ich bin den großen Teil meines Lebens zufrieden und fühle mich gut. Doch an den Tagen, an denen es mir nicht so gut ging, war ich dem Verzweifeln nahe. Sie waren für mich immer ein Zeichen des Versagens, ein Zeichen dafür, dass ich noch nicht dort war, wo ich sein wollte. Ich wollte frei sein von negativen Gefühlen und Gedanken, wollte zu 100 Prozent glücklich, zufrieden und positiv sein.
Ich bin glücklich. Aber auch verletzlich, traurig, deprimiert.
Ich denke, das in einer Zeit von perfect-life auf Instagram und „5-ways-to-happiness“-Coaches vielen von uns vorgegaukelt wird, dass es das perfekte Leben gibt. Je mehr ich mich in den vergangenen Jahren mit mir selbst, meinen Mitmenschen, ihren Geschichten und den vielen Seiten des Lebens befasst habe, umso mehr habe ich erkannt: Das perfekte Leben gibt es, für jeden von uns, doch dieses ist niemals zu 100 Prozent positiv. Wir können uns noch so bemühen, all unsere Tage mit Lebensfreude und Glück zu erhellen, die schwierigen Tage mit ihren Schattenseiten können wir deshalb nicht verhindern. Diese Tage, die mir zeigen: Ich bin verletzlich. Ich bin mal traurig, mal wütend, mal deprimiert. Mal am Verzweifeln. Und dann sind diese Momente, die mir klar machen: Du versuchst zwar alles, was in deiner Macht steht, und trotzdem hast du dein Leben niemals ganz in deiner Hand. Diese Erkenntnis fällt mir bis heute manchmal schwer. Sie macht mir sogar richtig Angst, denn sie zeigt mir immer wieder: Ich kann mich noch so sehr bemühen, die absolute Kontrolle gibt es nicht.
Warum in jedem von uns ein Monk steckt
Woher kommt eigentlich dieser Wunsch nach Kontrolle? Jeder, der sich schon einmal selbst als „Monk“ bezeichnet hat, kennt den Drang nach Perfektion. Dahinter steckt eines unsere urmenschlichen Grundbedürfnisse: Wir wünschen uns Sicherheit und Kontrolle in unserem Leben. Unser heutiges Verhalten ist von vielen Faktoren beeinflusst: Davon, welches genetische Erbe uns unsere Vorfahren mitgegeben haben, wie wir aufgewachsen sind, welches Verhalten wir unsere Eltern und Geschwistern beobachtet haben und wie wir selbst gelernt haben, uns Sicherheit und Kontrolle zu verschaffen. Ein Kind, das in einer unsicheren Umgebung aufgewachsen ist, in dem zB das Thema Geld immer ein großer Unsicherheitsfaktor ist, kann später mehr dazu neigen, sich durch zwanghaftes und überstrukturiertes Verhalten ein sicher(er)es Leben aufzubauen. Bei anderen war es wiederum so, dass Eltern, Geschwister oder andere „Vorbilder“ ein sehr perfektionistisches Verhalten gezeigt haben und damit erfolgreich waren, wodurch wir begonnen haben, diesen Vorbildern nachzueifern. Jeder von uns, der sich übertrieben strukturiert, perfektionistisch (der Perfektionismus hat übrigens viele Gesichter) oder zwanghaft verhält, versucht dadurch unbewusst, sein Leben zu kontrollieren und Unsicherheiten zu eliminieren. Ein verständlicher Wunsch, wenngleich ein unrealistischer.
Relax: Nothing ist under control
Wenn wir tatsächlich verstehen und erkennen, dass die Unsicherheit und im Speziellen das Unangenehme und Negative ebenso zu unserem Leben gehört, erleben wir echte Erleichterung: Das Wissen, dass die Herausforderungen, die schlechten Tage, an denen man am liebsten im Bett bleiben möchte, man alles hinterfragt und am liebsten mit Pizza und Fast Food eine Serie auf Netflix binge watchen möchte, einfach zu unserem Mensch-sein dazu gehören. Wie die Natur niemals nur im Wachsen begriffen ist, sondern auch von Stürmen geprägt wird und ihre Ruhezeiten braucht, so verläuft auch das menschliche Leben nicht in einem Aufwärtstrend. Auch nicht wenn wir uns sagen, dass wir unserer Glückes Schmied sind und alles erreichen können.
Schwarz? Weiß? Bunt!
Sind meine Worte also eine Andeutung darauf, dass das Leben eine anstrengende, vielleicht gar sinnlose Tortur ist? Keinesfalls! Ich kann die Ergebnisse der aktuellen Forschung im Bereich der positiven Psychologie auch aus persönlicher Erfahrung nur bestätigen: Je positiver wir denken, desto besser wird unser Leben. Wenn wir Dankbarkeit üben (3 gute Dinge), programmieren wir uns darauf, die schönen Seiten des Leben zu sehen, allen Herausforderungen zum Trotz. Es gibt hier, wie so oft im Leben, kein Entweder – Oder, kein Schwarz oder Weiß, sondern ein Trotzdem: Ich kann durch positives Denken zu einem Menschen werden, der in seinem Leben trotz aller Schattenseiten die erfreulichen Momente erkennen kann. Und das tut uns gut. Auch und gerade dann, wenn die schwierigen Tage, die es bis an unser Lebensende immer wieder geben wird, sich mal wieder wie eine schwere Decke über uns legen. Ein Ziel meiner Arbeit als Psychotherapeutin ist es, dass meine Klienten ihre eigene Verletzlichkeit erkennen und sie annehmen können. Zugleich finden wir gemeinsam Dinge, die ihnen individuell gut tun und sie stärken. Denn wer weiß, wo seine sensiblen Seiten liegen und wie sich diese zeigen, kann versuchen, sich selbst mit dem, was ihm oder ihr gut tut, zu unterstützen. Es geht hier nicht darum, dass das unangenehme Gefühl sofort verschwindet. Vielmehr ist dieses Wissen um die persönliche Sensibilität und die eigenen Stärken sehr wertvoll, um sich selbst in schwierigen Zeiten ein guter Begleiter zu sein. Denn wenn wir wissen, dass die schlechten Tage ebenso zu unserem Leben gehören wie die guten, dann wissen wir auch, dass wir manchmal nur ein bisschen Geduld und Zuversicht brauchen, bis die Sonne wieder scheint.
Verhalten verändern: 3 Schritte zu deinem Ziel
Neue Wege = dein neues Leben. Jeder Tag zählt!
Mehr Sport, bessere Ernährung, gesunder Schlaf, mehr Achtsamkeit im Alltag… Du möchtest dein Leben ändern, bist aber genervt von all den misslungenen Versuchen? Damit es dir endlich gelingt, deine Ziele zu erreichen und Verhaltensweisen nachhaltig zu verändern, möchte ich dir drei simple Tipps mitgeben.
„The distance between dreams and reality is called action. “
© Magdalena Lublasser. Es ist nie zu spät, neue Wege zu beschreiten. Finde dein ganz persönliches Ziel und genieße die Reise.
Was möchtest du verändern?
Nimm dir Zeit herauszufinden, wie deine Ziele wirklich aussehen. Hol dir ein leeres Blatt und Stifte, Pinsel, Farben… die dir Freude machen und beginne, deine Ideen zu der 1. Frage fließen zu lassen. Vielleicht möchtest du dein Wohlfühlgewicht erreichen? Oder entspannter werden und dich nicht mehr so leicht stressen lassen? Möchtest du dein Zeitmanagement besser planen? Lass deinen Gedanken freien Lauf. Dieser Prozess ist wundervoll, um deine natürliche Kreativität (endlich) zu nutzen. Je nachdem, wie klar dir deine Ziele bereits sind, kann dieses Sammeln ein paar Minuten oder auch mehrere Stunden dauern. Ich selbst mache diese Übung in regelmäßigen Abständen über mehrere Tage hinweg: Ich nehme mir immer wieder Zeit, um meine Notizen anzusehen, sie zu ergänzen und zu spüren, welche Ziele mir in der jeweiligen Lebenssituation wirklich wichtig sind. Wenn du mehrere Ziele gefunden hast, dann versuche mit einem zu starten: Welches Ziel ist für dich aktuell am wichtigsten? Was wünschst du dir am sehnlichsten? Was möchtest du möglichst bald erreichen?
2. Visualisiere dein Ziel täglich.
Wenn du dein Ziel nach dem SMART-Modell formuliert hast, hilft dir ein klein bisschen neurobiologisches Wissen, um dieses auch zu erreichen. Du kannst dich selbst durch eine einfache und wirksame Übung auf dein Ziel vorbereiten. Dazu bitte ich dich, dir ein schönes Notizbuch zu besorgen. Schreibe dein Ziel auf die erste leere Seite. Nimm drei tiefe Atemzüge und stelle dir vor wie es ist, wenn du dein Ziel erreicht hast: Wie siehst du aus? Was fühlst du? Wo im Körper spürst du eine Veränderung? Fühlst du dich fitter? Entspannter? Stolzer? Was sagen deine Freunde über dich, wenn sie dich so sehen? Spüre dich bewusst in die zukünftige Version deiner selbst hinein. Nimm dir dafür ein paar Minuten Zeit und genieße die Vorstellung. Dann öffne die Augen wieder und notiere unmittelbar nach dieser Übung in Stichworten, was dir dazu eingefallen ist: Gedanken, Gefühle, die Stimmung in deiner Zielvision. Ich möchte dich dazu einladen, dein Notizbuch abends neben dein Bett (oder unter deine Matratze) zu legen und morgens noch bevor du aus dem Bett springst diese Seite aufzuschlagen. Nimm drei tiefe Atemzüge und begib dich in deine Zielvorstellung deiner selbst. Wann immer dir danach ist, notiere ein paar Stichworte nach dieser Übung. Dann starte den Tag wie gewohnt.
Was bringt diese Übung? Dein ARAS (das aufsteigende Retikuläre System im Hirnstamm) wird durch diese Visualisierung schon morgens auf deine Zielvision hin geprimed. Du programmierst dich quasi darauf, dein Ziel im Auge (oder besser gesagt im Unterbewusstsein) zu behalten. Das ARAS “screent” deine Umgebung in jeder wachen Minute. Der Effekt der Primings passiert meist unbewusst, aber du erkennst ihn wenn du zB ein neues Auto einer bestimmten Marke kaufen möchtest, eine Heirat geplant oder oder du/ jemand in deinem nahen Umfeld ein Baby erwartet - plötzlich siehst du quasi überall dieses Auto, jeder scheint zu heiraten und ein Babyboom scheint stattgefunden zu haben. Doch in Wirklichkeit gibt es nicht zufällig gerade mehr von diesen Phänomenen, vielmehr ist dein ARAS darauf fokussiert, die Autos, die Hochzeitsplanungen, die Babies zu sehen. Dein Unterbewusstsein beeinflusst dein Bewusstsein durch die erhöhte Aufmerksamkeit. Und genau diesen Mechanismus kannst du dir bei der allmorgendlichen Übung zunutze machen.
3. Gehe den neuen Weg - immer und immer wieder
Bist du in alten Mustern gefangen? In Stresssituationen reagierst du mit Hektik , morgens lässt du das Frühstück ausfallen, um später zum kalorienreichen Kuchen zu greifen. Das Sportprogramm für diese Woche hast du wieder nicht ernst genommen? Dann geht es dir wie vielen von uns. Warum sind diese Muster eigentlich so stark? Ein Blick ins Gehirn erklärt, warum Veränderung so schwierig ist: Jedes Verhalten, jeder Gedanke, ja auch viele Gefühlsreaktionen haben sich in deinem Gehirn im Laufe deines Lebens als Nervenverbindungen ausgebildet. Vereinfacht gesprochen hast du für jedes Verhalten eine Art Autobahn, die aktiviert wird, sobald du in einer bestimmten Situation bist und ein immer gleiches Verhaltensmuster zeigst. Diese Funktionsweise spart deinem Gehirn unheimlich viel Energie und ist in vielen Bereichen des Alltags sehr praktisch: Beim Aufstehen, Zähneputzen, Anziehen, Kochen, Autofahren, bei vielen Arbeitsschritten und allen Dingen, die ohne deine bewusste Aufmerksamkeit passieren. Stell dir vor, du hättest diese Automatismen nicht? Du müsstest dir ständig bewusst machen, wie ein Schritt nach dem anderen funktioniert, um deinen Alltag zu bewerkstelligen. Leider kann dein Gehirn nicht zwischen positiven, praktischen und negativen, nicht zielführenden Verhaltensweisen unterscheiden. Es versteht nicht von alleine, wieso es auf Dauer nicht sinnvoll ist, nach einem stressigen Arbeitstag mit Chips auf der Couch zu laden, statt die Laufschuhe zu schnüren.
Doch die gute Nachricht lautet: Veränderung ist jederzeit möglich. Vorausgesetzt du bist wirklich motiviert (schau dir dazu die Schritte 1 und 2 noch einmal an), du hast genügend Ressourcen (bitte nicht in der absolut stressigsten Zeit starten, wo es gerade ums “Überleben” des Alltags geht) und hast dir bewusst gemacht, dass DU und sonst niemand dein Leben verändern kann. Aus neurobiologischer Sicht können wir nämlich dank der Neuroplastizität unsere Nervenverknüpfungen verändern. Dafür brauchen diese aber echtes Training. Das bedeutet: Bis jetzt funktioniert dein (Nichtziel)Verhalten ganz automatisch dank einer Autobahn in deinem Gehirn. Um dieses Verhalten zu verändern, musst du dich jedes Mal entscheiden, einen neuen Weg zu gehen. Beim ersten Mal, wenn du zB die Treppe statt den Aufzug nimmst oder dich entscheidest, in einer Stresssituation lieber drei Mal tief durchzuatmen als dich in den Strudel der Stressgedanken ziehen zu lassen, herrscht in deinem Gehirn helle Aufregung: “Ein neues Verhalten!” Je öfter du dich für den besseren, richtigeren, den dich deinem Ziel näher bringenden Weg entscheidest, desto stärker werden die Nervenverbindungen für das neue Verhalten, die neuen Gedanken, die daraus resultierenden neuen Gefühle in deinem Gehirn. Nach einer gewissen Zeit (Forscher sprechen von mindestens 21 Tagen) sind diese neuen Autobahnen so stark, dass du dich nicht mehr ständig selbst daran erinnern musst, den neuen Weg zu gehen. Langsam geht das, was du dir als neue Verhaltensweise bewusst antrainiert hast, in dein Unterbewusstsein ein.
Wie es dir gelingt, nicht so schnell in alte Muster zu fallen und dich von Situation zu Situation für den besseren Weg zu entscheiden, liest du hier: Achtsamkeit lernen und Muster unterbrechen.
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit. “